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Gesundheit-News: Ein halbes Jahr bis zur Diagnose? Lange Wartezeiten bei radiologischen Untersuchungen


veröffentlicht am 30. März 2023

Foto: Dr. Martin Simon von der RadiologenGruppe 2020
Berlin, März 2023. Beim Verdacht auf eine Krebserkrankung ist schnelles Handeln erforderlich. Dennoch warten deutschlandweit zahlreiche Betroffene aufgrund von Fachkräftemangel und der Unterfinanzierung des Gesundheitssystems monatelang auf einen Diagnosetermin beim Radiologen. 
Wer beispielsweise eine Mammografie zur Brustkrebsdiagnose benötigt, muss sich in Niedersachsen bis zu 180 Tage und in einigen Regionen Bayerns sogar bis zu 248 Tage gedulden. Die verzögerten Diagnosen führen jedoch auch zu einem späteren Start von lebenswichtigen Behandlungen – mit verheerenden Folgen. Denn je früher ein Tumor erkannt wird, desto besser lässt sich das ungehemmte Zellwachstum zügeln. „Doch nicht nur Krebsbehandlungen sind betroffen. 
Viele Krankenhäuser lagern ihre CT- und MRT-Untersuchungen vor operativen Eingriffen aus Kostengründen und aufgrund fehlender personeller Ressourcen inzwischen an ambulante Radiologen aus. Wenn sich das Problem weiter verschärft und Praxen in Zukunft nicht genug freie Plätze für die Krankenhäuser zur Verfügung stellen können, könnten bald auch OPs nicht mehr wie geplant stattfinden“, warnt Dr. Christoph Buntru aus Saarlouis, Facharzt für Radiologie und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der RadiologenGruppe 2020.

Praxen auf sich allein gestellt

Gründe für die desolate Lage gibt es mehrere: Der Fachkräftemangel stellt Praxen beispielsweise vor große Probleme, denn weniger Personal bedeutet weniger Untersuchungen. Neben dem Fachkräftemangel sorgen allerdings auch Inflation und hohe Energiekosten dafür, dass Radiologen gezwungen sind, Untersuchungen zu reduzieren oder sogar ganz einzustellen. „Anders als Krankenhäuser können die Praxen als mittelständische Unternehmen in der Not aktuell nicht auf staatliche Unterstützung bauen. Aufgrund der hohen Kosten und der regional teils deutlich reduzierten Vergütung machen Praxen mit aufwendigen Untersuchungen gesetzlich versicherter Patienten wie beispielsweise bei onkologischen Fragestellungen aktuell ein Minus, das sie im regulären Betrieb nicht ausgleichen können“, erläutert Dr. Martin Simon aus Hamburg, Facharzt für Radiologie und Vorstandsmitglied der RadiologenGruppe 2020. 
Dr. Christoph Buntru verdeutlicht anhand der Computertomografie, die für die primäre Krebsdiagnose und die anschließende Therapiekontrolle essenziell ist, die Problematik der aktuellen Vergütung: „Krankenkassen zahlten 2022 im Saarland beispielsweise durchschnittlich 67 Euro pro CT-Untersuchung bei gesetzlich versicherten Patienten. Dem stehen allerdings Kosten in Höhe von etwa 87 Euro für Strom, Gehälter, Praxisräumlichkeiten und Geräte gegenüber. Mit jeder Untersuchung haben wir also ein Minus von 20 Euro gemacht.“

Dringender Handlungsbedarf

Die aktuellen Probleme legen die Fehler des Gesundheitssystems schonungslos offen. Denn eigentlich existiert für gesetzlich versicherte Patienten ein Vergütungssystem, das die Kosten einer Praxis, einschließlich Miete und Energie, Personal- und Arztlohn, betrachtet und das Honorar regelmäßig anpasst. Diverse Regeln zur Kostendämpfung haben jedoch dazu geführt, dass von diesem Honorar in der Regel nur 60 bis 90 Prozent ausgezahlt werden. „Gute Medizin kostet allerdings Geld und sollte zum vollen Honorar vergütet werden, egal ob es um Neupatienten, Junge, Alte oder chronisch Kranke geht. 
Wir wollen selbstverständlich alle Patienten zeitnah untersuchen, aber dazu müssen wir auch in der Lage sein, kostendeckend zu arbeiten. Die Politik muss endlich anerkennen, dass die Radiologie zur kritischen Infrastruktur gehört, die beispielsweise in der aktuellen Energiekrise bei Unterstützungsmaßnahmen berücksichtigt werden muss“, fordert Dr. Christoph Buntru. Denn obwohl die Existenz vieler Praxen derzeit bedroht ist wie nie zuvor, finden niedergelassene Ärzte in Entlastungspaketen in der Regel keine Beachtung. Zusätzlich sind auch nachhaltige Strukturreformen unumgänglich. 
„Das bestehende Vergütungssystem unterscheidet sich zwar von Region zu Region, aber stellt sich für die Radiologie dennoch bundesweit immer mehr als Sackgasse heraus. Es braucht neue Ansätze, wie bildgebende Diagnostik adäquat und zum Wohle aller Patienten vergütet werden kann. Eine verlässliche, nicht budgetierte, 100-prozentige Vergütung, wie sie beispielsweise schon in der Strahlentherapie existiert, wäre ein Ansatz. Sowohl Politik als auch die ärztliche Selbstverwaltung ist dringend gefragt, Lösungen zu liefern“, appelliert Dr. Martin Simon.


Text / Foto: Borgmeier Public Relations / RadiologenGruppe 2020