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Diesel-Fahrverbote für saubere Luft auch für Euro 5 Diesel in 2018 nicht mehr aufzuhalten

Deutsche Umwelthilfe (DUH) - 19. Mai 2018

Schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts liegt vor und ist eindeutig

Berlin/Leipzig, 19.5.2018: Das Bundesverwaltungsgericht hat am 27.2.2018 mit seinen Grundsatzurteilen für „Saubere Luft“ Diesel-Fahrverbote als zulässig erklärt. Nun liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Daraus geht eindeutig hervor, dass Fahrverbote zur Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte schon jetzt zulässig und erforderlich sind.

Das Bundesverwaltungsgericht differenziert wie folgt: Fahrverbote auf den Hauptverkehrsstraßen sind ohne Übergangsfrist für alle Dieselfahrzeuge (bis einschließlich Euro 5) schon jetzt zulässig. Dies gilt ebenfalls für Fahrverbote, die in einer gesamten Umweltzone gelten, soweit es alle Dieselfahrzeuge angeht, die schlechter als Euro 5 (insbesondere solche der Euro 4) sind.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städte schon jetzt weitgehende Fahrverbote verhängen können. Dies ist rechtlich auch zwingend erforderlich, wenn das Diesel-Fahrverbot die einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte ist, es also keine andere Maßnahme gibt, mit der der Grenzwert ebenso schnell eingehalten werden kann.

Das Bundesverwaltungsgericht hat damit seine in der mündlichen Urteilsbegründung dargelegte Rechtsauffassung nochmals präzisiert. So wurde insbesondere klargestellt, dass es für streckenbe­zogene Fahrverbote keiner Übergangsfristen bedarf. Die Richter schreiben hierzu: „Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die zuständigen Behörden auf, für alle Städte, die unter einer zu hohen Belastung mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) in der Atemluft leiden, Diesel-Fahrverbote umgehend in die Luftreinhaltepläne aufzunehmen und noch in 2018 umzusetzen. Die gewonnenen Klagen der DUH zur Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte in Düsseldorf und Stuttgart waren den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vorausgegangen.

Dazu Jürgen Resch (Foto), Bundesgeschäftsführer der DUH: „Die nun vorliegende Urteilsbegründung bedeutet für alle von zu hohen Werten des Dieselabgasgifts Stickstoffdioxid (NO2) betroffenen Städte nun die Aussperrung aller Diesel-Pkw bis einschließlich der Abgasstufe Euro 5. In wieweit Euro 6 Diesel mit behördlich festgestellter Betrugssoftware ebenfalls unter die ab sofort möglichen Fahrverbote fallen, werden wir ebenfalls vor Gericht klären lassen. Dieses Urteil ist ein Debakel für die amtierende Bundesregierung, die sich einseitig für die Profitinteressen der Autokonzerne einsetzt und 10 Millionen Besitzer von Betrugs-Diesel-Pkw alleine lässt. Und die durch ihre Weigerung, diese Fahrzeuge auf Kosten der verantwortlichen Hersteller nachrüsten zu lassen, den Wertverlust und die Diesel-Fahrverbote zu verantworten hat.“

„Die Behörden müssen dem Urteil Folge leisten“, sagt Ugo Taddei, Rechtsanwalt der internationalen Nichtregierungsorganisation ClientEarth, die die Klagen der DUH unterstützt.

Die DUH fordert die Bundesregierung auf, einen 180-Grad-Schwenk in ihrer Verbraucher- und Luftreinhaltepolitik zu machen. Genauso wie es die amerikanische Umweltbehörde EPA zusammen mit dem Justizministerium in Washington gegenüber VW, Audi und Porsche in den USA durchgesetzt hat, müssen die betrogenen Dieselkunden hierzulande entschädigt und ihre Fahrzeuge so nachgerüstet werden, dass die Abgasgrenzwerte auf der Straße und nicht nur im Labor eingehalten werden. Verweigert die Industrie weiter diese technische Nachrüstung, so müssten die Hersteller die Fahrzeuge zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten.

„Das Grundsatzurteil von Leipzig ist Aufforderung und Chance zugleich, die notwendige Verkehrswende in unseren Städten voranzubringen. Wir brauchen weniger Autos und dafür mehr Busse und Bahnen in den Städten“, so Resch.

Wie dringlich der Handlungsdruck ist, hat die EU-Kommission mit ihrer gestern eingereichten Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen anhaltender Überschreitung der NO2-Grenzwerte deutlich gemacht. Die Klage ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung, die ihre Bemühungen bislang darauf konzentriert hat, der Automobilindustrie keinerlei Lasten aufzuerlegen.

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertreten hat, sagt: „Die Gerichte aller noch anhängiger Verfahren haben auf die heute eingegangene Urteilsbegründung gewartet. Wir werden diese noch heute in allen anderen von uns geführten Klageverfahren übersenden und gehen davon aus, dass es in vielen Fällen schnell zu mündlichen Verhandlungen und Entscheidungen kommen wird. Konkret ist damit bis zum Herbst in Stuttgart, München, Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt und Aachen zu rechnen. Andere Städte werden in den kommenden Wochen folgen.“

Ugo Taddei ergänzt: „Unmittelbar nach dem Deutschland gestern von der EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof wegen seines Versagens in der Luftreinhaltepolitik angeklagt wurde, verurteilt nun auch das oberste deutsche Verwaltungsgericht die mangelhafte nationale Luftreinhaltepolitik der deutschen Bundesregierung. Das Urteil macht unmissverständlich klar, dass Behörden vor Ort Fahrverbote aussprechen können und werden, wenn die Luftbelastung gefährlich hoch ist. Die zuständigen Behörden auf allen Ebenen müssen diese Maßnahme daher umsetzen, um die Menschen vor den giftigen Abgasen zu schützen. Mit ihrer Blockadehaltung verhindern Kanzlerin Merkel und Verkehrsminister Scheuer eine Verbesserung der Situation. Entschlossenes Handeln zur Reduktion der Verschmutzung durch Dieselemissionen würde auch die erforderlichen Anreize in der Industrie auslösen, saubere Technologien zu entwickeln.“

Derzeit führt die DUH in 28 Städten, in denen der Jahresmittelgrenzwert für NO2 überschritten wird, Klageverfahren für „Saubere Luft“. 

Hintergrund: Leitsätze Urteil Düsseldorf

Erweist sich ein auf bestimmte Straßen oder Straßenabschnitte beschränktes Verkehrsverbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte, verlangt Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, diese Maßnahme zu ergreifen.

Die Anordnung eines Verkehrsverbots muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Ein streckenbezogenes Verbot für (bestimmte) Dieselfahrzeuge geht seiner Eingriffsintensität nach nicht über straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahr- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer und Anwohner stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Sondersituationen, insbesondere für Anwohner, ist durch Ausnahmeregelungen Rechnung zu tragen.