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Gesundheit-News: Klimaangst oder "Eco-Anxiety" - Der Klimawandel belastet auch die Psyche

2. September 2022

(ams) Extreme Hitzewellen, Dürre, Waldbrände, Flutkatastrophen, neue Infektionskrankheiten: Der Klimawandel hat nicht nur viele physische Folgen, er beeinträchtigt auch die psychische Gesundheit. Neue Begriffe wie "Klimaangst" oder "Eco-Anxiety" sind im Sprachgebrauch angekommen. 
Naturkatastrophen können deutliche Traumata bei Betroffenen hinterlassen, wie jetzt anlässlich des ersten Jahrestages der Hochwasserkatastrophe in Westdeutschland wieder deutlich wurde. Wer einen geliebten Menschen, sein Zuhause oder seine Existenz verloren hat, kann eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Besonders verbreitet sind Angststörungen, gefolgt von Alkoholmissbrauch und Depressionen. Noch steckt die Forschung hierzulande in den Anfängen.

Viele haben ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht
"In einer Studie zur Auswirkung des verheerenden Hurrikans Katrina von 2005 wurde zum Beispiel festgestellt, dass sich die Suizidrate in den betroffenen Gegenden danach verdoppelte und die Hälfte der Menschen Angstsymptome oder Depressionen entwickelte", sagt Dr. Sylvia Böhme, Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK. "Der Klimawandel betrifft uns alle. Als einzelnes Individuum kann man aber nur wenig dagegen tun - das löst bei vielen Menschen ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit aus. Sie haben Angst, dass das eigene Leben oder das ihrer Nachkommen bedroht ist."

Hinzu kommen Gefühle von Kontrollverlust und Trauer, wenn Menschen zum Beispiel bei Dürren, Bränden oder Überschwemmungen sehen, wie ihre Heimat zerstört wird - der australische Umweltphilosoph Glenn Albrecht hat dafür vor Jahren den Begriff "Solastalgie" geprägt ("solacium": lateinisch "Trost"), "-algia": griechisch "Schmerz, Leiden, Krankheit"). Hier kann es möglicherweise helfen, aus der Passivität zu treten und sich in einer Organisation oder im eigenen Umfeld aktiv für den Klimaschutz einzusetzen. "Wer sich gemeinsam mit anderen engagiert, hat weniger das Gefühl, ohnmächtig und hilflos zu sein. Soziale Netzwerke stärken die eigene psychische Belastbarkeit und machen uns widerstandsfähiger. Ebenso überzeugen junge Ansätze der Climate Psychology: Sie nutzen Erkenntnisse der psychologischen Forschung und kommunizieren Informationen zum Klimawandel so, dass sie auch beim Gegenüber ankommen und im besten Fall zum Umdenken führen. So fühlen sich die Menschen ernst genommen. Die Kur für die Klimaangst entspräche dann der Kur für unser Klima. Eine heilsame Vorstellung", findet Psychologin Böhme.

Hitze geht an die Nerven
Der Klimawandel wird von vielen Menschen als permanente Belastung wahrgenommen. Und eine Dauerbelastung erhöht das Risiko für (psychische) Erkrankungen. So schlagen dann auch Hitzewellen auf die Psyche: Bei hohen Temperaturen werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet und es kann zu mehr Aggressivität und Gewaltbereitschaft kommen. Vor allem bei älteren Menschen besteht bei Hitze außerdem die Gefahr, dass sie nicht genug trinken, da ihr Durstgefühl nicht mehr so ausgeprägt ist: Der Flüssigkeitsmangel kann dann zu Verwirrungszuständen führen. Das Umweltbundesamt hat Tipps zusammengestellt, wie man sich am besten vor Hitze schützt.

Was tun, wenn der Klimawandel auf die Psyche schlägt? 
"Bei Menschen, die der Klimawandel und seine Folgen psychisch belastet, kann gutes Stressmanagement oder ein Resilienztraining helfen, aus den Ängsten herauszukommen, denn jeglicher Stress erhöht das Risiko einer psychischen Erkrankung", so Böhme. "Wichtig ist, sich objektiv mit der Bedrohung auseinanderzusetzen, um sie 'entkatastrophisieren' zu können. Deshalb ist es eben wichtig, sich durch Eigenengagement ein Stück Kontrollgefühl zurückzuholen."



Text / Foto: AOK-Bundesverband /