Seit Jahren wächst die Zahl der Senioren,
die selbst Auto fahren. Viele von ihnen sind bereit, zum Erhalt der eigenen
Mobilität altersgerechte Fahrzeuge anzuschaffen. Das macht diese in vielen
Ländern finanzstarke Gruppe für die Automobilindustrie überaus interessant.
Explizit als „Seniorenauto“ bezeichnete Modelle hat zwar keiner der großen
Hersteller im Angebot. Der Markt wird aber durch entsprechende Bauformen in
Kombination mit ausgewählten Komfort- und Sicherheitssystemen bedient. So
erfolgt keine Stigmatisierung von Fahrzeugmodellen oder Nutzern, gleichzeitig
kommen die Vorteile allen Altersgruppen zugute.
„In puncto Sicherheit spielen dabei die
direkte und indirekte Sicht, Fahrerassistenzsysteme sowie die Elemente der
passiven Sicherheit eine wesentliche Rolle“, sagt DEKRA Unfallforscher Markus
Egelhaaf.
Gute Sicht und einfache Bedienung sind
zentrale Auswahlkriterien
Wichtige Funktionen sollten mit möglichst
wenig Ablenkung auskommen
Assistenzsysteme können Leistungseinbußen
teilweise kompensieren
Bis ins hohe Alter ist die Nutzung des
eigenen Pkw für viele Senioren ein wesentlicher Baustein der individuellen
Mobilität. Um aber sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu
gefährden, sollte das ausgewählte Fahrzeug so gut wie möglich auf die Belange
und die möglichen Leistungseinbußen der Altersgruppe 65+ zugeschnitten sein.
Das beginnt bei der direkten Sicht vom
Fahrerplatz aus. „Je weniger die Sicht durch breite Säulen oder zu kleine
Fenster eingeschränkt wird, desto weniger fallen körperliche Einschränkungen im
Bereich des Oberkörpers und der Halswirbelsäule oder ein verkleinertes
Gesichtsfeld ins Gewicht“, erklärt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf.
Insbesondere die Windschutzscheibe habe eine Vielzahl an Kriterien zu erfüllen.
So müsse zum Beispiel das durch die Scheibenwischer abgedeckte Wischfeld so
gestaltet sein, dass bei Regen oder insbesondere auch Schneefall keine
nennenswerten „Verbreiterungen“ der A-Säulen entstehen. „Ein guter Blick auf
Ampeln muss durch die Anordnung des Sitzes zur Windschutzscheibe und vor allem
die Positionierung des Innenspiegels sowie der oftmals in diesem Bereich
verbauten Sensorik oder Kamerasysteme möglich sein – und zwar ohne größere
Verrenkungen in allen für die Nutzer in Frage kommenden Positionen der
Sitzeinstellung“, empfiehlt der DEKRA Experte.
Darüber hinaus würden große und wenig
verzerrende Rückspiegel eine schnellere Erfassung des rückwärtigen Verkehrs
ermöglichen und dazu beitragen, Unzulänglichkeiten beim Schulterblick zu
kompensieren, auch wenn sie ihn nicht komplett ersetzen können. Wichtig sei
außerdem die Innenraumgestaltung, die den Blick mittels Innenspiegel durch die
Heckscheibe möglichst wenig beeinträchtigen dürfe. Dafür ist es ratsam, bei der
Fahrzeugauswahl unvoreingenommen Modelle verschiedener Hersteller auszuprobieren
und sich für dasjenige zu entscheiden, in dem man sich am wohlsten fühlt – auch
wenn es vielleicht nicht von der seit Jahrzehnten gefahrenen Marke aus dem
ebensolange besuchten Autohaus stammt.
Möglichst wenig Ablenkung durch Bedienung
wichtiger Funktionen
Auch ein aufgeräumtes Cockpit, sinnfällige
und gut ablesbare Instrumente sowie eine übersichtliche, eindeutig
strukturierte Benutzeroberfläche tragen wesentlich zur Entlastung der
Fahrerinnen und Fahrer bei und sorgen so für Sicherheit und Wohlbefinden.
Displays und Anzeigeelemente sollten bei jedem Beleuchtungszustand
kontrastreich gestaltet sein. Zahlen und andere Zeichen oder Symbole müssen
groß genug und auch bei nur kurzer Blickzuwendung gut erkennbar sein. Während
der Fahrt genutzte wesentliche Funktionen wie die Steuerung von Licht und
Scheibenwischern, die Einstellung von Heizung und Lüftung oder die Regelung des
Radios müssen ohne Blickzuwendung und mit haptischer Rückmeldung einfach
bedient werden können. Mit Bildschirmmenü geführte Ein-Knopf-Bedienung oder
Touchscreens führen schnell zu einer Überforderung oder gefährlichen Ablenkung.
