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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Di.., 18. Mai 2021

  1. Größerer Stellenwert der politischen Bildung angemahnt
    Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss
  2. Experten uneins über härtere Bestrafung von Tierquälerei
    Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung
  3. Europäischer Stabilitätsmechanismus als Kriseninstrument
    Finanzen/Gesetzentwurf


01. Größerer Stellenwert der politischen Bildung angemahnt

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Der politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen muss deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dies war das einhellige Votum in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses über den 16. Kinder- und Jugendbericht (19/24200) am Montag. Die geladenen Sachverständigen mahnten zudem, dass politische Bildung nicht neutral sein könne, sondern sich an der demokratischen Ordnung und ihren Werten orientieren müsse.

Die Sozial- und Erziehungswissenschaftlerin Anja Besand von der TU Dresden - sie gehörte selbst der Sachverständigenkommission des Kinder- und Jugendberichts an - mahnte, in Sachsen können man gut erkennen, wohin es führe, wenn der politischen Bildung ein zu geringer Stellenwert beigemessen werde. So sei an Sachsens Schulen sehr lange politische Bildung erst ab der 9. Klasse in den Schulen verankert gewesen, seit kurzer Zeit sei dies ab der 7. Klasse der Fall. Die Familie sei zwar ein wichtiger Ort der Sozialisation für die politische Bildung, dies könne die institutionelle politische Bildung aber nicht ersetzen. Besand wies zudem darauf hin, dass politische Bildung zwar einerseits "keine Bevormundung" darstellen dürfe. Anderseits sei sie aber "nicht neutral", sondern orientiere sich an der demokratischen Ordnung.

In diesem Sinne argumentierte auch der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, der ebenfalls Mitglied der Sachverständigenkommission war. Politische Bildung verstehe sich normativ als aktives Eintreten für demokratische und menschenrechtsbasierte Werte. Im Gegensatz zur Extremismusprävention, die einer "Verhinderungslogik" folge und die demokratische Ordnung vor demokratiefeindlichen Bestrebungen zu schützen versuche, folge die politische Bildung einer "Ermöglichungslogik", die dazu ermutige, sich aktiv an der Gestaltung der Demokratie zu beteiligen.

Auch Lisi Maier vom Deutschen Bundesjugendring begrüßte ausdrücklich, dass politische Bildung "nicht neutral" sein dürfe, sondern mit einem Bekenntnis zu den demokratischen Prinzipien einhergehen müsse. Zugleich warnte sie davor, politische Bildung nur als einen "Brandlöscher" im Fall von rechtsextremistischen Übergriffen oder bei einem Anwachsen rechtsextremistischer Übergriffe zu begreifen. Politische Bildung sei nicht nur ein gesetzlich verbrieftes Recht, sondern eine Daueraufgabe. Kinder und Jugendliche müssten in die Lage versetzt werden, sich als politische Subjekte zu begreifen und zu handeln. Diese Erkenntnis müsse auf die Ebene der Länder und Kommunen transportiert werden, da diese maßgeblich für die politische Bildung zuständig seien. Um so mehr verwundere es, dass der Bundesrat den Kinder- und Jugendbericht lediglich "kommentarlos zur Kenntnis genommen" habe, sagte Maier.

Der Bildungswissenschaftler Christian Palentien von der Universität Bremen, er leitete als Vorsitzender die Sachverständigenkommission des Kinder- und Jugendberichts, mahnte, dass der politischen Bildung mehr Gewicht während der gesamten Lebensspanne junger Menschen von der frühen Kindheit bis ins späte Jugendalter verliehen werden müsse. Der Bericht fordere beispielsweise konkret ein Minimum von zwei Stunden Politikunterricht in der Woche für alle Schulformen. Zudem forderte Palentien mehr konkrete Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen zum Erlernen demokratischer Spielregeln. Teilhabe dürfe nicht nur simuliert werden.

Dieser Forderung schlossen sich Volker Rohde von der Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen und der Sozialpädagoge Moritz Schwerthelm von der Universität Hamburg an. Aus dem Recht auf politische Bildung müsse ein Recht auf demokratisches Handeln abgeleitet werden, mahnten sie übereinstimmend. Zugleich forderten sie eine ausreichende finanzielle Absicherung der politischen Bildung auf allen Ebenen. Vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit in den Kommunen vor Ort müsse die Finanzierung weniger projektbezogen, sondern langfristig und strukturell sichergestellt werden, sagte Rohde. Schwerthelm mahnte, dass soziale Ungleichheit sehr oft auch zu politischer Ungleichheit führe und dass Partizipationsversuche benachteiligter junger Menschen nicht anerkannt würden.

