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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Di.., 8. Juni 2021

  1. Experten warnen vor Verlust an digitaler Souveränität
    Auswärtiges/Anhörung
  2. Geteiltes Expertenecho auf geplantes Tierarzneimittelgesetz
    Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung


01. Experten warnen vor Verlust an digitaler Souveränität

Auswärtiges/Anhörung

Berlin: (hib/JOH) Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputing oder Netzwerktechnologien stellen nach Ansicht von Experten eine strategische Herausforderung für die deutsche und europäische Politik dar. In einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses zum Thema "Innovative Technologien und Standardisierung in geopolitischer Perspektive" sprachen sie sich am Montagnachmittag für mehr Zusammenarbeit in Europa im Bereich der digitalen Souveränität, für eine verstärkte Forschungsförderung und ein gezieltes Monitoring von Bedarfen und Risiken aus.

Es gelte zu analysieren, "in welchen Bereichen wir von wem abhängig sind und was wir damit machen", betonte Daniel Voelsen von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dabei gehe es nicht darum, sämtliche Abhängigkeiten abzubauen, sondern ein bewusstes Verhalten dazu zu entwickeln. Insbesondere China und die USA sähen in Technologien eine zentrale strategische Ressource zur Ausweitung der eigenen Machtposition, urteilte Voelsen, der die Rede von einem "Technologiekrieg" jedoch als "unnötig dramatisierend und wenig hilfreich" bezeichnete. Er sprach sich für eine Doppelstrategie aus: Deutschland und Europa sollten sich einerseits mit entsprechenden Instrumentarien zur Wehr setzen, andererseits aber das Muster geopolitischer Konfrontation immer wieder aufbrechen.

Der Informatiker Bernhard Schölkopf, Direktor am Max-Planck-Institut für intelligente Systeme, betonte, bei der dritten industriellen Revolution gehe es nicht um Energie, sondern um Informationen. Dies berge "immense Möglichkeiten" auch für die politische Einflussnahme. Europa müsse unter anderem mehr tun, um zu verhindern, dass amerikanische oder chinesische Technologie-Unternehmen weiter viele der klügsten Köpfe im Bereich der Künstlichen Intelligenz abwerben, mahnte er. Andernfalls laufe es Gefahr, seine digitale Souveränität zu verlieren.

Viele Bürger hätten den Eindruck, durch Firmen wie Google oder Apple nur noch Anschluss an US-amerikanische Systeme und deren Wertschöpfungsketten und Zahlungsdienstleister zu haben, sagte der freie Journalist und Berater für Krypto- und IT-Sicherheit, Andy Mueller-Maguhn. Europa müsse deshalb ein Selbstverständnis für seine digitale Souveränität entwickeln und entsprechende Kompetenzen und Behörden aufbauen, um Komponenten der Wertschöpfungsketten zurückzuerobern. Dazu gehöre auch, nicht offene und allgemein nutzbare Standards abzuwehren.

Tim Rühlig, Experte beim Swedish Institute of International Affairs in Stockholm, sagte, wer technische Standards setze, "kontrolliert den Markt". So müssten die Hersteller Produkte, die nicht dem allgemeinen Standard entsprächen, vom Markt nehmen, für andere fielen teure Lizenzgebühren an. "Der Anteil Chinas an essenziellen Patenten steigt", führte Rühlig zudem weiter aus. Darüber hinaus knüpfe es die Finanzierung zahlreicher Eisenbahnstrecken im Rahmen der neuen Seidenstraße ("Belt and Road Initiative") an die Übernahme seiner eigenen Standards. Die betroffenen Staaten müssten bei Ausbau und technischer Wartung daher für die kommenden Jahrzehnte auf chinesische Firmen, meist staatseigene Betriebe, zurückgreifen. "China schafft so langfristig Abhängigkeiten", sagte Rühlig. Um den Einflussverlust Europas zu stoppen und die Spaltung der technischen Standards in zwei Sphären zu verhindern, müsse der Weg von der Innovation zur Standardisierung deutlich verkürzt und mehr in die europäische und deutsche Forschungsförderung investiert werden.

