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Klimawandel 12.05f

Gesundheit-News: Wie milde Winter den Anstieg von Infektionen begünstigen

13. Mai 2022

Foto: Warnschild vor Zecken
(ams). Die Folgen des weltweiten Klimawandels sind nicht nur steigende Meeresspiegel, zunehmende Hitzewellen und andere Wetterextreme mit den entsprechenden direkten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. 
Durch die steigenden Temperaturen verändern sich auch die Ökosysteme. Das kann dazu beitragen, dass sich Erreger von Infektionskrankheiten, etwa Insekten und potenziell gefährliche Mikroorganismen wie Viren oder Bakterien, ausbreiten.

Zeckenzeit bald ganzjährig?
Milde Winter in Deutschland führen vermutlich dazu, dass Zecken sich besser vermehren können und auch die als Wirtstiere geltenden Nagetiere besser überleben. So kann es dazu kommen, dass die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ganzjährig übertragen wird. FSME ist eine durch Viren hervorgerufene Erkrankung, bei der es in schweren Fällen zu einer Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute kommen kann. Die FSME ‚wandert‘ in Deutschland immer weiter nordwärts: Baden-Württemberg gilt bereits vollständig als Risikogebiet, Bayern zum größten Teil. Auch einige andere Bundesländer sind mittlerweile betroffen. Das Gute ist: Gegen FSME kann man sich impfen lassen.

"Inwieweit es auch zu einer Zunahme der Borreliose, die ebenfalls durch Zecken übertragen wird, kommen könnte, ist noch nicht klar", sagt Anja Debrodt, Ärztin im AOK-Bundesverband. "Auch wenn längere Wärmeperioden und ein verändertes Freizeitverhalten der Menschen dieses nahelegt, gibt es keinen einfachen Zusammenhang zwischen Temperatur und Borreliose." So ließe sich die Zunahme der Inzidenz in den vergangenen Jahren auch durch die Zunahme von Laub- und Mischwäldern, eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Krankheit, ein verbessertes Meldeverhalten und auch mehr Aktivitäten der Bevölkerung in Waldgebieten erklären, so die Medizinerin weiter.  Borreliose wird durch Bakterien übertragen und kann verschiedene Organsysteme betreffen, insbesondere die Haut, das Nervensystem und die Gelenke. Gegen die Borreliose gibt es bisher keine Schutzimpfung. Tritt eine Infektion auf, so wird in der Regel mit Antibiotika behandelt. Wichtig ist, die Zecke frühzeitig zu entfernen.

Die Rötelmaus - niedlich und doch gefährlich
Ein weiteres Beispiel sind die Hantaviren. In Deutschland werden sie vor allem von der Rötelmaus übertragen, dabei konzentrieren sich die Infektionen laut Robert Koch-Institut (RKI) auf bestimmte, vorwiegend ländliche Regionen in Nordwest-, West- und Süddeutschland: insbesondere Schwäbische Alb, Münsterland, Teutoburger Wald, Unterfranken, Odenwald, Oberschwaben, Fränkische Alb, Bayerischer Wald, Osthessen und West-Thüringen. Es gibt Hinweise dafür, dass milde Winter zu einem deutlichen Anstieg der Rötelmauspopulationen führen. Menschen infizieren sich vor allem beim Einatmen von aufgewirbeltem, kontaminiertem Staub. 
Oftmals verläuft die Infektion asymptomatisch oder unspezifisch, dass es zu keiner Abklärung kommt. Es kann aber auch zu schweren Verlaufsformen mit hohem Fieber, Nieren,- und/oder Herz- und Lungenbeteiligung kommen. "Besonders gefährdet sind Personen, die in der Forstwirtschaft oder im Bauwesen arbeiten. Auch bei Tätigkeiten wie das Umschichten von Holz, die Reinigung von Scheunen, Schuppen oder Ställen, in denen sich Nager befinden, besteht Infektionsgefahr. Reinigungsarbeiten sollten mit Mundschutz und Handschuhen erfolgen", betont Ärztin Debrodt. Aber auch hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um den Einfluss der Klimadaten auf das Infektionsgeschehen besser einordnen zu können.

Importierte Infektionsüberträger
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich weltweit rund 725.000 Menschen an einem Mückenstich, beziehungsweise an den Folgen der dadurch übertragenen Krankheiten. Damit ist die Mücke statistisch gesehen das mit Abstand tödlichste Tier der Welt. Auch wenn die Malaria aus Deutschland seit der Mitte des 20. Jahrhunderts verschwunden ist, werden weiterhin jährlich zwischen 500 und 600 importierte Malariafälle gemeldet. Die Malaria übertragenden Anophelesmücken wexistieren auch in Deutschland und prinzipiell werden die Bedingungen für diese besser. "Doch die hohen medizinischen Standards und die effizienten Therapien lassen größere Ausbrüche unwahrscheinlich erscheinen", sagt Debrodt.  
Die durch verschiedene Arten von Stechmücken übertragenen Krankheiten wie das Dengue-Fieber, das Gelbfieber, die Chikungunyavirus-Erkrankung und das West-Nil-Fieber gehören zu den großen gesundheitlichen Bedrohungen weltweit. Treten sie in Deutschland auf, so handelt es sich zumeist um importierte Fälle. Im Sommer 2019 sind erstmals fünf Menschen an in Deutschland erworbenem West-Nil-Fieber erkrankt, das ansonsten vorwiegend in den Tropen und Subtropen auftritt. Im August 2020 und 2021 bestätigte das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin weitere Fälle, die durch einheimische Mückenarten übertragen wurden. "Ob diese geringen Daten schon für die Zunahme dieser Infektionskrankheiten in unseren Breiten sprechen, muss weiter untersucht werden", sagt Medizinerin Debrodt.

Wissenschaft im Kampf gegen die Mücken
Bisher gibt es keine wirksamen und gut verträglichen Impfstoffe gegen viele klimasensible Erreger. Auch die Entwicklung neuer Medikamente zur Eindämmung resistenter Erreger stellt eine große Herausforderung dar. Wissenschaftler setzen verstärkt auch auf eine Dezimierung virentragender Mückenpopulationen: So gibt es zum Beispiel Versuche, die Population Asiatischer Tigermücken zu verringern, indem die Männchen durch Bestrahlung sterilisiert werden. Oder es werden Bakterien genutzt, die ihrerseits Mücken infizieren. "Aber auch jeder einzelne kann etwas tun, um sich vor Mückenstichen zu schützen: Zum Beispiel Mückenschutz in Form von Sprays auftragen und helle Kleidung tragen, die möglichst den ganzen Körper bedecken sollte", so Debrodt.


Text / Foto: AOK-Bundesverband