Regina Offer von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte die Ergebnisse und Empfehlungen des Kinder- und Jugendberichts ausdrücklich. Dieser gebe eine gute Darstellung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen. Sie mahnte, dass die Sozialarbeit und die politische Bildung stärker im Corona-Aufholprogramm des Bundes für Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden müssten.



02. Experten uneins über härtere Bestrafung von Tierquälerei

Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung

Berlin: (hib/SAS) Zuspruch aber auch Kritik hat der Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine härtere Bestrafung von Tierquälerei ausgelöst. In einer Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft unter der Leitung von Alois Gerig (CDU) begrüßte ein Teil der Sachverständigen am Montagnachmittag den von der Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches und des Tierschutzgesetzes (19/27752) als wichtigen Schritt, um Lücken im Tierschutzstrafrecht zu schließen. Andere zweifelten jedoch den praktischen Nutzen an und verwiesen auf strukturelle Ursachen für bestehende Defizite.

Mit ihrem Gesetzentwurf zielen Bündnis 90/Die Grünen auf eine härtere und häufigere Bestrafung von Tierquälerei. So schlagen sie dazu unter anderem vor, Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes in das Kernstrafrecht zu überführen. Derzeit würden das Tierschutzgesetz und sein Vollzug dem Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz nicht gerecht, begründen die Abgeordneten ihre Initiative. Zentrale Mängel seien "erhebliche Kontrolldefizite". Auch Vollzugsdefizite bei der Ahndung entdeckter Tierschutzstraftaten und zu geringe Strafandrohungen kritisiert die Fraktion.

Diese Kritik teilte Kai Braunmiller von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz: Auch er beklagte, dass das Tierschutzgesetz bisher nicht "den Stellenwert" in Rechtssetzung, Kontrolle sowie in der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten habe, den es als Staatsziel haben müsse. Besonders augenfällig sei dies etwa im Bereich der gewerblichen Nutztierhaltung. Selbst schwere Verstöße würden "als Bagatelle" interpretiert und zu selten geahndet, so der Fachtierarzt für Tierschutz und öffentliches Veterinärwesen. Um Kontrolle und Vollzug zu verbessern, plädierte er für die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Ländern und Tierschutzrecht-Schulungen für Staatsanwälte.

Mehr geschultes Personal im Bereich der Tierschutzüberwachung und Strafverfolgung forderte auch die Bundestierärztekammer und begrüßte die Gesetzesinitiative der Grünen. Die Erweiterung des bislang "verhältnismäßig engen Strafrahmes" könne dazu beitragen, das "Unrecht struktureller und systematischer Tierquälerei in Betrieben" besser zu erfassen und zu ahnden, so die Arbeitsgemeinschaft der 17 Landes- und Tierärztekammern in Deutschland in ihrer Stellungnahme. Bedauern äußerte ihre Vertreterin, Maria Dayen, allerdings darüber, dass der Gesetzentwurf vor allem auf die landwirtschaftliche Nutztierhaltung abstelle und über die Heimtierhaltung hinwegsehe. Gerade hier sei aber das bandenmäßige Vorgehen etwa im Bereich des illegalen Welpenhandels gehäuft zu beobachten.

Sven Herzog, Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden, monierte zudem eine "zunehmende Tendenz zur Aufweichung von Tierschutzkriterien" im Umgang mit Wildtieren: Klassische Elemente einer waidgerechten Jagd wie etwa der Muttertierschutz oder die Einhaltung von Schonzeiten würden zugunsten von ökonomischen Partikularinteressen aufgegeben. Die geplante Gesetzesänderung löse dieses Problem jedoch nicht. Er monierte zudem eine mangelnde Zielgenauigkeit einzelner Formulierungen: So werde in der Praxis nicht einfach zu klären sein, ab wann man es mit "leichtfertiger und versuchter Tierquälerei" zu tun habe, gab Herzog zu bedenken.

Der Jurist Walter Scheuerl zog in Zweifel, ob es einer Gesetzesänderung überhaupt bedürfe. Ein flächendeckendes Vollzugsdefizit könne er nicht erkennen. Und selbst wenn - eine Änderung des Strafgesetzbuches sei das "trägste, langsamste und ineffektivste Mittel", um dem Tierschutz zu dienen, so der Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Medienrecht, gewerblicher Rechtsschutz und Lebensmittelrecht. Effizienter ließen sich mögliche Vollzugsdefizite durch eine bessere Ausstattung der Veterinärämter beheben. Diese könnten unmittelbar bei Defiziten in Betrieben eingreifen und zum Beispiel Erträge einziehen. Solche Maßnahmen hätten eine "abschreckende Wirkung in der Branche" und wirkten schneller als ein Strafverfahren.

