Nach wie vor haben psychisch Erkrankte mit Vorurteilen zu
kämpfen - vor allem Menschen mit Schizophrenie oder Suchtproblemen
Baierbrunn (ots). Die Zahl der Menschen mit seelischen Leiden
nimmt stetig zu - und doch geht die Diagnose einer psychischen Erkrankung noch
immer mit einem Stigma einher. Zu faul, selbst schuld, gefährlich:
Das sind nur einige der Vorurteile gegenüber psychisch kranken
Menschen. Die Folge: Viele Betroffene schämen sich, ziehen sich zurück und
suchen sich erst spät Hilfe - wenn überhaupt. Das muss sich dringend ändern,
fordert das Gesundheitsmagazin "Apotheken Umschau".
Depression passt zu unserer Leistungsgesellschaft
Sicher: In der Gesellschaft ist im Umgang mit psychischen
Problemen inzwischen einiges in Bewegung geraten. Doch haben manche psychischen
Erkrankungen mit weniger Vorurteilen zu kämpfen als andere. Beim Thema Depressionen
beispielsweise hat es in den letzten Jahren viel mediale Aufmerksamkeit und
zahlreiche Aufklärungskampagnen gegeben, die dazu beigetragen haben, Vorurteile
abzubauen. "Ein anderer Grund ist, dass diese Krankheit perfekt in unsere
Zeit und in die Leistungsgesellschaft passt", erklärt Professor Georg
Schomerus, der an der Universität Leipzig Vorurteile zu psychischen Krankheiten
erforscht.
"Dieses Gefühl von Überlastung und von ausgebrannt sein,
das Menschen häufig mit Depressionen in Verbindung bringen, können viele von
uns gut nachvollziehen."
Hingegen fehlt vielen gegenüber Menschen, die an Schizophrenie
erkrankt sind, die Empathie. Weit verbreitet ist das Vorurteil, dass die
Betroffenen gefährlich sein könnten. Dabei werden Erkrankte viel häufiger Opfer
von Gewalt, als dass sie selbst gewalttätig werden und andere in Gefahr
bringen. "Wir können nur schwer akzeptieren, wenn sich Menschen mit
psychischen Krankheiten seltsam oder unberechenbar verhalten, das verängstigt
uns, da ziehen wir uns zurück", sagt Georg Schomerus.
Niemand muss Stigmatisierung hinnehmen
Oft gebe es auch ein starkes Bedürfnis, dieses von außen
betrachtet unerklärliche, verstörende Verhalten kontrollieren zu wollen. So sei
die Meinung, dass die Betroffenen Medikamente einnehmen sollten, um ihre
Symptome zu kontrollieren, oder dass sie in die Psychiatrie eingewiesen werden
sollten, heute stärker ausgeprägt als noch in den 1990er Jahren.
Gegen ungerechte Behandlung sollten psychisch kranke Menschen
protestieren. "Niemand muss Stigmatisierung hinnehmen", betont
Schomerus. "Was oft hilfreich ist: Tauschen Sie sich mit anderen Menschen
aus, die ebenfalls an dieser Krankheit leiden und von ihren Erfahrungen
berichten." Einen pauschalen Rat zur Offenlegung einer psychischen
Erkrankung kann der Forscher aber nicht geben: "Die Patienten bringen sehr
individuelle Geschichten und Lebensumstände mit, und Offenheit ist nicht in
jeder Situation empfehlenswert."
Text / Foto: Wort & Bild Verlag - news aktuell / pixabay