Sibylle Gabler vom Deutschen Institut für Normung (DIN) sprach von unterschiedlichen "Normungsphilosophien" in den einzelnen Staaten. Während Europa internationale Normen meist übernehme, und diese nationale Standards ablösten, engagiere China sich in internationalen Normungsorganisationen stark dafür, eigene Standards zu setzen. "China ist die kommende Standard-Power", urteilte Gabler vor diesem Hintergrund. Fraglich sei, wie in diesem Zusammenhang europäische Werte und Ziele, etwa beim Datenschutz, hochgehalten werden könnten. Gabler forderte eine nationale Normungsstrategie, denn: "Der Politik dienen Normen als strategische Instrumente: Gesetze schaffen den rechtlichen Rahmen und geben Schutzziele vor, beispielsweise für Produktsicherheit, Arbeits- oder Umweltschutz."

Nach Ansicht von Ulrich Sandl, Experte für Standardisierung in der Informations- und Kommunikationstechnik, braucht Deutschland mehr Ressourcen, um seine inhaltliche Beteiligung an internationaler Standardsetzung zu verbessern. Essentiell für technische Souveränität sei zudem mehr Interoperabilität, also die Fähigkeit zum Zusammenspiel verschiedener Systeme und Techniken. Sie sei "eine Waffe der Schwachen", werde aber von den großen Akteuren oft blockiert. Damit wachse die Gefahr, dass der Markt zunehmend von einigen wenigen Großunternehmern beherrscht werde.



02. Geteiltes Expertenecho auf geplantes Tierarzneimittelgesetz

Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung

Berlin: (hib/SAS) Das geplante Tierarzneimittelgesetz der Bundesregierung wird von Sachverständigen teils sehr unterschiedlich beurteilt. Das zeigte eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montag unter Leitung von Alois Gerig (CDU). Während die einen den Gesetzentwurf "als dringend notwendig" begrüßten, kritisierten die anderen den Wegfall bewährter Regelungen und drangen auf Änderungen, insbesondere um die Antibiotikanutzung zu begrenzen. Gegenstand der Anhörung war neben dem Regierungsentwurf für ein Tierarzneimittelgesetz und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (19/28658) auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13549).

Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf ein Tierarzneimittelgesetz (TMG) als eigenständiges neues Stammgesetz erlassen. Im Arzneimittelgesetz (AMG) sollen zeitgleich die auf Tierarzneimittel bezogenen Bestimmungen aufgehoben werden. Damit kommt die Bundesregierung EU-rechtlichen Vorgaben nach. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag, den Antibiotikaeinsatz in der Geflügelhaltung zu verringern. Konkret soll die Anwendung des Wirkstoffs Colistin sowie aller weiterer Reserveantibiotika gesetzlich ausgeschlossen werden. Tierhaltungssysteme seien zudem so umzubauen, dass die Gesundheit der Tiere ohne die Anwendung von Antibiotika gewährleistet ist. Dafür seien tiergerechte Haltungssysteme, ausreichend Platz und Freilandzugang essenziell, heißt es im Antrag.

Harsche Kritik an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung äußerte der Einzelsachverständige Rupert Ebner: Dem Anspruch, eine leichter zu folgenden Richtschnur für Tierärzte und Verwaltung vorzugeben, werde der Entwurf nicht gerecht. Er vermisse auch eine klar erkennbare Strategie gegen den unsachgemäßen und illegalen Einsatz von Tierarzneimitteln wie Antibiotika, monierte der Tierarzt. Das Gesetz stelle hier sogar einen Rückschritt zu geltenden Regelungen dar: Einer der "wenigen Dämme, die noch halten" sei die 7-Tage-Regelung zur Verhütung von Arzneimittelmissbrauch. Diese solle mit dem neuen TMG aber angeschafft werden.

