Samstag, 2. Juli 2022
Sachsen-Anhalt. Der Startschuss für eine passgenaue Medikationsanalyse in den Apotheken ist gefallen. Ab sofort beraten Apotheker auch in Sachsen-Anhalt Patienten zielgenauer bei bestehender Polymedikation. „Wir erleben sehr oft, dass Menschen in die Apotheke kommen, die fünf und noch viel mehr Arzneimittel täglich einnehmen müssen. Manchmal wissen Patienten sogar nicht genau, warum sie welches Arzneimittel verordnet bekommen haben. Für die Apothekerschaft ist es im normalen Beratungsalltag nicht möglich, alle eingenommenen Arzneimittel aufzulisten und auf mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen zu prüfen. Mit der Einführung honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen können wir uns nun endlich die dafür notwendige Zeit nehmen und uns um diese Problematik umfassend kümmern. Dies erhöht die Arzneimitteltherapiesicherheit unserer [...] Patienten erheblich“, erklärt Dr. Jens-Andreas Münch (Foto), Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt.
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und damit einhergehender zunehmender Polymedikation ist die fachlich fundierte Einführung der pharmazeutischen Dienstleistung ein hilfreiches Instrument für die ältere Gesellschaft.
Ist es realitätsfern, dass ein Patient auf einen Schlag vier Rezepte in die Apotheke bringt? Keinesfalls. „Es kommt sogar recht häufig vor, dass Patienten mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Das gleichzeitige Einlösen der Rezepte hat den Vorteil, dass Wechselwirkungen für uns leichter zu erkennen und abzuklären sind. Besonders, wenn die Patienten keinen aktiv gemanagten Medikationsplan besitzen bzw. keine Kundenkarte in ihrer Apotheke des Vertrauens haben. Wenn aber die Rezepte einzeln zu uns kommen, kann schnell der Überblick verloren gehen. Da kann eine Medikationsanalyse Abhilfe schaffen“, informiert Apotheker Dr. Münch.
Ein positiver Nebeneffekt ist mit der Einführung dieser zusätzlichen Dienstleistungen gegeben: Aus Sicht des Kammerpräsidenten erhält der Apothekerberuf eine deutliche Aufwertung mit der neuen pharmazeutischen Tätigkeit. „Damit hoffen wir, mehr Nachwuchs für die Arbeit in der Apotheke zu begeistern.“
Hintergrund: In Zukunft werden viele Patientinnen und Patienten in ihren Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen erhalten, die von den Krankenkassen bezahlt werden. Patienten haben Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote der Apotheke, wenn sie
• fünf oder mehr verordnete Arzneimittel einnehmen
• gegen eine Krebserkrankung neue Tabletten oder Kapseln erhalten (orale Antitumortherapie)
• nach einer Organtransplantation neue Medikamente verordnet bekommen, um die körpereigene Abstoßungsreaktion zu hemmen (Immunsuppressiva)
• einen ärztlich diagnostizierten Bluthochdruck haben und Blutdrucksenker einnehmen
• gegen eine Atemwegserkrankung Medikamente zum Inhalieren erhalten
Rechtliche Grundlage der pharmazeutischen Dienstleistungen ist das 2020 in Kraft getretene Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG).