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nicola beer

FDP / BEER-Gastbeitrag: Fußball-WM ohne Politiker

19. Mai 2018

Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer (Foto) schrieb für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" den folgenden Gastbeitrag:

Fußball ist eigentlich die schönste Nebensache der Welt. Manchmal sogar mehr. Wenn aber der Ball rollt, wenn es ernst wird auf dem Platz, dann wird Fußball in Deutschland für Millionen Menschen schnell zur Hauptsache, in der ganzen Welt für wahrscheinlich mehr als eine Milliarde.

Am 14. Juni ist es wieder so weit, dann verfällt die Welt kollektiv dem Fußballfieber. Dann beginnt die WM in Russland. Und diesmal ist es doch anders als bei den vorigen Weltmeisterschaften in Brasilien, Südafrika oder Deutschland. Diesmal ist es eine WM, die an das Turnier 1978 in Argentinien erinnert. Argentinien wurde damals von einer Militärjunta regiert. Und während in den Gefängnissen gefoltert, während Menschen ermordet wurden, wurde in den Stadien ungerührt Fußball gespielt. Hauptsache, der Ball rollte - bis der Gastgeber auch noch Weltmeister wurde.

Jetzt haben wir wieder eine WM in einer Autokratie (und in vier Jahren in Qatar wahrscheinlich gleich noch mal in einer solchen). Es wird eine WM nicht zu Ehren Wladimir Putins, aber eine WM, in deren sportlichem Glanz er sich sonnen kann. Der russische Sonnenkönig im Kreis der Fifa-Mächtigen. Oben auf der Tribüne. „Väterchen" Putin - ganz im Dienste des Sports. Vorfreude will sich dieses Mal nicht recht einstellen. Im Gegenteil herrscht eher eine gewisse Beklommenheit: Die Annexion der Krim scheint bis auf weiteres quasi endgültig. Die Besetzung der östlichen Ukraine - ein Hebel, um die Regierung in Kiew unter Druck zu setzen und die Menschen zu drangsalieren. Die Unterstützung für Assad in Syrien, wo sich Putin als Patron des syrischen Machthabers gibt, um seinen Einfluss in der Region zu sichern. Die Unterdrückung der Opposition. Das Verschwinden der Pressefreiheit - das macht diese WM zu einem Politikum.

Doch was tun? Ein Boykott ist sinnlos. Er würde auf dem Rücken der Zuschauer und der Spieler ausgetragen. Ein Boykott widerspricht auch dem Gedanken des Sports -im friedlichen Wettkampf den Besten zu küren, auch wenn es sich bei diesem Wettkampf um Spiele von Millionären handelt. Organisiert von der Fifa, die auch keine Moral kennt, sondern nur Dollars und Profit. Aber der Fußball sollte trotzdem nicht der Leidtragende sein, wenn die Politik etwas bewegen will - auch weil der Fußball mit seiner Vorbildfunktion in Tausenden von Vereinen mehr für die Integration leistet als jede Sonntagsrede.

Ein Boykott der WM - sofern er überhaupt technisch möglich wäre und von allen Demokratien getragen würde - wäre eine symbolische Geste, aber politisch sinnlos. Gleichfalls nur eine Geste, aber immerhin eine nachvollziehbare, wäre, dass kein Politiker zu den Spielen fährt. Nicht der Sportminister, auch nicht die fußballbegeisterte Kanzlerin. Nicht in der Vorrunde, nicht zum Halbfinale, nicht zum Endspiel, das Deutschlands Fußballer hoffentlich erreichen und hoffentlich gewinnen. Der sportliche Triumph wäre großartig. Und wir Politiker wären eben nicht dabei, auch wenn wir die Bühne der Ehrung dann Wladimir Putin und dem Fifa-Präsidenten Infantino überlassen müssen.

Auch stellte sich die Frage, wie wir mit Russland umgehen, noch mal anders, wenn der Doping-Experte und Investigativjournalist Hajo Seppelt zwar zu den Spielen darf, aber vor Ort plötzlich vernommen würde - auf jeden Fall nicht sicher wäre. Dann stellte sich die Frage, wie solidarisch Deutschlands Journalisten sind: ob sie dann konsequent und kollektiv dem Turnier fernbleiben. Wie die Fifa sich dann aufstellt, oder ob sie, wie zu befürchten, zur Tagesordnung übergeht. Wie gehen wir dann mit dem Konzern Fifa um?

Aber ein Zeichen sollten wir vielleicht doch setzen. Ein kleines, ein scheinbar unauffälliges und doch auffälliges. In einer Zeit, in der Spieler nicht nur mit Flanken und Pässen glänzen, sondern sich auch mit Tattoos schmücken, mit bunten Schuhen, auffallenden Frisuren, könnten am Ärmel des Trikots unserer Nationalmannschaft drei Worte stehen: Einigkeit. Recht. Freiheit. Ein Bekenntnis zur Demokratie. Zum Rechtsstaat. Zu unserem Lebensgefühl. Und ein Bekenntnis zu unserer Nationalhymne, die wir hoffentlich im Finale hören, wenn unsere Spieler sie singen. Ein Bekenntnis, kein Protest.

Oder doch? Politische Symbole sind im Sport - aus guten Gründen - verboten. Auch im Fußball. Der Sport soll sich nicht instrumentalisieren lassen. Andererseits ist eine Fußball-WM längst ein milliardenschweres Unternehmen. Die Fifa steht unter Korruptionsverdacht. Die Austragungsorte sind politisch mehr als umstritten. Wieso sollte man sich da zurückhalten? Wir rollen keine Transparente aus. Wir verweisen nur schlicht auf drei Worte unserer Nationalhymne. Und singen dürfen wir sie ja.