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TV-Tipp-News: Das Leuchten der Erinnerung • 3sat • ab 23.15 Uhr • Tragikomödie

13. August 2022

Ella und John Spencer leben in Wellesley, Massachusetts, an der US-Ostküste. Ihre Kinder Will und Jane sind erwachsen, Jane hat eine eigene Familie gegründet. John hat lange Jahre als Englischlehrer gearbeitet, er ist ein großer Fan der Werke Ernest Hemingways. Als die Kinder noch klein waren, haben Ella und John mit ihnen viele Reisen durch die USA gemacht, in ihrem Wohnmobil mit dem Namen "Leisure Seeker". Jetzt, im August 2016, gehen die beiden Rentner wieder auf Tour. Sie wollen über Virginia und Texas nach Florida fahren, nach Key West, um Ernest Hemingways Haus zu besuchen. Hemingways Werke seien "Prosa, die Poesie ist", eröffnet John einmal einer verblüfften Kellnerin in einem Diner, die eigentlich nur seine Hamburger-Bestellung aufnehmen wollte.

John ist dement, nur in wenigen Momenten noch ganz klar. Ella hat Krebs, der in ihrem Körper bereits weit gestreut hat. Ihre Reise auf der Straße der Erinnerung soll ihre letzte gemeinsame Fahrt im "Leisure Seeker" sein - so hat Ella es geplant. Doch kurzfristig geraten ihre Pläne aus dem Lot. Während einer seiner besonders dementen Phasen erfährt Ella per Zufall von John, dass dieser vor 48 Jahren, als Ella schwanger war, eine Affäre mit der Nachbarin Lillian hatte. Voller Wut über den lang zurückliegenden Betrug packt Ella John in ein Taxi und setzt ihn in einem nah gelegenen Altenheim ab. Doch sie überlegt es sich anders und holt ihren Mann zurück.

Im "Leisure Seeker" erreichen sie gemeinsam Key West. Hemingways Haus gleicht einem Taubenschlag. Es ist ein Museum, das gleichzeitig für Feierlichkeiten gemietet werden kann. Eine Hochzeitsfeier ist in vollem Gange, während Touristen Selfies am Bett des Schriftstellers machen. Ella bricht zusammen, während John im Garten die Feier beobachtet. Sie wird ohne John in ein Krankenhaus gebracht. Obwohl er wenig Orientierung hat, findet er die richtige Klinik und seine Frau. Er nimmt sie auf ihren Wunsch hin, ohne Zustimmung eines Arztes, zurück mit auf den Campingplatz in ihr Wohnmobil. Dort verabreicht Ella John ein Schlafmittel und nimmt selbst eines ein, bevor sie Abgase in das Innere des Fahrzeugs leitet.

In Kinofilmen geht es nicht oft um das Thema Alter. Und es muss auch selten jemand zur Toilette, selbst dann nicht, wenn er tagelang angebunden auf einem Stuhl festsitzt. Anders in diesem Film, der eine wunderbare Liebesgeschichte zeigt, aber auch allzu Menschliches thematisiert.

Helen Mirren und Donald Sutherland sind absolut glaubwürdig in ihren Rollen. Es gibt keine Metaebene, die ihr Spiel aufgesetzt erscheinen lassen würde. Sie sind alte Menschen aus Fleisch und Blut.

Außerdem gelingt es Regisseur Paolo Virzì und seinen Drehbuchautoren, die einen Roman von Michael Zadoorian adaptierten, das Kunststück, einen Film zu schaffen, der voller Humor und voller Liebe ist und nicht todtraurig, obwohl das Ende es nahelegt. Das liegt an der Wahrhaftigkeit, mit der Virzì die Reise schildert: als eine Tragikomödie, kein Melodram. 


Text / Foto: ARD