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Freie Ärzteschaft: Spahns Patientendaten-Schutzgesetz wird seinem Namen nicht gerecht

Mittwoch, den 27. Mai 2020


Das geplante Patientendaten-Schutzgesetz hat viele Kritiker: Der Bundesdatenschützer, die Ärzteschaft, Oppositionsparteien im Bundestag, der Chaos Computer Club und viele weitere Experten monieren den mangelnden Datenschutz und vermissen den konkreten Nutzen für Patienten. Die Freie Ärzteschaft (FÄ) sieht noch einen wesentlichen Kritikpunkt: die nicht vorhandene Praktikabilität für die medizinische Versorgung. „Die geplanten hochkomplexen digitalen Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (ePA) oder das elektronische Rezept behindern massiv den Workflow in den Praxen und Kliniken“, sagte FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder (Foto) am Mittwoch in Hamburg.
 
„Zeit- und Kostenaufwände steigen deutlich – das werden die Arztpraxen und die Patienten spüren. Profitieren werden nur IT-Konzerne und eventuell Krankenkassen, die sich den indirekten Zugriff auf die gesamten ausführlichen Krankheitsdaten erhoffen“, betont Lüder. Datenschützer und Ärzte kritisieren außerdem, dass die Gesetze von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Widerspruch zur Datenschutzgrundverordnung stehen. Die dort festgelegten rechtlichen Voraussetzungen für die sensibelsten Daten der Bevölkerung werden nach Meinung vieler Sachverständiger nicht annähernd erfüllt.
 
Eingeführt werden sollen die ePA, das elektronische Rezept, die elektronische Überweisung, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und der elektronische Notfalldatensatz. Ärztinnen und Ärzte, die bis Mitte 2021 nicht mit der ePA arbeiten, werden dann mit erneuten Strafzahlungen zur Kasse gebeten. „Dabei nützt die ePA bei der Patientenbehandlung nicht, sondern raubt nur Zeit und sorgt für Unsicherheit“, erläutert die FÄ-Vizevorsitzende. „Da die Versicherten selbst Dokumente löschen können, ist die Akte unvollständig, aus medizinischer Sicht unzuverlässig und juristisch betrachtet für Ärzte unbrauchbar.“
 
Auch das e-Rezept sei inakzeptabel. Hierbei bekommt der Versicherte entweder einen Zugangscode auf sein Handy oder einen sogenannten Token auf Papier, sämtliche Informationen werden auf zentralen Servern gespeichert. Der Patient kann nicht mehr nachprüfen, was der Arzt tatsächlich verordnet hat, Missverständnisse werden erst in der Apotheke sichtbar. „Zudem werden ältere Menschen ohne Handy, Menschen mit geringen Sprachkenntnissen oder mit Handicaps bei der ePA wie auch beim e-Rezept eindeutig diskriminiert“, kritisiert Lüder.
 
Geradezu irrwitzige Wege geht die Einführung des elektronischen Notfalldatensatzes. Die FÄ-Vize erläutert das: „In Tests dauerte die Erstausstellung 20 bis 30 Minuten – welcher Arzt hat die Zeit dafür übrig? Diese Zeit geht nämlich der tatsächlichen Behandlung und zuwendungsintensiven Medizin verloren. Der Gesetzgeber maßt sich an, völlig praxisferne und unsichere Regelungen zu treffen, die tief in die Abläufe in den Arztpraxen eingreifen, noch mehr Bürokratie schaffen und von denen weder Ärzte noch Patienten profitieren. Im Gegenteil, das Ganze schadet der medizinischen Versorgung extrem.“