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Magdeburg / ST: Der Irrweg einer Amtsarztquote

Donnerstag, den 4. Februar 2021

Mit Erschrecken haben die medizinischen Fachschaften Halle und Magdeburg, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) und die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg von den Bestrebungen in Sachsen-Anhalt erfahren, eine sogenannte „Amtsarztquote“ einzuführen und sich in einem Offenen Brief an die Landesregierung gewandt.

„Es verwundert sehr, dass insbesondere die SPD auf derart Berufs- und Ausbildungsfreiheit einschränkende Quoten setzt, sonst aber jede planwirtschaftlich anmutende Zwangsmaßnahme dogmatisch ablehnt“, kritisiert Tobias Henke, Vorstandsmitglied der bvmd. „Die blanke Hilflosigkeit nach jahrelanger Vernachlässigung des ÖGD offenbart sich zusehends.“

Eine „Amtsarztquote“ stellt keine Problemlösung dar

Die Studierenden begrüßen generell die politische Auseinandersetzung mit den Herausforderungen im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Die Lösung, die nun aufgebracht wird, verfehlt aber das Ziel, zeugt von einem Unverständnis der herrschenden Problematik und ist sozialpolitisch in hohem Maße ungerecht.

Die Probleme im ÖGD haben zwar durch die Corona-Pandemie an Brisanz gewonnen, sind aber ein lang bekanntes, hausgemachtes Problem. Die Verfassenden warnen davor, die jahrelange Vernachlässigung jetzt für den Wahlkampf mit kontraproduktiven Kurzschlussreaktionen zu kompensieren.

Die “Amtsarztquote” in Sachsen-Anhalt würde eine Signalwirkung haben –allerdings ein Signal, welches den ÖGD als derart unattraktiv darstellt, dass nur noch Zwangsmaßnahmen wirksam zu sein scheinen. Dieses Narrativ torpediert jegliche Bemühung, die Arbeit im ÖGD als attraktives Berufsbild zu etablieren.

Die ersten Fachärzt*innen aus dieser Quote, werden dem ÖGD in frühestens 12-15 Jahren zur Verfügung stehen. Die Personalnot ist allerdings ein akutes Problem, welches heute einer Lösung bedarf und nicht erst potenziell nach 2033.

Die Quote erwartet von Unter-18-Jährigen, sich – unter Androhung einer sechsstelligen Strafzahlung - für über 20 Jahre einer sehr konkreten Berufsrichtung zu verpflichten. Wegen der kompetitiven Zulassung werden einige dies tun, um eine Chance zu haben, jemals Arzt oder Ärztin zu werden, ohne überhaupt Interesse am ÖGD zu haben. Dies wird auf lange Sicht die Qualität der Versorgung deutlich verschlechtern. Die Möglichkeit, sich mit einer Strafzahlung aus der Verpflichtung “herauszukaufen”, diskriminiert zudem weniger gut situierte Studierende. Die Berufswahl darf in einem freien und demokratischen Sozialstaat niemals von der Größe des elterlichen Geldbeutels abhängen.

Schon jetzt können sich 23% aller Medizinstudierenden vorstellen, im ÖGD zu arbeiten, entscheiden sich aber aufgrund der schlechten Perspektiven gegen diesen Berufswunsch. Diese Studierende zu gewinnen, ist der beste Weg, um den Öffentlichen Gesundheitsdienst nachhaltig zu stärken. Das funktioniert mit der bereits angedachten Aufwertung des ÖGD im Medizinstudium. Das funktioniert mit dem Pakt für den ÖGD. Das funktioniert mit einem positiven Dialog, an dem die Studierenden gerne gemeinsam mit der Politik mitwirken - aber nicht mit einer Amtsarztquote.


Symbolfoto/Unsplash