Foto: Flüchtlingslager
Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Der
ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnt angesichts des
Flüchtlings-Konflikts zwischen Polen und Weißrussland vor einer Wiederholung
der Flüchtlingskrise von 2015 und der folgenden Jahre. "Wir können
Toleranz und Aufnahmebereitschaft in Europa nur sichern, wenn wir ein
geordnetes Verfahren aufrechterhalten und nicht die Kontrolle über Einwanderung
nach Europa verlieren", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk
Deutschland" (Mittwochausgaben).
Schäuble fügte hinzu: "Die
Entscheidung im Jahr 2015, 30.000 Flüchtlinge aus Budapest aufzunehmen, war
völlig richtig. Rückblickend ist es uns damals aber nicht gelungen, der
falschen Botschaft etwas entgegenzusetzen, nun könnte jeder auch ohne konkreten
Verfolgungsgrund nach Deutschland kommen." Das dürfe in der
Weißrussland-Krise nicht nochmal passieren. "Natürlich müssen wir Menschen
in Not helfen - aber nicht, indem wir sie alle nach Europa holen. Sonst
verlieren wir selber jede Fähigkeit, Ordnung, Stabilität und Sicherheit zu
gewährleisten.
Das hört nicht jeder gern." Zugleich
dürfe man Polen nicht allein lassen, denn die Flüchtlinge in Weißrussland
wollten ja offensichtlich weiter, insbesondere nach Deutschland, Frankreich
oder Holland, betonte der CDU-Politiker.
Er prophezeite, der Konflikt mit dem Land
werde "sicher eines der großen Probleme auch der künftigen Bundesregierung
sein". Regieren sei "ein Rendezvous mit der Realität". Im Kern
mache die Europäische Union derzeit aber alles richtig, sagte Schäuble: Sie versuche,
die entsprechenden Länder dafür zu gewinnen, Flüge mit Flüchtlingen nach
Weißrussland zu unterbinden.
Zudem biete sie Polen an, bei der Kontrolle
der Grenze zu helfen. "Für die verzweifelten und von Schleppern
missbrauchten Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen an der Grenze
ausharren, brauchen wir eine schnelle, humanitäre Lösung", forderte
Schäuble.
"Das heißt, wir müssen diesen Menschen
eine vorläufige Einreise in die EU gewähren und zügig geordnete Asylverfahren
durchführen, um den dauerhaften Status zu klären und politisch nicht Verfolgte
zurückzuführen. Gleichzeitig müssen wir die klare Botschaft senden, dass dies
eine einmaligen Ausnahmesituation ist, und aus dieser humanitären Geste kein
dauerhafter alternativer Einreiseweg nach Europa eröffnet wird." Schäuble
war Mitte der 1980er-Jahre Chef des Bundeskanzleramtes, als die DDR
systematisch Flüchtlinge aus der DDR nach Westen einreisen ließ, um politischen
Druck aufzubauen. "Diktaturen missbrauchen Flüchtlinge leider oftmals als
Druckmittel", sagte Schäuble dem RND nun dazu.
Text / Foto: dts Nachrichtenagentur