Auch Christine Bothmann, Vizepräsidentin des Bundesverbands der verbeamteten Tierärzte, vertrat die Auffassung, härtere strafrechtliche Regelungen "auf dem Papier" würden dem Anliegen, den Tierschutz in der Praxis zu stärken nicht gerecht. Es brauche keine zusätzliche Be- sondern eine Entlastung der Vollzugsorgane, forderte sie. Sollten Staatsanwaltschaften künftig Fälle an sich ziehen, drohten "mehrjährige Verfahren, viel Ermittlungsarbeit und wenig Messbarkeit" bei einer Verjährungszeit bei drei Jahren.

Oberstaatsanwalt Dirk Bredemeier, Leiter der Zentralstelle für Landwirtschaftssachen in Oldenburg, kritisierte zudem, es mangele dem Entwurf an einer klaren Differenzierung zwischen privaten und gewerblichen agierenden Tierhaltern. Wenn auch für private eine Strafbarkeit für leichtfertiges Handeln eingeführt werde, könne dies zu einer "nicht abzuschätzenden Zahl von Ermittlungsverfahren gegenüber Bürgern führen", warnte er.

Michael Kubiciel, Professor für deutsches, europäisches und internationales Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Augsburg, riet von einer Verschiebung von Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes in das Strafgesetzbuch ab: Sie sei systematisch problematisch, da die Vorschrift aus dem Kontext gelöst würde, der Anwendung und Interpretation der Norm leite. Außerdem sei die Verschiebung auch gar nicht notwendig. Regionale Vollzugsdefizite sah der Experte strukturell bedingt: "Eine Verschiebung eines Straftatbestandes von einem Gesetzestext in den anderen ändert daran nichts."

Dies sah schließlich Elisa Marie Hoven, Professorin für deutsches und ausländisches Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Leipzig, gänzlich anders: Dass die gegenwärtige Rechtslage dem Staatsziel Tierschutz nicht gerecht werde, liege nicht nur an "praktischen Anwendungswidrigkeiten", sondern auch an der normativen Ausgestaltung von Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes. Der Vorstoß der Grünen sei "äußerst begrüßenswert", insbesondere die im Entwurf vorgesehene Integration von Paragraf 17: Diese setze ein "klares Signal an Öffentlichkeit und Justiz, dass der Tierschutz ernst genommen wird", so Hoven. "Symbolik" sei dies keineswegs, denn ein Grund für die zurückhaltende Anwendung durch die Staatsanwaltschaften sei deren fehlende Vertrautheit mit dem Tierschutzstrafrecht. Die darin vorgesehene Schaffung des Straftatbestands der "leichtfertigen und versuchten" Tierquälerei schließe zudem eine Lücke.



03. Europäischer Stabilitätsmechanismus als Kriseninstrument

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AB) Die Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist Gegenstand eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Änderungen am ESM bedürfen der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften durch ein Bundesgesetz. Dieses hat die Bundesregierung mit dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 27. Januar 2021 zur Änderung des Vertrags vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (19/29645) vorgelegt. Ziel ist die Zustimmung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates zu dem ESM-Änderungsübereinkommen.

Das Übereinkommen entwickle den ESM als Krisenbewältigungsinstrument fort, um Gefahren für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt effektiver abwenden zu können, wie die Bundesregierung schreibt.

Die Kompetenzen des ESM würden durch eine Neuordnung der Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission bei der Gewährung von Finanzhilfen, bei der Programmgestaltung und bei der Programmüberwachung gestärkt. Zur Stärkung der Schuldentragfähigkeit in der Währungsunion erfolge im ESM-Vertrag erstmals die Klarstellung, dass Stabilitätshilfen nur solchen ESM-Mitgliedern gewährt werden sollten, deren Schulden als tragfähig erachtet werden. Um zukünftig eine gegenseitige Verschärfung von Banken- und Staatsschuldenkrisen in der Währungsunion zu vermeiden und zur Wahrung der Finanzstabilität der Währungsunion beizutragen, werde der ESM ermächtigt, dem einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board - SRB) für den einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund - SRF) die Letztsicherungsfazilität in Form einer revolvierenden Kreditlinie zur Verfügung zu stellen, aus der Darlehen bereitgestellt werden können. Es werde eine Rechtsgrundlage eingeführt, auf deren Basis der Gouverneursrat des ESM beschließen kann, eine zusätzliche Tranche genehmigten Stammkapitals einzurichten, um die Übernahme von Rechten und Verpflichtungen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zu erleichtern. Die Wirksamkeit der bestehenden vorsorglichen Finanzhilfeinstrumente des ESM werde gestärkt.