veröffentlicht am 24. Juni 2024
Berlin, Juni 2024. Bedarf es in Zukunft noch Radiologen oder ersetzt schon bald eine Maschine ihre Arbeit? Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich rasant und gewinnt im Alltag zunehmend an Bedeutung – auch im Bereich der Radiologie.
„KI hat ein enormes Potenzial für die Zukunft der Diagnostik. Bereits jetzt kommen zugelassene Technologien am Patienten zum Einsatz, die sehr gute Erfolge erzielen und die radiologische Arbeit erleichtern“, so Prof. Dr. med. Mike Notohamiprodjo (Foto), Facharzt für Radiologie und Mitglied der RadiologenGruppe 2020.
Wo findet KI in der Radiologie Anwendung?
Für das menschliche Auge sind minimale Veränderungen auf den Röntgenaufnahmen oftmals kaum wahrnehmbar. In solchen Fällen kann KI dabei helfen, die Qualität der Diagnose zu steigern. Sie misst zum Beispiel bei Patienten mit Multipler Sklerose anhand der MRT-Bilder geringste Abweichungen des Hirnvolumens und bestimmt die Größe von Entzündungsherden. Auch beim Identifizieren von Knochenbrüchen und Meniskusrissen erweist sich KI als sehr nützlich. Des Weiteren kommt die Technologie zum Einsatz, um Normalbefunde beim Brustkrebs-Screening zu prüfen. „Aber sie hat ihre Grenzen, denn KI reagiert nur exakt auf die Frage, die ihr gestellt wurde – bei vielen Abweichungen könnte sie zu fehlerhaften oder ungenügenden Auswertungen führen. Somit bedarf es der anschließenden Diagnose des Arztes, der mit seinem breiten Wissen das Gesamtbild sehen und beurteilen kann“, betont Prof. Dr. Notohamiprodjo.
Leistet die Technologie bessere Arbeit als der Mensch?
Laut einer Studie im British Medical Journal[1] sind menschliche Radiologen der KI aktuell überlegen, da sie im Rahmen der Erhebung doppelt so viele Probeexamen bestanden. Im Bereich der Bildanalysen zeigte sich allerdings auch, dass die Technologie mit bis zu 80 Prozent richtiger Diagnosen bereits sehr gute Ergebnisse erzielt. Was KI in der Medizin in Zukunft alles übernehmen dürfen sollte, welcher Zulassungen es bedarf und wer bei Fehlern der KI haftet, gilt es in einem neuen Regelwerk festzulegen. „Dieses entwickelt aktuell eine Gruppe des Deutschen Instituts für Normung auf Initiative der EU. Was sich dabei aus meiner Sicht nicht ändern wird, ist, dass der Mensch bei allen medizinischen Untersuchungen auch weiterhin die letzte Instanz bleibt“, so der Facharzt für Radiologie. „Die KI mag umfangreiche analytische Aufgaben abnehmen und uns unterstützen, aber sie stellt keinen Ersatz dar. Die menschliche Kontrolle bleibt unerlässlich.“
Welche Herausforderungen gibt es?
Es gilt noch herauszufinden, wie sich der Lernprozess der KI überwachen lässt. „Denn dass es sich um ein lernendes System handelt, ist Vor- und Nachteil zugleich. Es könnte sich von selbst verbessern, aber auch beispielsweise bei Patienten mit mehreren Erkrankungen einen falschen Zusammenhang herstellen“, erläutert Prof. Dr. Notohamiprodjo. Hinzu kommt, dass die Technologie in verschiedenen Teilen der Erde entwickelt wird, mit anderen Geräten und Patienten, weshalb sich die Ergebnisse eventuell nicht hundertprozentig auf andere Bedingungen übertragen lassen. „Neben technischen Hürden gibt es zudem einige Ärzte, die aufgrund ihrer Überzeugungen nicht mit KI arbeiten wollen. Manchen missfällt es beispielsweise, dass sich durch die Technologie die Arbeitsweise der Radiologen verändert.“
Sollte bei Untersuchungen auf KI verzichtet werden?
Für viele Radiologen wächst der Arbeitsumfang exponentiell an. Zum einen werden heutzutage die Aufnahmen der Geräte für Bildgebungsverfahren immer mehr und detaillierter. Zum anderen steigt die Zahl an Patienten aufgrund der alternden Bevölkerung. „Irgendwann lässt sich die Menge an Daten kaum noch bewältigen. Die Unterstützung durch KI im Bereich der Radiologie ist somit nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Anstatt die Technologie als Gefahr für unsere Jobs zu sehen, sollten wir den Nutzen durch sie erkennen. Denn wenn KI den Arbeitsumfang reduziert, bleibt Ärzten wieder mehr Zeit für jeden ihrer Patienten“, betont Prof. Dr. Notohamiprodjo abschließend.
Text / Foto: Borgmeier Public Relations