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Fam Paar

David und Paula – Lebenswege ändern sich. Schön ist es, wenn die Liebe bleibt.

30. Juni 2018


Eine Geschichte von Annemarie Stern

Alle wussten, dass Paula und David ein “Paar“ waren, und zwar bereits seit dem Kindergarten. David war groß und kam an alle Türklinken heran. Paula dagegen war die Kleinste, die beim Türenöffnen immer Hilfe brauchte. Wenn sie sich flehend umschaute, eilte sofort David herbei. Dafür half sie David beim Schuhe zubinden, weil  ihm die Schleife nicht so gut gelang. Mit der Zeit entstand eine feste Freundschaft. Und, als die Beiden auch in derselben Schule und in der gleichen Klasse eingeschult wurden, kannte ihre Freude keine Grenzen.

Paula und David standen mit ihren Schultüten für das Einschulungsfoto nebeneinander. Auf dem einen Foto trug Paula ihre eigene große Schultüte mit vor Anstrengung aufgeblasenen Backen. Danach stellte sie die Riesentüte auf den Boden des Schulhofes ab und die schöne Spitze knickte um. Auf dem zweiten Foto hatten die beiden Erstklässler ihre Schultüten getauscht, und Paula hielt mit strahlendem Lachen Davids viel kleinere im Arm. Sie halfen sich in der Schule ebenso, wie zuvor im Kindergarten: Paula übte mit David Lesen und Schreiben, und David beschützte das zierliche Mädchen vor den Rüpeleien der größeren Jungen. Sie feierten gemeinsam Geburtstag. Und an ihrem 10. Geburtstag schenkte David Paula eine blaue      Geburtstagsglockenblume. Sie fand die Blume wunderschön und pflegte sie behutsam. Manchmal erzählt sie ihr auch ihre geheimsten Träume. Phantasien, in denen oft auch David vorkommt. Doch das Leben richtet sich nur selten nach den Wünschen eines kleinen Mädchens.

In der fünften Klasse trennten sich ihre Schulwege. Paula wurde von ihren Eltern für das Gymnasium angemeldet, David dagegen besuchte auf Wunsch seines Vaters die Realschule. Er sollte nach der Schulzeit einen Handwerksberuf erlernen. Für Abitur und Studium war kein Geld übrig. Ob Paula ihn nun überhaupt noch mag? Auf dem Gymnasium lernt sie bestimmt klügere Freunde kennen. David ist richtig eifersüchtig und niedergedrückt. Seine Omi tröstete David. Sie sagte zu ihm: „Deine Freundschaft mit Paula steht nun vor ihrer ersten Bewährungsprobe. Es liegt an euch, ob ihr sie weiter pflegt. Eine Freundschaft benötigt genauso viel Pflege, wie die blaue Geburtstagsglockenblume! Paula wohnt doch nicht auf einem anderen Stern, sie besucht nur eine andere Schule.“ Sie nimmt ihren traurigen Enkel in ihre Arme und streicht ihm über den Rücken. David wird ganz ruhig und er fühlt sich auf wunderbare Weise getröstet, Ja, er will seine Freundschaft mit Paula pflegen, so wie sie immer noch die blaue Geburtstagsglockenblume gießt.

Nun haben Paula und David keinen gemeinsamen Schulweg mehr. Sie sehen sich seltener. David vermisst Paula sehr und er ist oft unglücklich. Für Paula ist alles sehr aufregend und sie findet in der neuen Umgebung sehr schnell Freunde. Der große David hat sich auch einem Jungen angeschlossen. Er ist sehr mickrig, trägt eine Schiene an dem einen Bein, weil es kürzer ist, als das andere. Er wird von den anderen Kindern oft gehänselt. „Hinkebein, komm doch her – kriegst uns ja doch nicht ein!“ Oder: „Humpelmax – Hosenkacks!“, rufen sie ihm hämisch hinterher. Da kommt plötzlich David angesaust und verpasst dem Rufer einen Stoß vor die Brust und baut sich drohend vor ihm auf. Und die Spötter verstummen mit der Zeit. David hat nun wieder einen Mitschüler dem er helfen, den er beschützen kann. Max aber ist froh darüber, dass er einen großen und starken Schulfreund hat. Doch die Freundschaft mit Paula steht bei David immer noch an erster Stelle.

