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Wald tot pixabay

Magdeburg-News: NABU Sachsen-Anhalt – Waldsterben 2.0? Wälder des Landes lösen sich auf


veröffentlicht am Dienstag, 8. November 2022

Magdeburg. Sachsen-Anhalts Wälder und Forste lösen sich mehr und mehr auf.  Hauptbaumarten wie Fichten, Eichen, Buchen und Kiefern weisen rekordverdächtige Schadwerte auf großer Fläche auf. „Den aktuellen Waldzustandsbericht zu lesen, war wirklich frustrierend.“, sagt Anne Arnold, Forstwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des NABU Sachsen-Anhalt. „Es braucht dringend eine Waldwende mit neuen Konzepten der Waldbewirtschaftung, einer engen Zusammenarbeit von Forst und Naturschutz und einen angepassten Waldumbau.“

Ursache für die starken Waldschäden sind vor allem die sich ändernden Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse. Diese machen die Baumarten anfälliger z. B. gegenüber Stürmen und schädlichem Insektenbefall. Anne Arnold: „Die sogenannten waldökosystemaren Serviceleistungen für den Menschen, wie die Holzproduktion, die Schutz- und die Erholungsfunktion sowie die Kohlenstoffspeicherung, stehen damit nicht mehr wie gewohnt zur Verfügung.“ Bedingt durch diese sich verändernden Umweltbedingungen gibt es jedoch gerade unter den Insekten sogenannte Klimagewinner wie beispielsweise den Eichenprozessionsspinner und den Borkenkäfer. „Insektenausbrüche dieser „Klimagewinner“ treten immer häufiger, in immer stärker werden Intensitäten und auch großflächiger auf. Wissenschaftliche Studien belegen, dass dies dazu führen kann, dass Wälder ihre wichtige Funktion als Kohlenstoffsenke verlieren und sich zur Kohlenstoffquelle wandeln können. Dies ist in der gegenwärtigen Klimakrise fatal.“, fasst die Forstwissenschaftlerin die aktuelle Situation zusammen.

Aber auch eine unangepasste Bewirtschaftung in den Beständen beschleunigt den Auflösungsprozess der Wälder und Forste stark. Dies betrifft leider auch explizit die aktuelle Art der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft in Wald-Schutzgebieten, die als Lebensraum und für den Artenschutz von unermesslichem Wert sind. „Grundsätzlich darf es einfach keine Maßnahmen seitens der Bewirtschafter geben, welche die Anfälligkeit der Wälder gegenüber Stürmen, Pathogenen und Insekten erhöhen.“, so Anne Arnold. Gerade bei Rotbuchen ist eine geschlossene Bestandes- sowie Kronenstruktur wichtig, um das Wasser im Bestand zu halten und die Rotbuche vor Sonnenbrand zu schützen. Das Thema Wasser spielt innerhalb der großen und kontrovers geführten Diskussion zur Waldwende überhaupt die zentrale Rolle. Um den Auflösungsprozess der Wälder aufzuhalten, muss die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen gewährleistet sein. Und das ist letztendlich eine Frage der Standortbedingungen in Kombination mit der Baumartenwahl. Es nützt also nichts, wenn wir Baumarten fördern, die zwar wassersparsam sind, aber einen hohen Anspruch an die Nährstoffversorgung haben.

Die Forstkollegen*innen stehen vor großen Herausforderungen, da sie nicht nur den Wald der kommenden Generationen „bauen“ und damit in die klimatische Zukunft blicken müssen, sondern nun auch dafür Sorge tragen müssen, dass die kommenden Generationen überhaupt noch Wald vorfinden. Das Pariser-2-Grad-Ziel ist ja nur ein globaler Mittelwert, der die Ozeane miteinschließt. Da diese sich langsamer erwärmen, werden wir an Land vermutlich 4 Grad und mehr erwarten müssen. Das sind klimatische Verhältnisse, die unsere einheimischen Baumarten nicht kennen.

Wie soll also der jetzige Wald vorbereitet werden? Hierzu gibt es leider kein Pauschalrezept. „Ein guter Weg ist jedoch möglichst viele Baumarten in die Wälder einzubringen und zu fördern, die sich hinsichtlich ihres Wasserverbrauchs, Durchwurzelungstiefe sowie Reaktionsnorm unterscheiden.“ Auch die Einbringung von fremdländischen Baumarten muss differenziert betrachtet werden. Um den Auflösungsprozess aufzuhalten, kann man nicht einfach trockenresistentere Baumarten einführen, die dann aber nicht mit den Spätfrösten klarkommen und für die einheimische Flora und Fauna bedenklich sind. Andererseits gibt es bereits seit über 100 Jahren fremdländische Arten, die hier gut wachsen und auch keine Bedrohung für einheimische Arten darstellen. Eine weitere Option ist die sogenannte „Assisted Migration“. Dabei wird Saatgut von Buchen z. B. aus trockenen Regionen Spaniens in Deutschland verwendet. Letztendlich wird es eine Mischung aus vielen Optionen geben, die dann in neue und zielführende Waldnutzkonzepte einfließen. Dabei müssen auch die Zusammenarbeit von Naturschutzschutz und Forstwirtschaft und der Waldnaturschutz eine stärkere Rolle spielen.


Der NABU Sachsen-Anhalt fordert daher:

• Angepasste Bewirtschaftungsweisen (Einzelstammentnahmen für die Holzproduktion)
• Verzicht auf (Groß)Schirmschläge, bestehende Schirmschläge nicht weiterführen
• Naturgemäße Dauerwaldbewirtschaftung
• Minimalste Eingriffe sowie mehr Förderung und Belassen von Alt- und Totholz in Waldschutzgebieten
• Mehr Stilllegung von Waldflächen durch neue Nutzkonzepte
• Mehr Zuwachs als Nutzung (Schadholz inbegriffen) – Wälder dürfen nicht aus dem Grundsatz der Nachhaltigkeit fallen


Es gibt unzählige Beispiele, wo eine enge Zusammenarbeit pro Wald wunderbar funktioniert, und dies muss auch das Ziel für Sachsen-Anhalt sein. Wichtig ist bestehende Bestände in Sachsen-Anhalt vor dem Auflösungsprozess maximal zu schützen, denn bis über eine Wiederaufforstung ein neues funktionierendes und wirtschaftlich nutzbares Waldökosystem entsteht, braucht es Zeit, Anpassung und vor allem Wasser!

Text: NABU Landesverband Sachsen-Anhalt
Foto: pixabay