ams-Interview zu Selbsthilfe in Corona-Zeiten
Januar 2022 (ams). Seit 2005 organisiert der
AOK-Bundesverband jährlich die Selbsthilfe-Fachtagung mit Vertretern der
Bundesorganisationen der Selbsthilfe, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von
Landesverbänden und Selbsthilfekontaktstellen und Vertreterinnen und Vertretern
von anderen gesundheitspolitischen Institutionen, um aktuelle gesundheits- und
gesellschaftspolitische Themen in der Selbsthilfe zu diskutieren und den
Austausch untereinander zu fördern.
Die Corona-Pandemie mit Kontaktbeschränkungen und
Abstandsregelungen stellt die Selbsthilfe vor besondere Herausforderungen. Im
ams-Interview erklärt Claudia Schick, Referentin für
Selbsthilfeförderung im AOK-Bundesverband, was die Pandemie für die Selbsthilfearbeit bedeutet und warum es wichtig
war, dass es im Dezember 2021 wieder eine Veranstaltung gab, wenn auch anders
als erhofft.
Frau Schick, wie wichtig war es, dass - nach der
Absage in 2020 - im Dezember 2021 wieder einen Selbsthilfe-Fachtagung
stattgefunden hat
Schick: Nachdem wir leider die Selbsthilfe-Fachtagung
2020 pandemiebedingt absagen mussten - erstmals überhaupt
seit 15 Jahren -, konnten wir im Dezember 2021 unser Versprechen einhalten und
wieder eine Tagung im Bundesverband durchführen.
Das war sehr wichtig, denn so konnten wir deutlich machen: Auf die AOK als
Partnerin der Selbsthilfe ist Verlass. Zwar war es aufgrund der Corona-Lage
nicht möglich, sich persönlich in Berlin zu treffen, aber wir konnten ein
virtuelles Live-Format anbieten. Wissenschaftlerinnen, Mediziner und rund 170
Selbsthilfeaktive diskutierten digital darüber,
wie sich die Pandemie auf die Arbeit der Selbsthilfe ausgewirkt hat. Unter dem
Motto "Selbsthilfe nach dem Corona-Lockdown - Upgrade auf ein neues
Level" drehte sich alles um die zentrale Frage, welchen Wandel - digital,
aber auch in Präsenz - die Corona-Pandemie in der Selbsthilfe ausgelöst hat.
Und wie hat sich die Pandemie auf die Selbsthilfe
ausgewirkt?
Schick: Zunächst einmal konnten sich die
Selbsthilfe-Gruppen nicht mehr wie üblich in Präsenz
treffen oder nur eingeschränkt. Das war gerade für
die Menschen schwer, die in der Selbsthilfe Halt und Schutz vor Vereinsamung
finden. Außerdem gab es große Ängste und Unsicherheit vor allem bei chronisch
kranken Menschen, die oftmals stärker durch das Corona-Virus gefährdet sind.
Dementsprechend waren die Rückmeldungen: Von
Schwierigkeiten, mit der Einsamkeit umzugehen, haben zum Beispiel Suchtkranke
oder psychisch Kranke berichtet. Es gab auch Gruppen, die sich aufgelöst haben.
Doch insgesamt hat die Selbsthilfe vor Ort und bundesweit sehr schnell reagiert
und Lösungen gefunden. Man traf sich per Videokonferenz, richtete
Telefonhotlines ein, gründete Chatgruppen über Messenger-Dienste. Gerade das Setzen auf digitale
Formate hatte auch etwas Positives. So konnten beispielsweise neue Betroffene
erreicht werden, die aufgrund mobiler Einschränkungen bisher nicht an Treffen
teilnehmen konnten.
Welche Chancen bietet die Digitalisierung der
Selbsthilfe?
Schick: Die Digitalisierung hat der Selbsthilfe einen
großen Schub gegeben. Noch vor drei Jahren hätte niemand gedacht, dass es
normal sein wird, wenn sich Selbsthilfegruppen online treffen, Seminare,
Workshops oder Mitgliederversammlungen per Videokonferenzen stattfinden.
Dadurch kamen neue Menschen hinzu, auch jüngere.
Dass jedoch auch nach der Pandemie komplett auf
Präsenz verzichtet wird oder die digitalen Angebote wieder eingestellt werden,
denke ich nicht. Zur reinen Weitergabe von Informationen eignen sich die
virtuellen und auch zeitsparenden Formate sehr. Hybrid-Veranstaltungen sind die
Zukunft. Durch sie schafft die Selbsthilfe eine bessere Teilhabe für alle. Daher soll auch unsere Selbsthilfe-Fachtagung
2022 auf jeden Fall hybrid stattfinden.
Text / Foto: AOK-Bundesverband - ams