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Erklärung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN:

Digitalisierung nicht bekämpfen sondern gestalten

Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz beschäftigt sich mit den 
Auswirkungen der Digitalisierung in allen Lebensbereichen. 
Landtagsfraktionen und Bundestagsfraktion arbeiten an linken Antworten 
auf damit verbundene Fragen. Im Zentrum stehen sich abzeichnende oder 
schon im Gang befindliche innovative Brüche in allen Lebensbereichen. 
Die Entwicklungsszenarien sind aus verschiedenen Perspektiven der 
Gesellschaft, der Arbeits- und Lebenswelt, der Demokratie und des 
Gemeinwohls mit Bezug politische Gestaltungserfordernisse und - 
möglichkeiten zu betrachten.


1.    Arbeitswelt

Digitalisierung verändert die Arbeitswelt und die Gesellschaft. So wie 
Produktionsprozesse, Dienstleistungen und ganze Wertschöpfungsketten 
durch das Zusammenspiel von Automatisierung,  Vernetzung und 
Datenanalyse verändert werden. Just-in-time-Produktion, 
Echtzeitübertragung von Staus bei Google, den "gläsernen" Kunden,  den 
wahrgewordenen Traum vom "intelligenten Kühlschrank" oder auch den 
"(Alb-)Traum" von Supermärkten ohne Kassen - all dies bringt die 
Digitalisierung mit sich.

Die Digitalisierung birgt gerade auch Chancen für kleine und mittlere 
Unternehmen in strukturschwachen und ländlichen Regionen. Allerdings 
setzt dies eine ausreichende und schnelle digitale Infrastruktur voraus. 
Auch wenn der Begriff der Industrie 4.0 es vermuten lässt, beschränken 
sich die Veränderungsprozesse nicht nur auf die Industrie, sondern 
schließen auch sehr stark den Dienstleistungsbereich ein. Hier besteht 
die Gefahr von einem erhöhten Wettbewerbs- und Rationalisierungsdruck 
und damit einhergehend neue Anforderungen an die Arbeitswelt.

Der Wunsch nach Flexibilisierungen und Liberalisierungen im Arbeits- und 
Arbeitsschutzrecht wird laut. Die Diskussion, ob das tradierte 
Normalarbeitsverhältnis weiterhin die Norm bestimmen soll, birgt die 
Gefahr, sollte die Diskussion nicht auch von links geführt werden, dass 
entgrenzte und prekäre Beschäftigungsformen zunehmen. 
Scheinselbständigkeit, eine Zunahme von Solo-Selbständigen, die auf 
Aufträge über sogenannte "Clouds" und Plattformen angewiesen sind, 
fehlende Absicherung, Mitbestimmung und tarifliche Bindung sind dafür 
Beispiele. Studien sehen vor allem Beschäftigungsverhältnisse mit 
mittlerer Qualifikation als gefährdet an. Dies führt zu einem weiter 
zunehmenden Bedarf an Weiterbildung und Qualifikation. Deshalb müssen 
sich sowohl Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen als auch die 
Politik dringend damit befassen, wie dieser Prozess zu gestalten ist.

Auf der anderen Seite bergen durch die Digitalisierung hervorgehende 
Produktivkraftzuwächse die Möglichkeit, die grundsätzliche Debatte um 
den Arbeitsbegriff über die Erwerbsarbeit hinaus zu führen. So könnte 
die Verteilung der Arbeit gerechter gestaltet werden, beispielsweise 
durch eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Zu 
untersuchen wäre auch, welche Konsequenzen sich daraus für die 
Weiterentwicklung und Stärkung sozialer Sicherungssysteme ergeben. Nicht 
zuletzt bietet die technische Entwicklung die Chance 
geschlechtergerechte Verhältnisse zu schaffen.

2.    Lebenswelt

Weitere Umbrüche sind auch in anderen Lebensbereichen zu erwarten. 
Bereits heute werden weltweit und punktuell in Deutschland Konzepte zu 
"Smart City" entwickelt und umgesetzt.
Städtische Infrastruktur, wie Mobilitätsangebote, Wohnen und öffentliche 
Aufgaben sollen sozial inklusiver, ökologischer und nicht 
profitorientiert ausgestaltet werden.

Die Nutzung digitaler, immaterielle Güter soll gemeinwohlorientiert 
organisiert werden. Dies betrifft insbesondere den freien Zugang zu 
Wissen und Kultur, Informationen und öffentlich erhobenen Daten. Auch 
stellt die Plattformökonomie neue Herausforderungen an die Ordnungspolitik.

3.    Demokratie und öffentliche Meinungsbildung

Stichworte wie Fake News und Social Bots sind als Negativbeispiele in 
aller Munde. Doch dahinter stehende Umwälzungen haben eine viel größere 
Dimension und bergen durchaus auch positive Potentiale. Das Internet und 
soziale Netzwerke können Plattformen offener Meinungsäußerung und 
Diskussion, Demokratisierung und Selbstorganisation bieten. Die Wahrung 
der Privatsphäre und des Datenschutzes muss gesichert werden.

4.    Strategien im Umgang mit der Digitalisierung

Es ist falsch, sich angesichts negativer Entwicklungen in eine bequeme 
Antihaltung zu versetzen. Dies kann und wird in der Praxis kaum Erfolg 
haben und verstellt die Sicht auf Potenziale für gesellschaftlichen 
Fortschritt.

Es ist falsch, in einen Technik- oder Marktdeterminismus zu verfallen. 
Progressive linke Politik wird schon bei der Förderung von 
Innovationsprozessen inhaltlich gestaltend tätig und denkt soziale 
Innovation mit.

In der Digitalisierung sehen wir die Chance den sozial-ökologischen 
Wandel voranzutreiben. Die Digitalisierung muss weder bekämpft noch 
verwaltet, sondern gestaltet werden. 

Ralf Christoffers
Vorsitzender der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN

Magdeburg, 13. Mai 2017