Auch Fachtierarzt Andreas Palzer, dessen Praxis Aufzucht- und Mastbetriebe betreut, sprach von einem "gravierenden Einschnitt", den die geplante Neuordnung des Tierarzneimittelrechts für Tierärzte bedeute und drang auf Änderung des vorliegenden Entwurfs: So plädierte auch er unter anderem für die Beibehaltung der 7-Tage-Regelung. Sie sei wirksam und gebe allen Beteiligten Rechtssicherheit. Dagegen solle, wie vom Bundesrat gefordert, die Pflicht zur Erstellung einer tierärztlichen Behandlungsanweisung besser entfallen, so der Sachverständige. Die Einhaltung lasse sich kaum überprüfen und werde in Kleintier- und Pferdepraxen zu erheblicher Bürokratie führen. In Nutztierpraxen hingegen sei sie bereits gesetzlich vorgeschrieben.

Imke Lührs vom Verein Ärzte gegen Massentierhaltung, unterstützte die Initiative von Bündnis 90/Die Grünen nach einem verringerten Einsatz von Antibiotika in der Geflügelhaltung: Abgesehen von Mahnungen an die Geflügelwirtschaft habe die Regierung wenig getan, um die Anwendung von Antibiotika und sogenannten Reserveantibiotika in der Tierhaltung zu begrenzen, monierte die Internistin. Von dem Einsatz gingen aber große Gefahren für Mensch und Gesundheitssystem aus, so Lührs mit Verweis auf die Zunahme von multiresistenten Erregern (MRE) in der Nahrungskette: Tierische Produkte aus konventioneller Haltung seien "in erheblichem Ausmaß mit MRE kontaminiert". Die Expertin plädierte deshalb für eine Ausweitung der Antibiogrammpflicht sowie ein vollständiges Verbot von Reserveantibiotika in der nahrungsindustriellen Tierhaltung.

Sabine Schüller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Tiergesundheit, betonte hingegen die Notwendigkeit eines eigenständigen Tierarzneimittelgesetzes. Es brauche "aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit" rechtzeitig zum Stichtag der Anwendung der europäischen Verordnung eine Neuordnung des nationalen Rechtsrahmens, so die Sachverständige. Der Entwurf sei zwar "komplex", einige Regelungen bedürften zudem noch nachträglicher Ausgestaltung. Das betreffe etwa den Umgang mit antimikrobiellen Wirkstoffen. Doch käme das Gesetz nicht, drohten rechtliche "Inkonsistenzen" die tägliche Arbeit von Tierärzten und Tiergesundheitsunternehmen zu erschweren, warnte die Expertin für Geflügelvirologie.

Vor diesem Hintergrund begrüßte zwar auch Dirk Freitag, für das Veterinärwesen im Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern zuständiger Abteilungsleiter, den Gesetzentwurf. Die Schaffung eines eigenen Tierarzneimittelgesetzes sah er dennoch kritisch: Damit werde der Weg des One-Health-Ansatzes, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verknüpft betrachte, verlassen. Gerade in der Frage des Umgangs mit Reserveantibiotika sei dieser aber "essentiell". Um ein Auseinanderdriften gemeinsamer Vorschriften zu verhindern, wäre ein gemeinsames Arzneimittelgesetz zielführender gewesen, meinte Freitag.

Das neue Tierarzneimittelgesetz enthalte wichtige Regelungen, etwa zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesbehörden bei Verfahren zur Erteilung einer Herstellungs- oder einer Großhandelserlaubnis, unterstrich wiederum Jürgen Sommerhäuser, Referent für Tierarzneimittelüberwachung im brandenburgischen Gesundheitsministerium. Es schaffe zudem dringend benötigte nationale Regelungen für den Einzelhandel mit Tierarzneimitteln, zu dem die EU-Verordnung schweige. Das neue TMG fülle "genau die Lücken, die den Mitgliedstaaten gelassen wurden". Die Bundesregierung habe damit also eine "solide Grundlage" geschaffen, urteilte Sommerhäuser.

Dieser Auffassung widersprach Reinhild Benning, Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würden Auftrag der Weltgesundheitsorganisation und Ziele des European Green Deal nicht umgesetzt. Der Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung sei zwar gesunken, aber im Sinne des One-Health-Ansatzes längst noch nicht effektiv genug, so die DUH-Vertreterin. Benning forderte, im Tierarzneimittelgesetz ein Reduktionsziel festzuschreiben. "Das hat sich in anderen EU-Staaten bewährt."