Foto: Dr. Snjezana-Maria Schütt hat mit der INITIATIVE
INSEKTENGIFTALLERGIE über Insektengiftallergie bei Kindern gesprochen.
Hamburg (ots). Eine Insektengiftallergie kann
lebensbedrohliche Folgen haben - auch bei Kindern. Im Interview mit der
INITIATIVE INSEKTENGIFTALLERGIE erklärt die Kinderärztin Dr. Snjezana-Maria
Schütt, wie Eltern auf die Allergie ihres Kindes reagieren sollten.
INITIATIVE INSEKTENGIFTALLERGIE: Welche Beobachtungen
lassen sich in Bezug auf Allergien und Kinder in den vergangenen Jahren machen?
Dr. Schütt: Die Häufigkeit allergischer Erkrankungen im
Kindesalter hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Die Studie zur
Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert-
Koch-Instituts zeigte, dass Allergien mittlerweile zu den häufigsten
Gesundheitsproblemen bei Kindern und Jugendlichen gehören. Fast jedes achte
Kind ist betroffen und fast jedes fünfte Kind ist allergiegefährdet, besitzt
also Antikörper gegen bestimmte Allergene. Schwere allergische Reaktionen
treten im Kindesalter am häufigsten bei Nahrungsmittel- und
Insektengiftallergien auf.
Welches Insekt löst bei Kindern am häufigsten eine
Allergie aus?
Die Wespengiftallergie ist mit rund zwei Dritteln aller
Fälle die häufigste Form der Insektengiftallergie. Kinder sind durch ihren
natürlichen Entdeckergeist und durch das Spielen im Freien besonders gefährdet,
in Kontakt mit einem stechenden Insekt zu geraten.
Reagieren Kinder auf einen Insektenstich anders als
Erwachsene?
Grundsätzlich nicht. Auch bei Kindern kommt es nach einem
Insektenstich in der Regel zu einer unangenehmen, jedoch harmlosen Lokalreaktion
im Bereich der Stichstelle. Wenn jedoch eine Insektengiftallergie vorliegt,
kann ein Insektenstich auch bei Kindern sehr schnell zu einer
lebensbedrohlichen Allgemeinreaktion des Körpers führen. Dabei treten die
Symptome entfernt von der Stichstelle auf und können im schlimmsten Fall alle
Organsysteme betreffen. Eine beginnende Allgemeinreaktion kann sich z.B. durch
Juckreiz an den Handflächen oder Fußsohlen, Schwindel oder Übelkeit äußern.
Sehr rasch kann es in der Folge zu einer schweren Allgemeinreaktion mit
Atemnot, Bewusstlosigkeit bis hin zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommen.
Eine Allgemeinreaktion stellt immer einen akuten Notfall dar.
Inwiefern muss man sich bei der allergischen Reaktion
eines Kindes anders verhalten als bei der eines Erwachsenen?
Grundsätzlich ist der Ablauf der Erste-Hilfe-Maßnahmen
bei Erwachsenen und Kindern gleich. Allerdings ist gerade bei Notfällen im
Kindesalter die Angst der Ersthelfer vor möglichen Fehlern häufig sehr groß.
Daher ist die Aufklärung und ein entsprechendes Notfall-Training, nicht nur für
die betroffenen Familien, sondern auch für die Menschen, die die Kinder in der
KiTa, der Schule oder in der Freizeit betreuen, besonders wichtig.
Wie kann einer Insektengiftallergie bei Kindern
vorgebeugt werden?
Die effektivste Maßnahme, um einer Sensibilisierung gegen
das Insektengift und somit einer möglichen Allergie vorzubeugen, besteht in der
Vermeidung von Insektenstichen. Besonders wichtig ist es, Ruhe zu bewahren,
wenn Wespen oder Bienen in der Nähe sind. An Orten, an denen sich die Insekten
besonders gerne aufhalten wie z.B. Mülleimer oder Wiesen mit blühendem Klee,
sollten Kinder und ihre Eltern besonders aufmerksam sein. Bei der Kleidung
sollten eng anliegende Kleidungsstücke bevorzugt werden, da sich Insekten darin
nicht so leicht verfangen können. Duftstoffe in Parfums oder Haarspray können
für Bienen und Wespen ebenso verlockend sein wie bestimmte Lebensmittel oder
süße Getränke. Entsprechende Behälter sollten daher verschlossen gehalten und Essensreste
im Gesicht oder an den Händen rasch entfernt werden.
Was ist bei der Diagnosestellung einer
Insektengiftallergie bei Kindern zu beachten?
Bei der Diagnosestellung spielt das ausführliche
Arzt-Patienten- bzw. Arzt-Eltern-Gespräch eine wesentliche Rolle. Die zentralen
Fragen dabei sind: Von welchem Insekt wurde das Kind an welcher Körperregion
gestochen? Und in welchem zeitlichen Ablauf traten welche Beschwerden auf? Zur
weiteren Abklärung können Haut- und Bluttests mit dem vermuteten Auslöser
durchgeführt werden.