„Wenn schon sicherheitsrelevante Funktionen in Touchscreens verlegt werden,
wäre eine Steuerung über einfache Sprachbefehle oder Gesten auf jeden Fall die
bessere Option, um die Ablenkungszeit so kurz wie möglich zu halten“, gibt
Egelhaaf zu bedenken.
Fahrerassistenzsysteme können
Stresssituationen abmildern
Was die Auswahl von Fahrerassistenzsystemen anbelangt, weisen vor allem solche ein besonders für Senioren hohes Nutzenpotenzial auf, die in komplexen und anspruchsvollen Verkehrssituationen unterstützen. Dazu gehören etwa Kreuzungsassistent, Totwinkel- bzw. Spurwechselassistent, Nachtsichtsystem oder Notbremsassistent. Zudem kann ein Verkehrszeichenassistent, der kamerabasiert die zulässige Höchstgeschwindigkeit erkennt und auf der Armaturentafel anzeigt, in einem gewissen Rahmen Defizite bei der Aufmerksamkeit kompensieren und so ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit verleihen. Auch Rückfahrkamera und Einparkhilfen können Stresssituationen abmildern und so zu mehr Sicherheit beitragen. Gerade bei Dämmerung und Dunkelheit erweisen sich intelligente Lichtsysteme oder Fernlichtassistenten als wichtige Helfer gegen das im Alter zunehmend nachlassende Dämmerungs- und Dunkelheitssehvermögen. Bei Navigationssystemen sind ein aktueller Kartenstand sowie klare akustische und optische Anweisungen die Kriterien, auf die es ankommt. Auch E-Call-Systeme, am besten mit zusätzlicher Service-Ruf-Funktionalität, können zu einem sichereren Gefühl beitragen und in Unfall- oder Pannensituationen Stress reduzieren.
Wie sicher sind Automatikgetriebe für
Senioren?
Rund um die Fahrzeuganschaffung dürfte sich
in einigen Märkten für Senioren auch die Frage stellen, ob sie sich für ein
Fahrzeug mit Automatikgetriebe entscheiden. Grundsätzlich ist zum Beispiel in
Deutschland der Marktanteil neuer Fahrzeuge mit Automatikgetriebe rasant
gestiegen – er lag 2020 nach Zahlen der Deutschen Automobil Treuhand bei über
55 Prozent, 2010 waren es gerade mal knapp 28 Prozent. Das ist allerdings kein
Vergleich zu den USA oder Japan, wo der Automatikanteil etwa 90 Prozent
beträgt. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass die manuelle Schaltung mit
den Jahren noch weiter an Bedeutung verlieren wird – unter anderem auch
deshalb, weil manche modernen Assistenzsysteme nur im Zusammenspiel mit
Automatikgetrieben funktionieren und auch ein elektrischer Antrieb keine
Gangschaltung mehr benötigt.
Aber sind Fahrzeuge mit Automatikgetriebe
eigentlich unsicherer, da sie sich bei laufendem Motor, sofern das Bremspedal
nicht gedrückt wird, ständig bewegen oder ist die Gefahr einer ungewollten
Beschleunigung größer? Schließlich liest man in den Polizeiberichten immer
wieder von älteren Fahrern, denen ihr Fahrzeug mit Automatikgetriebe außer
Kontrolle geraten ist, weil sie das Brems- und Gaspedal verwechselt oder aus
Versehen den Rückwärtsgang eingelegt haben. „Um derartige Bedienungsfehler und
daraus oft resultierende Panikreaktionen zu vermeiden, sollten sich Senioren
vor dem Kauf eines Automatikwagens im Idealfall von Fahrlehrern die
Besonderheiten eines solchen Getriebes zeigen lassen beziehungsweise im Rahmen
von Fahrtrainings die Beherrschung von Grenzsituationen einüben“, rät Markus
Egelhaaf.
Empfehlenswert ist es nach Ansicht des
Unfallforschers von DEKRA außerdem, den Umstieg auf die Automatik möglichst
rechtzeitig anzugehen, um so die hierfür nötige Routine zu einer Zeit zu
erlangen, in der das kognitive Leistungsvermögen noch ohne größere
altersbedingte Einbußen vorhanden ist.
Hintergründe zum Thema – ebenso wie viele
weitere Informationen zur Verkehrssicherheit von älteren Menschen – liefert der
aktuelle DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2021 „Mobilität im Alter“. Er steht
online unter www.dekra-roadsafety.com zur Verfügung.
Text / Foto: DEKRA e.V.