header-placeholder


image header
image
Portraet2123 Matthias Schlitte   SteffiPretz

Magdeburg-News: Der Weg des Bebertaler Weltmeisters Matthias „Hellboy“ Schlitte zum Armwrestler



veröffentlicht am Sonntag, 28. Mai 2023

Magdeburg. Wohl jeder hat irgendwann seine Kräfte mal im Armdrücken gemessen. In der Schule oder auf einer Party. Egal wo, immer ging es darum, dass der Stärkere gewinnt. Kraft gegen Kraft, ohne Filter, ganz direkt Mann gegen Mann. Bis zum bitteren Ende, wenn die Hand des bezwungenen Gegners auf dem Tisch liegt.
 
Solch eine klassische Herausforderung war es vor vielen Jahren, die den heute amtierenden Weltmeister im Armwrestling, Matthias Schlitte, zu diesem Sport brachte. Als damals gerade 16-Jähriger brachte er nur 65 Kilogramm auf die Wage und als Leichtgewicht stellte er sich in einer Haldensleber Bar der Herausforderung nach dem stärksten Armdrücker. Seine Mutter entdeckte diesen Aufruf und die Tatsache, dass ihr Sohn mit einer seltenen Genveränderung geboren wurde, durch die sein rechter Unterarm deutlich ausgeprägter war, brachte ihm schon bei der Geburt die Prophezeiung auf eine Boxkarriere ein und sie meldete ihn dort an. Vielleicht war auch ein bisschen Glück mit im Spiel, wie der heute 36-Jährige sagt, in jedem Fall setzte er sich gegen etliche viel stärkere Gegner durch und gewann das Turnier. Der Sieg dort gab ihm Mut, Inspiration, den nötigen Antrieb. Aus der damals spielerischen Herausforderung wurde im Laufe der Zeit hartes Training beim Einstieg in den weltweit anerkannten Leistungssport Armwrestling. Bei diesem modifizierten Armdrücken ist der ganze Körper beteiligt und die Kämpfer stehen an einem 1,04 Meter hohen Tisch, halten sich mit der linken Hand an einer Fixierung fest und wresteln (englisch für ringen) mit dem Gegner unter Aufbringung aller körperlichen Kräfte. Die Ausführung wird von Schiedsrichtern streng überwacht, damit beide Gegner mit den gleichen Voraussetzungen in den Kampf gehen. Wenn dann das Signal zum Start ertönt, gibt es für den Bebertaler nur doch den Fokus auf die konzentrierte Kraft seiner rechten Hand, unterstützt durch den ganzen Körper. Es käme darauf an, so Schlitte, selbst subtile Kräfteverlagerungen des Gegners frühzeitig wahrzunehmen, um bestimmte Hebelkonstellationen zu vermeiden, da aus manchen kaum wieder herauszukommen sei. Armwrestling sei also nicht nur eine Frage der körperlichen Kraft, sondern auch eine Frage der Technik und des Einfühlungsvermögen in den Gegner. Eine Runde, auf die sich die Kämpfer oft monatelang vorbereiten, kann innerhalb von einer einzigen Sekunde entschieden sein. Am Ende liegt immer eine Hand auf dem Tisch, auch wenn das in seltenen Fällen mal zehn Minuten dauern kann. 


Ohne Filter: Kräftemessen Mann gegen Mann

 
Bis zum heutigen Weltmeistertitel war es ein langer und harter Weg, den Matthias Schlitte ohne Disziplin nicht hätte gehen können. Denn das Armwrestling ist „nur“ sein Hobby, seine Brötchen verdient er im Landkreis Börde im öffentlichen Dienst. „Mein Arbeitgeber macht Vieles möglich bezüglich der Zeiteinteilung, um die vielen Reisen im Rahmen seines Sportes einrichten zu können“, erzählt Matthias Schlitte dankbar. Gekämpft wird in unterschiedlichen Gewichtsklassen; für die vergangenen Europameisterschaften in Finnland (Anm. d. Red.: hier gab’s die Silbermedaille) diätete sich Matthias Schlitte bereits seit Ende Dezember in die 70-Kilogramm-Klasse. Bei einer Größe von 1,85 Meter kann das schon an die Substanz gehen, wie er sagt. Und auf seinem angeborenen Vorteil konnte sich der Weltmeister nie ausruhen – wie bei allem, worin Menschen erfolgreich werden wollen, geht ohne Training nichts. Vor Meisterschaften sind es schon mal ein bis zwei Stunden Training und das sechsmal die Woche, wobei dem Körper mit verschiedenen Basic- und auch Spezialübungen Höchstleistungen abverlangt werden. Da, wo andere Menschen auf dem Handrücken zwischen den Knochen nur Zwischenräume haben, werde diese bei Matthias Schlitte von Muskeln ausgefüllt. Es ist beeindruckend, zu erleben, wenn beim Handschlag die eigene Hand in der „Pranke“ des Sportlers verschwindet. Außerhalb des Wettkampftisches geht Matthias Schlitte sehr sensibel mit allem um, zu allererst natürlich mit seiner Frau Anja, die, wie auch seine Eltern, den Sportler bei vielen Wettkämpfen begleiten und unterstützen. Der Vater von Matthias stiftete ihm im häuslichen Keller einen Trainingsraum, wofür er seinen Eltern sehr dankbar ist. 
 
Was die Faszination dieses Sportes für ihn ausmache? Matthias Schlitte alias „Hellboy“ braucht nicht lange zu überlegen: „Es ist der Kampfgeist, das Echte, was hier ist. Mann gegen Mann, Kraft gegen Kraft und das kann schon ein bisschen süchtig machen“. Und bei diesen Worten schwingt ein bisschen der Geist einstiger Gladiatorenkämpfe mit.


Text & Foto: Steffi Pretz