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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mi.., 5. Mai 2021

  1. FDP-Vorstoß zur Exportwirtschaft umstritten
    Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Ausschuss
  2. COVID-19-Ausnahmeverordnung passiert Rechtsausschuss
    Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss
  3. Zustimmung zu Gesetzentwürfen zum Kaufrecht
    Recht und Verbraucherschutz/Anhörung
  4. Weitere Änderungen im Infektionsschutzgesetz
    Gesundheit/Gesetzentwurf
  5. Grüne fragen nach Bundesimmobilien in Nordrhein-Westfalen
    Finanzen/Kleine Anfrage


01. FDP-Vorstoß zur Exportwirtschaft umstritten

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) Nicht alle Sachverständigen mochten einem Forderungskatalog der FDP-Fraktion zur Außenwirtschaftspolitik beipflichten. Zudem unterbreiteten sie eigene Anregungen und setzten andere Aspekte bei einer Expertenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) zu dem Antrag mit dem Titel: "Zurück zu alter Stärke - Die Zukunft der deutschen Exportwirtschaft sichern" (19/28767).

Gabriel Felbermayr vom IfW Kiel beschrieb, dass 28 Prozent der Beschäftigung in Deutschland direkt oder indirekt vom Export abhänge. Die Wahrung der außenwirtschaftlichen Interessen Deutschlands sollte nach seiner Ansicht ein ressortübergreifendes Ziel sein, das in einer klaren Strategie operationalisiert werde. Ihm scheint es sinnvoll, alle Zuständigkeiten in einem Ministerium für Außenwirtschaft oder durch Schaffung eines Staatsministers für Außenhandel zu bündeln. Er unterstrich die Bedeutung von Außenhandelsabkommen. Deutschland müsse mit hoher Dringlichkeit und in Kooperation mit den anderen EU-Staaten eine Außenwirtschaftsstrategie für den Umgang mit Ländern in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU entwickeln, die der politischen Realität in Ländern wie Russland, der Türkei oder nordafrikanischen Ländern gerecht werde, ohne auf Abschottung zu setzen. Die Bundesregierung müsse sich mit politischen Risiken, aber ebenso mit dem Umgang mit Risiken durch Naturkatastrophen wie Klimaerwärmung und Pandemie beschäftigen.

Volker Treier (DIHK) machte klar, dass deutsche Unternehmen bei Direktinvestitionen im Ausland stark vertreten seien. Sie betrachteten dies vor allem als Zugang zu den Märkten. Dabei komme es auf die Offenheit der Länder an , diese Form der Investitionen zulassen. Umgekehrt müssten Deutschland und die EU-Staaten selbst als offene Länder gelten. Die Wirtschaft habe die Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung bezüglich der Investitionsprüfungen erst einmal negativ bewertet. Wie gewichtig dabei der Sicherheitsaspekt sei, müssten andere Stellen beantworten. Die neue Verordnung habe Verbesserungen gebracht. Die Prüfungsverfahren dauerten indes sehr lange.

Rupert Schlegelmilch (Europäische Kommission) verwies auf eine Reihe von abgeschlossenen oder in Verhandlung befindlichen Abkommen mit asiatischen Staaten, in denen das Wachstum in den nächsten Jahren zum großen Teil stattfinde. "Wir versuchen, diese Märkte für uns zu erschließen", versicherte er. Dazu zähle auch der Blick auf eine nachhaltige Handelspolitik, die sich an den Zielen der EU orientierte, nämlich Wohlstand, Sicherheit und grünes Wachstum.

Florian Moritz (DGB) stellte die Frage nach einer fairen Globalisierung und ob die Vorteile, die sie bringen könne, gerecht verteilt würden. Dabei könne die Handelspolitik eine große Rolle spielen. Sie müsse aber anders ausgerichtet sein. So müssten in Handelsabkommen durchsetzbare, verbindliche und bewährte Standardwerte festgeschrieben werden, die für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen überall sorgen. Globaler Wettbewerb dürfe nicht auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen werden. Im Gegensatz zum Antrag der FDP sei eine Abkehr von der reinen Liberalisierungsagenda nötig. So gebe es im Dienstleistungsbereich wichtige Sektoren, die zu Recht nicht liberalisiert seien.

Der Sachverständige Max Otte stufte die Exportorientierung der deutschen Wirtschaft als nicht zielführend ein. Es zeuge von Selbstüberschätzung, wenn Deutschland als mittelgroße Industrienation es zur Basis der eigenen Außenwirtschaftspolitik mache, Freihandel um jeden Preis zu betreiben. Außenwirtschaftspolitische Interessen müssten auf deutscher und europäischer Ebene besser definiert werden. Denn es sei wichtig anzuerkennen, dass alle Großmächte, auch die USA, eigene Interessen verfolgten, die sich nachteilig bis sehr schädlich auf Deutschland und Europa auswirken könnten. Die Export-Orientierung sei wichtig, aber es müsse auch auf den Binnenmarkt geschaut werden.

