veröffentlicht am 7. September 2024
Foto: Prof. Dr. med. Petra Beschoner
Bad Saulgau, September 2024. Wer unter einer Borderline-Störung leidet, hat oft mit starken Gefühlsschwankungen, hoher Anspannung und ausgeprägten Selbstwertproblemen zu kämpfen.
Die Folge: Betroffene verspüren den Drang, sich selbst zu schädigen, um Linderung herbeizuführen; fühlen innere Leere und fürchten sich davor, verlassen zu werden. „Die Borderline-Störung zählt zu den Persönlichkeitsstörungen und zeigt sich in unterschiedlichen Facetten. Es lassen sich diverse Verhaltensweisen der betroffenen Personen beobachten. Manche schieben andere Menschen von sich weg und klammern sich anschließend wieder an sie – und wiederholen dies. Dagegen gibt es aber auch Fälle, bei denen Betroffene lieber ganz isoliert bleiben“, zeigt Prof. Dr. med. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und ärztliche Leitung der Akutklinik Bad Saulgau, auf.
Zusammenspiel vieler Faktoren
Im Rahmen der Borderline-Störung auftretende Verhaltensmuster haben großen Einfluss auf alle zwischenmenschlichen Beziehungen und oftmals negative Auswirkungen auf das Leben der meist jungen Betroffenen. „Impulsivität und mangelnde Kontrolle von Emotionen gehören zu den typischen Merkmalen. Manchmal lösen Kleinigkeiten wie Triggerworte oder einfache Missgeschicke plötzliche und heftige Stimmungs- und Gefühlsschwankungen aus.
In der Folge kommt es zu innerer Anspannung und Zerrissenheit“, erklärt Prof. Beschoner. Aus dem intensiven und schwer zu ertragenden Zustand geht eine Tendenz zur Selbstverletzung oder -gefährdung mit dem Ziel der Linderung und Spannungslösung hervor. „Aufgrund der hohen Komplexität solcher psychischen Erkrankungen beziehungsweise Persönlichkeitsstörungen lässt sich häufig keine einzelne Ursache bestimmen. Bei der Borderline-Störung wirken nicht selten verschiedene Gründe zusammen. Sie kann zudem auch in Stadien verlaufen“, führt die Expertin an. Bei ausbleibender Behandlung besteht darüber hinaus die Gefahr, dass sich die Störung verstärkt.
Gefährliche Spirale
Selbst zugefügte Verletzungen oder Verbrennungen, Rasen auf der Autobahn und Balancieren auf Bahngleisen: Dabei handelt es sich nur um ein paar Beispiele von Maßnahmen, die Teil einer Linderungs-Strategie der Borderline-Patienten sein können. „Übermäßiger Konsum und Missbrauch von Alkohol und Drogen gehören ebenso dazu. Betroffene geraten oft in eine Art negativen Strudel, der die entsprechenden Aktionen extremer und gefährlicher werden lässt.
Denn mit der Zeit geht die spannungslösende Wirkung zurück und neue Reize müssen her“, so Prof. Beschoner. Im Verlauf verzerrt sich für Patientinnen und Patienten außerdem die Wahrnehmung des eigenen Körpers – Schmerzen werden als geringer oder gar nicht mehr empfunden. „Als ein Risikofaktor für die Borderline-Störung haben sich traumatische Erfahrungen wie seelische oder körperliche Misshandlung, etwa aus der Kindheit, herauskristallisiert. Auch frühe Trennungserfahrungen wie der Tod eines Elternteils oder eine Scheidung sind zu nennen“, sagt die Fachärztin. Zudem besteht die Möglichkeit, die Veranlagung zur Störung weiterzuvererben.
Hin- und hergerissen
Bei der Behandlung der Borderline-Störung kommt es darauf an, möglichst früh eine Strategie festzulegen. Mit der Erkrankung geht starker Leidensdruck für die Betroffenen einher. Daher richtet sich der Fokus der Behandlung darauf, Strategien mit den Patientinnen und Patienten zu entwickeln, die dabei unterstützen, die außergewöhnlichen Empfindungen und das individuelle Verhalten entsprechend zu steuern und zu kontrollieren. „Das innere Wechselbad von Selbstliebe und Selbsthass der Betroffenen kommt erschwerend hinzu.
In der Behandlung hat die Stressbewältigung deswegen einen hohen Stellenwert, negative Emotionen sollen früh erkannt und die resultierende innere Anspannung gemildert und abgebaut werden“, gibt Prof. Beschoner Einblicke. Während der individuellen Therapie geht es darum, ungesunde oder gefährliche Denkmuster abzulegen. „Je nach Situation und Therapie kann das Einbeziehen der Familie hilfreich sein, da die Auslöser der Erkrankung in familiären Beziehungen oder Ereignissen aus der Vergangenheit liegen können“, schließt die Expertin.
Text / Foto: Borgmeier Public Relations / Jürgen Hofstätter