Optimismus kann man lernen
24.02.22 (ams). Die meisten Menschen streben im Leben nach Glück. Doch manche empfinden sich als ausgesprochene Pechvögel. Was
sie auch anpacken, vieles geht schief. Doch oft sind sie selbst Schmied des
eigenen Unglücks: Ob man Glück oder Pech
empfindet, ist oftmals weniger eine Frage des Schicksals, sondern mehr des
eigenen Denkens, wie Psychologen herausgefunden haben. Das ist eine gute
Nachricht: Selbst eingefahrene Denkmuster lassen sich ändern.
Wer ist der eigentliche Glückspilz?
Derjenige, der in der schnellsten Warteschlage steht? Oder diejenige, die
länger warten muss und sich die Zeit mit Atemübungen
vertreibt? "Wie glücklich wir sind, hängt maßgeblich davon ab,
was wir denken und wie wir mit Situationen umgehen. Und das können wir selbst
beeinflussen", sagt Birgit Lesch, Diplom-Psychologin bei der AOK.
Glückspilze sind
offener und entspannter
Das Schicksal hat sich also wahrscheinlich nicht gegen eine
Person verschworen, wenn sie sich als Pechvogel empfindet. Der britische
Psychologe Richard Wiseman fand bereits in den 1990er-Jahren heraus, dass Glück oder Pech weniger von höheren Mächten, sondern von
Persönlichkeitsmerkmalen und eigenem Verhalten abhängen. "Es hat sich in
den Forschungen gezeigt, dass Menschen, die sich als Glückskinder
empfinden, mehr kommunizieren, entspannter sind und optimistisch in die Zukunft
blicken", sagt Lesch. "Und damit erhöhen sich ihre Chancen auf Glück."
Dinge lockerer angehen
Dadurch, dass sie die Dinge lockerer angehen, behalten sie den
Überblick, während Pechvögel eher Scheuklappen aufhaben, sodass sie eventuelle
Glückschancen verpassen. Das illustriert ein Experiment, das
Wiseman mit mehreren hundert Teilnehmenden durchführte,
die sich entweder vom Glück beschenkt oder vom Pech verfolgt fühlten. Er ließ die Probanden Fotos in einer Zeitung zählen -
wobei er gleich auf der zweiten Seite in großen Lettern den Satz platzierte:
"Hören Sie auf zu zählen, es sind 43 Fotos." Die selbst ernannten
Pechvögel übersahen diesen Hinweis eher und brauchten deshalb wesentlich
länger für die Aufgabe als die Glückspilze,
die ihren Blick mehr schweifen ließen und diese Bemerkung entdeckten.
Dieses Ergebnis knüpft an den Begriff der selbst erfüllenden Prophezeiung an, die von dem österreichischen
Philosophen und Psychotherapeuten Paul Watzlawick stammt. Wenn man etwas
Negatives erwartet, tritt das auch eher ein, als wenn man sich eine Situation
positiv ausmalt.
Mehr Offenheit - mehr Glück?
Neben mehr Optimismus scheint auch mehr Offenheit mit mehr Glück einherzugehen: Dadurch, dass "Sonntagskinder"
freundlich auf ihre Mitmenschen zugehen, bekommen sie auch mehr Zuwendung und
Unterstützung, und das in privater und beruflicher Hinsicht. Zudem sind
sie noch durch ein weiteres Merkmal charakterisiert: Sie versuchen, das Gute in
jeder Lebenslage zu sehen. "Nach einem Missgeschick beispielsweise kann
man sein Pech beklagen, dass einem so etwas passiert ist. Oder sein Glück betonen, dass man den Vorfall ohne größere Schäden überstanden hat", so AOK-Psychologin Lesch.
Pech - oder schlechte Vorbereitung?
Pechvögel dagegen neigen zu Pessimismus und fühlen sich eher als Opfer äußerer Umstände. "Dabei übersehen sie, dass Glück oder Pech einfach viel mit Statistik zu
tun hat", erklärt Lesch. "Nehmen wir die berühmte
Warteschlange: Je mehr Kassen geöffnet sind, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit, dass ich in der ‚falschen‘
Schlange stehe." Und steht man in der vermeintlich falschen Schlange, kann
man sich darüber ärgern - oder zum Beispiel das Warten als eine willkommene
Auszeit nutzen, um Leute zu beobachten, etwas zu lesen oder sich auf den Atem
zu konzentrieren.
Pechvögel übersehen auch, dass sie manchmal ihres
eigenen Peches Schmied sind: Etwa, wenn sie eine schlechte Prüfung abgelegt haben. Sie schreiben den Misserfolg eher dem
Schicksal zu oder der schlechten Laune des Dozenten, statt die eigene,
womöglich ungenügende Vorbereitung in den Blick zu nehmen. Die Fragen
"Woran lag es?", "Was könnte ich besser machen?",
"Welche Unterstützung könnte ich gebrauchen?" können zu mehr Erfolg und
Zufriedenheit führen.
Negatives nicht ausblenden
Pechvögel müssen keine Pechvögel bleiben, denn
Strategien für mehr Glück kann man lernen. Studien zeigen, dass
eine optimistische beziehungsweise pessimistische Lebenshaltung nur zu einem
kleinen Teil angeboren ist. So zeigte sich in einer Studie von Martin Seligman
und Tracy Stehen: Wenn Menschen auch nur eine Woche lang jeden Abend drei
positive Dinge aufschreiben, erhöht sich die Lebenszufriedenheit, und dieser
Effekt hält über Monate an.
Positiv denken bedeutet dabei nicht, Negatives auszublenden.
Schwere Lebensumstände, wie Armut, Flucht, Gewalterfahrungen, Verluste, lassen
sich nicht positiv umdeuten. "Doch entwickelt man Zuversicht, stärkt das
auch die Widerstandskraft, die sogenannte Resilienz, sodass man mit widrigen
Umständen besser fertig wird", so Lesch. Es geht auch nicht darum, Angst
oder Trauer zu verdrängen, sondern auch diesen schwierigen Gefühlen bewusst zu begegnen. Psychologin Lesch: "Mehr
Offenheit hilft dabei, nicht nur die Probleme zu sehen, sondern auch auf
Lösungen zu kommen."
Den Glücksmuskel
trainieren
Stopp sagen: Negative Gedanken machen sich in unseren Köpfen per
se stärker breit als positive. Grund genug, düsteren
Vorstellungen ein Stoppschild entgegenzuhalten.
Tagesrückblick schreiben: Sich abends notieren,
was gut gelaufen ist, worüber man sich gefreut hat oder wofür man dankbar ist.
Sich in Achtsamkeit üben: Sich ganz bewusst auf den aktuellen
Moment konzentrieren und versuchen, ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen. Das
sorgt für mehr Ausgeglichenheit.
Soziale Kontakte pflegen: Sich Zeit für
Menschen nehmen, die einem gut tun. Das erweitert den eigenen Horizont, lenkt
von eigenen Problemen ab und stärkt das Selbstbewusstsein.
Sich mehr bewegen: Körperliche Aktivität setzt Glücksstoffe frei, das Wohlbefinden steigt und die Gedanken wenden
sich zum Positiven.
Sich gut vorbereiten: Wenn Prüfungen,
Auftritte, wichtige Termine anstehen, ist eine gute Vorbereitung die halbe
Miete.
Text / Foto: AOK-Bundesverband