Wie wird eine Insektengiftallergie bei Kindern behandelt
und gibt es dabei Besonderheiten?
Kinder mit einer Insektengiftallergie sollten immer ein
Notfallset bei sich tragen, also auch in der Schule und beim Sport. Um im
Notfall eine schnelle und sichere Anwendung der Notfallmedikamente zu
gewährleisten, sollten Betreuungspersonen über die Handhabung des Notfallsets
informiert sein. In einigen Regionen werden für KiTas und Schulen spezielle
Schulungen angeboten. Darüber hinaus sollten Eltern mit einem Allergologen über
eine Hyposensibilisierung sprechen. Ob diese Behandlung bereits bei Kindern
durchgeführt wird, hängt u.a. vom Schweregrad der allergischen Symptome ab.
Wann ist eine Hyposensibilisierung angezeigt und wie wird
sie durchgeführt?
Die Hyposensibilisierung ist bisher die einzige
ursächliche Behandlungsmöglichkeit einer Insektengiftallergie. Sie ist
angezeigt, wenn eine Sensibilisierung gegen das Insektengift (Blut-/Hauttest)
nachgewiesen wurde, und es nach einem Insektenstich zu einer schweren
Allgemeinreaktion gekommen ist. Beim Vorliegen zusätzlicher Risiken, wie zum
Beispiel durch die Nähe zu einer Imkerei, kann die Hyposensibilisierung auch
bei leichten oder mittelschweren Allgemeinreaktionen angezeigt sein.
Bei der Hyposensibilisierung werden dem Patienten
zunächst geringe Mengen des Allergens in steigender Konzentration verabreicht,
bis sich das Immunsystem an das Allergen gewöhnt und eine Toleranz entwickelt
hat. Die Einleitung der Behandlung erfolgt in der Regel unter stationären
Bedingungen. Die darauffolgende mehrjährige Erhaltungsphase wird meist ambulant
bei einem Allergologen durchgeführt.
Ab welchem Alter kann mit einer Hyposensibilisierung
begonnen werden?
Auch bei Kindern stellt die Hyposensibilisierung die
einzige ursächliche Therapieform dar, mit der potenziell lebensbedrohliche
Situationen nach einem Stich vermieden werden können. In der Regel ist eine
Hyposensibilisierung ab einem Alter von fünf Jahren möglich. Bei jüngeren
Kindern sollte in Absprache mit einem spezialisierten Allergologen eine
individuelle Therapieentscheidung erfolgen. Die Erfolgsrate einer
Hyposensibilisierung ist bei einer Insektengiftallergie sehr hoch. Zur Klärung
der Frage, ob eine Hyposensibilisierung beim Kind in Frage kommt und wie die
konkreten Behandlungsmöglichkeiten aussehen, sollte man auf jeden Fall einen
spezialisierten Allergologen aufsuchen.
Gibt es spezielle Notfallsets für Kinder? Wenn ja, wie
unterscheiden sich diese von der Version für Erwachsene?
Auch bei Kindern gehören zu einem Notfallset ein schnell
wirksames Antihistaminikum sowie ein Kortison-Präparat in einer altersgerechten
und unkomplizierten Verabreichungsform. Ebenfalls enthalten ist Adrenalin zur
Injektion in einer dem Körpergewicht des Kindes angepassten Dosis. Diese sogenannten
Autoinjektoren sind so konzipiert, dass sie einfach zu handhaben sind und von
jedem angewendet werden können. Das Notfallset sollte, zusammen mit einem
schriftlichen Notfall-Plan (Anaphylaxiepass), immer vom Patienten mitgeführt
werden.
Da bei einem Notfall ein rasches Handeln erforderlich
ist, sollten die Familien und Betreuungspersonen im Umgang mit dem Notfallset
sicher und geschult sein. Zusätzlich sollten sie bei einer allergischen
Reaktion immer auch den Notarzt unter der Rufnummer 112 anfordern und dabei
einen allergischen Notfall melden.
Zur Expertin:
Dr. med. Snjezana-Maria Schütt ist Fachärztin für Kinder-
und Jugendmedizin und arbeitet als Weiterbildungsassistentin für Allergologie
in einer kinderärztlichen Praxis. In ihrer Freizeit schreibt sie außerdem für
ihren Familien- und Gesundheits-Blog die-kinderherztin. Die 48-Jährige lebt an
der Ostseeküste.
Weitere Informationen zur Feststellung und Behandlung von
Insektengiftallergien gibt es unter www.insektengiftallergie.de.
Die INITIATIVE INSEKTENGIFTALLERGIE bietet Patienten, Angehörigen und
Interessierten Informationen rund um Allergien auf Stiche von Wespen, Bienen,
Hornissen und Hummeln. Ziel der Initiative ist die Aufklärung der Bevölkerung
über die Gefahren von Insektenstichen, die Auslöser sowie die Behandlung der
daraus resultierenden Allergie.
Text / Foto: "obs/ALK-Abelló Arzneimittel GmbH/©
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