Aber zuerst feiert David seine Konfirmation und Paula ihre Jugendweihe. Nun sind sie in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen worden. „Aber meine Eltern behandeln mich immer noch wie ein Kind“, beklagt sich Paula bei David. „Sie möchten nicht mehr, dass ich mich mit dir „herumtreibe“, wie sie es nennen. Du kämst aus keiner guten Familie, und wärst nun kein Umgang mehr für mich.“ David ist gekränkt. Paula tröstet ihn, und die Beiden verabreden sich weiter. Paulas Vater knöpft sich sein störrisches Töchterchen vor. „Wer weiß schon, was da alles passieren kann“, sagt der Vater sehr bestimmt mit hochgezogenen Brauen zu Paula. 
Er versucht seine Tochter nochmals aufzuklären. Aber Paula weiß schon lange, dass man vom Küssen keine Kinder bekommen kann. Fast grient sie bei dem Gestammel ihres Vaters. Die Mutter nickt bei jedem Wort ihres Mannes wie eine Marionette mit dem Kopf. Das alles ist so lächerlich und auch peinlich für Paula. „Und wo bleibt dein Vertrauen, von dem du bei jeder Gelegenheit sprichst, Papa? Gilt das auch für David und mich? Nicht? Ihr pachtet Vertrauen und Wahrheiten nur für euch? Für die Erwachsenen? Ich gehöre auch zum Kreis der Erwachsenen!“, sagt sie trotzig zu ihren Eltern, knallt die Tür hinter sich zu und vergräbt sich in ihrem Zimmer.
 
Zusätzlich wird Paula inzwischen von den Mädchen ihrer Klasse gehänselt und gemoppt. Denn David trägt nun mal keine Markenklamotten! „Welcher Kleidersammlung ist dein Freak denn entsprungen?“ Paula schämt sich für David und hat plötzlich keine Zeit mehr für ihn. Sie feiert mit ihrer Clique Partys. Sie besuchen Festivals und Konzerte, sie fahren gemeinsam in den Ferien während einer Klassenfahrt nach Rom. David versteht Paula nicht mehr. Immer öfter  weist sie ihn ab. David fühlt sich abgehängt und ausgebootet.

David erzählt seiner Omi von der Situation. Und die Omi weiß wie immer einen Rat. Sie sagt zu David: „Du weißt doch, dass ich mir den kleinen Garten mit meiner Freundin Trudi teile. Wenn ihr Zwei uns alten Leutchen einmal in der Woche bei Gartenarbeiten helfen könntet, würde das für uns eine große Erleichterung bedeuten. Da, am Haken, hängt der Zweitschlüssel für das Gärtchen. Ich hoffe doch, ich kann euch vertrauen. Versprich mir in die Hand, dass ihr nichts tun werdet, was euch und mir Schande bringen würde!“ „Ja“, sagte David mit hochrotem Kopf und „Nein“ verbesserte er sich sofort stotternd. 

David passt Paula auf dem Schulweg ab. „Ach, sieh mal, wer da auf dich wartet! Ach, der schon wieder“, sagen die Mädchen geringschätzig. Paula aber läuft vor den erstaunten Augen ihrer Mitschülerinnen auf David zu und umarmt ihn. Sie hat ihn schon lange sehr vermisst. Und für die Zwei beginnt eine wundervolle Zeit. Voller Geheimnisse und Träume. Den ersten Küssen, Zärtlichkeiten, der Sehnsucht nach einem gemeinsamen Leben. Dann kommt viel zu schnell der Abschied.

David beginnt seine Lehre zum Orthopädiemechaniker in einer anderen Stadt. Paula wird ihr Abitur in England ablegen. Zum Abschied schenkt Paula David einen Ableger von der blauen Geburtstagsglockenblume. Sie pflanzen den Senker gemeinsam in den Garten ihrer Träume. „Mit deiner Omi habe ich schon gesprochen. Sie wird das Blümchen für uns gießen.“ Sie umarmen sich noch einmal ganz fest, geben sich einen Kuss und das Versprechen, einander nicht zu vergessen. 

Ob, oder wann sie sich wieder begegnen, bleibt ein Geheimnis der Zukunft. Und die Zukunft gibt niemals ein Geheimnis preis  …