Bonn, 19. Mai 2018. Im Januar 2018 wurden unter den Bezeichnungen "Spectre" und "Meltdown" schwer zu behebende Sicherheitslücken in marktüblichen Prozessoren bekannt. IT-Sicherheitsforscher haben
weitere Schwachstellen in diesen Prozessoren entdeckt, die auf vergleichbaren Mechanismen beruhen
und ähnliche Auswirkungen haben können wie "Meltdown" und "Spectre". Diese neuen,
mit "Spectre-Next-Generation (NG)" bezeichneten Schwachstellen führen nach Analysen des BSI dazu,
dass Angreifer Speicherbereiche auslesen und dadurch Zugriff auf vertrauliche Informationen wie
Passwörter, kryptografische Schlüssel oder andere kritische Daten erlangen können, die
normalerweise vor solchen Zugriffen geschützt sein sollten. Derzeit sind außerhalb von
Laborbedingungen keine Angriffe bekannt, die diese neu gefundenen Schwachstellen ausnutzen. Durch
das Bekanntwerden von Detailinformationen besteht jedoch das Risiko, dass Täter entsprechende
Angriffsmethoden entwickeln.
Hierzu erklärt BSI-Präsident Arne Schönbohm (Foto): "Vor dem Hintergrund der täglich fortschreitenden Digitalisierung erschüttern Vorfälle und Schwachstellen wie WannaCry, NotPetya, Efail und nun Spectre-NG die Grundfesten der weltweiten IT-Sicherheitsarchitekturen und heben die Gefährdungslage im Cyber-Raum auf eine neue Ebene. Spectre-NG macht erneut deutlich, dass wir die Cyber-Sicherheit in der Digitalisierung noch stärker betrachten müssen. Deutschland muss in dieser Frage eine Vorreiterrolle einnehmen. Dazu ist es erforderlich, dass die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen durch
unabhängige Stellen überprüft werden und dass Hersteller und Anbieter Melde- und
Transparenzpflichten gegenüber der nationalen Cyber-Sicherheitsbehörde BSI erfüllen. Die
Bundesregierung hat sich mit den Festlegungen des Koalitionsvertrages bereits geeignet
positioniert, um den künftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Diese Maßgaben müssen jetzt
konsequent umgesetzt werden."
Grundlage möglicher Angriffe unter Ausnutzung der Spectre-, Meltdown- und Spectre-NG-Lücken ist die
komplexe, leistungsoptimierende Architektur moderner Prozessoren. Bei dieser Art der Verarbeitung
werden Befehle nicht linear ausgeführt, sondern vorhandene Kapazitäten möglichst vollständig
ausgenutzt, um den Durchsatz an abgearbeiteten Befehlen zu erhöhen. Angreifer können sich diesen
Umstand über eine Vielzahl von Angriffsvektoren zu Nutze machen, um auf eigentlich vor ihrem
Zugriff geschützte Daten zuzugreifen.
Da eine kurzfristige sicherheitstechnische Überarbeitung der verwundbaren Prozessoren in der Praxis
nicht realistisch ist, muss mit diesen und ähnlichen künftigen Schwachstellen geeignet umgegangen
werden: Nur mit Hilfe herstellerübergreifend abgestimmter Patches in Hardware und Software kann das
mögliche Schadpotential so weit wie möglich minimiert werden. Ein Austausch von verwundbaren
Prozessoren und betroffenen IT-Systemen ist erst langfristig durchführbar.
Handlungsempfehlungen des BSI
Als nationale Cyber-Sicherheitsbehörde hat das BSI Bundesverwaltung, Landesverwaltung,
KRITIS-Betreiber und weitere nationale und internationale Partner über die eigenen Erkenntnisse
informiert und erste Maßnahmen empfohlen. Aktuell ist keine vollständige Beseitigung der
Schwachstellen möglich, das Risiko kann lediglich gemindert werden.
Das BSI fordert die Chip- und Hardwarehersteller auf, dafür zu sorgen, diese Schwachstellen im Zuge
der Produktpflege zu beheben. Cloud- und Virtualisierungslösungsanbieter sind in der Verantwortung,
unverzüglich zu prüfen, welche Auswirkungen die aufgedeckten Schwachstellen auf die
IT-Sicherheitseigenschaften der bereitgestellten Produkte und Dienstleistungen haben. Gemeinsam mit
den Herstellern der Systemkomponenten sollten festgestellte Schwachstellen schnellstmöglich
minimiert werden. Die Kunden sollten über die getroffenen Maßnahmen und die verbleibenden Risiken
informiert werden.
Für Endanwender besteht jenseits der raschen Installation der von den Herstellern bereitgestellten
Software-Updates kein Handlungsbedarf.