veröffentlicht am 31. Oktober 2024
Bad Saulgau, Oktober 2024. Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, wird häufig als eine Kinderkrankheit angesehen, die überwiegend Jungen betrifft. Doch aktuellen Prävalenzschätzungen zufolge bleiben zentrale Symptome bei rund 60 Prozent auch im Erwachsenenalter bestehen[1].
„Da ADHS in der Kindheit vor allem bei Jungen diagnostiziert wird, liegt der Fokus im Erwachsenenalter ebenfalls oft auf Männern. ADHS bei Frauen ist ein unsichtbares Leiden, das oftmals viel zu spät erkannt wird. Dies führt dazu, dass viele Betroffene jahrelang mit Beschwerden kämpfen, ohne zu wissen, was dahintersteckt“, betont Prof. Dr. med. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und Ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau. Wie gezielte Aufklärung und Therapien das Selbstbewusstsein und die Lebensqualität steigern können, erläutert die Fachärztin im Folgenden.
Stilles Leiden
Die Diagnose von adulter ADHS bei Frauen gestaltet sich oft schwieriger, da die Anzeichen subtiler ausgeprägt sind als bei Männern. Zusätzlich lernen Mädchen früh, dass Zappeln und Lautsein als unangemessen gelten und kompensieren ihr Verhalten: Ihre Hyperaktivität äußert sich eher in innerer Unruhe, während sich die Aufmerksamkeitsschwäche durch Tagträumerei bemerkbar macht. „Viele Frauen wirken nach außen hin gut organisiert, kämpfen jedoch im Verborgenen mit Konzentrationsschwierigkeiten und starken Selbstzweifeln.
Die jahrelangen, unbemerkten Belastungen führen zunehmend zu chronischem Stress und Burn-out“, so Prof. Beschoner. Hormonelle Veränderungen während Pubertät, Schwangerschaft oder der Wechseljahre verstärken oft Symptome und belasten zusätzlich. „Ohne frühzeitige Diagnose sind diese Lebensphasen besonders herausfordernd und werden oft fälschlicherweise als Angststörungen oder Depressionen eingestuft“, gibt die Fachärztin zu bedenken und fordert, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der Diagnostik stärker berücksichtigt werden.
Es gibt nicht das eine Anzeichen
Bei ADHS unterscheiden Ärzte zwischen drei Hauptsymptomen sowie verschiedenen Begleiterscheinungen, wie Stimmungsschwankungen und Desorganisation. Zu den Hauptsymptomen zählt die Aufmerksamkeitsstörung, die sich bei adulter ADHS oft durch Konzentrationsschwierigkeiten äußert. „Betroffene lassen sich leicht ablenken oder können Gesprächen schwer folgen, was sowohl im Berufs- als auch im Privatleben zu Schwierigkeiten führt, da ihnen häufig Unzuverlässigkeit vorgeworfen wird“, erklärt Prof. Beschoner.
Ein weiteres Hauptsymptom ist die innere Unruhe – unfreiwillige Inaktivität, etwa in Meetings, wird oftmals mit Fingertrommeln oder Beinwippen kompensiert. Das dritte zentrale Merkmal ist die Impulsivität. „Sie kann dazu führen, dass Betroffene schon bei kleinen Provokationen überreagieren“, erläutert die Fachärztin und betont: „Im privaten Umfeld provoziert dieses spontane Verhalten häufig Streit und am Arbeitsplatz leidet die Teamfähigkeit. Auch das Finanzmanagement kann durch unbedachte Ausgaben erschwert werden.“
Bewältigung des Alltags
Für Frauen mit unerkannter ADHS bringt die Diagnose vor allem eines: große Erleichterung und die Grundlage für einen Neuanfang. „Ob und in welchem Umfang eine Behandlung erforderlich ist, hängt in erster Linie von der seelischen Notlage ab“, erklärt Prof. Beschoner und rät: „Wenn die Partnerschaft zu zerbrechen droht, der Arbeitsplatz gefährdet ist, das Risikoverhalten selbstschädigend wird oder tiefe Depressionen und exzessiver Suchtmittelkonsum vorliegen, sollten Betroffene ärztlichen Rat einholen.“
Heute gilt der multimodale Therapieansatz – eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung – als die Erfolg versprechendste Methode. Psychotherapeutische Ansätze, wie die kognitive Verhaltenstherapie, zielen darauf ab, ungünstige Denkmuster zu ändern und praktische Bewältigungsstrategien für den Alltag zu entwickeln. Medikamente stellen oftmals einen Basisbaustein dar, um die Konzentrations- und Impulskontrolle zu verbessern. „Ergänzend können Selbsthilfegruppen und die Unterstützung durch Angehörige zur Stabilisierung beitragen“, schließt die Fachärztin ab.
Kurzprofil
Die Akutklinik Bad Saulgau ist eine Fach- und Poliklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Der Schwerpunkt der Privatklinik liegt auf der Behandlung von Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, chronischen Schmerzen und Traumata. Nach einem multiprofessionellen Behandlungskonzept führt die Akutklinik unter anderem Einzel- und Gruppentherapien, aber auch sport- und bewegungstherapeutische, physiotherapeutische, physikalische sowie musik-, tanz- und gestaltungstherapeutische Behandlungen durch. Die Akutklinik Bad Saulgau ist zusätzlich beihilfefähig. Etwa 100 Mitarbeiter, darunter ein professionelles und erfahrenes Ärzteteam, kümmern sich um die Genesung der Patienten. Zur Erholung von Körper und Seele tragen außerdem kurze Wartezeiten und die Unterbringung in Einzelappartements mit gehobenem Ambiente bei.
Text / Foto: Borgmeier Public Relations / pixabay