Christoph Bertram (Finsbury Glover Hering Europe), legte dar, dass das Interesse an Direktinvestitionen in Deutschland grundsätzlich weiter vorhanden sei. Die immer strengere und aufwändigere Investitionsprüfung irritiere aber ausländische Investoren zunehmend und verlagere womöglich das Interesse. Gerader bei innovativen Geschäftsmodellen sei der Zugang zum Kapitalmarkt für den weiteren Erfolg entscheidend. Da das deutsche Ökosystem der Risikofinanzierungen noch nicht ausreichend ausgeprägt sei, seien deutsche Start-ups häufig auf internationale Investoren angewiesen.

Experte Heiner Flassbeck unterstrich, dass den Überschüssen der einen Länder die Defizite in anderen gegenüberstehen. Dies gelte insbesondere seit Jahrzehnten für die USA. Sie würden, seit die Demokraten an der Macht sind, den Druck zur Verringerung der deutschen Überschüsse massiv erhöhen. Dies sei vollkommen berechtigt. Es gebe keine Rechtfertigung für dauernde Überschüsse. Das gelte auch für Europa. Er verstehe nicht, wie man in Deutschland über eine weitere Stärkung der Überschüsse reden könne, wo doch Deutschland mit diesen Überschüssen eine massive Belastung für andere Länder schaffe. Überschüsse hier und Defizite dort seien nun mal ein Nullsummenspiel.

Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, setzte sich kritisch mit mehreren Punkten des FDP-Antrags auseinander. So werde nach seiner Ansicht der Bezug der Corona-bedingten Schwächen der deutschen Wirtschaft zum Kernthema des Antrags, der Exportstärkung, nicht wirklich deutlich. Es seien gerade die Exporte, die in der Prognose des Sachverständigenrates mit einem realen Wachstum von 10,7 Prozent in diesem Jahr eine besondere Stütze der deutschen Wirtschaft bildeten. Die Corona-Krise belaste aufgrund der notwendigen gesundheitspolitischen Einschränkungen vor allem die deutsche Binnenwirtschaft. Die in dem Antrag enthaltenen Steuersenkungsvorschläge hielt er für kaum finanzierbar und kontraproduktiv.



02. COVID-19-Ausnahmeverordnung passiert Rechtsausschuss

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/MWO) Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat am Mittwoch die Verordnung der Bundesregierung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (19/29257) zur Annahme empfohlen. Für die Verordnung, die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden soll, stimmten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD und die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die AfD stimmte dagegen, die FDP enthielt sich.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Christian Lange (SPD), erläuterte die nach seinen Worten in Rekordzeit erarbeitete Verordnung und bat um die Zustimmung der Fraktionen. Lange sagte, mit der zunehmenden Gewissheit, dass von geimpften und genesenen Personen eine geringere Ansteckungsgefahr ausgeht, eröffne sich die Möglichkeit von Erleichterungen für diese Personengruppen. Da nach den fachlichen Auskünften des Bundesgesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts von Genesenen und Geimpften Personen weniger Risiken für andere ausgehen als von getesteten Personen, könnten nicht nur Gleichstellungen der geimpften und genesenen Personen mit Getesteten erfolgen, sondern für erstere auch mehr Ausnahmen vorgesehen werden.

Konkret heiße das vor allem: Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gelten grundsätzlich nicht mehr für geimpfte und genesene Personen. Natürlich dürfe dabei der Schutz von alten Menschen und Menschen mit Behinderungen nicht aus dem Blick verloren werden, sagte Lange. Kontaktbeschränkungen sollten hier zwar fallen, es brauche aber noch Schutzkonzepte, um das soweit erforderlich abzusichern. Da es aber keinen vollständigen Schutz für geimpfte und genesene Personen gebe, blieben auch für diese insbesondere Gebote zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und Abstandsgebote unberührt. Schließlich erhielten die Länder dort, wo sie noch Regelungskompetenzen für Gebote und Verbote haben, durch eine Öffnungsklausel die Möglichkeit, auch dort Ausnahmen für geimpfte und genesene und getestete Personen vorzusehen. Die Sperrwirkung des Bundesrechts werde mithin insoweit aufgehoben.

In der Debatte betonten Abgeordnete der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, dass die "Bundesnotbremse" erfreuliche Wirkungen zeige. Die vorgesehenen Maßnahmen seien daher verfassungsrechtlich geboten und zeigten eine Perspektive für weitere Öffnungsschritte und für mehr Freiheit. Linke und Grüne signalisierten Zustimmung, mahnten aber gleichzeitig Klarheit über die nächsten Schritte an. Ein Vertrauensverlust müsse verhindert werden. Für die FDP ist die Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung, sie gehe aber nicht weit genug. Die AfD erklärte, massivste Grundrechtseinschränkungen pauschal für alle Menschen seien nicht hinnehmbar.

Nach ausführlicher Diskussion empfahl der Ausschuss mit den Stimmen der Koalition auch die Annahme des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) (19/1879219/19367) in der Fassung des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. AfD und FDP stimmten dagegen, Linke und Grüne enthielten sich. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Rita Hagl-Kehl (SPD), verteidigte die von Linken und Grünen monierte lange Verfahrensdauer. So seien unter anderem die Ergebnisse der Evaluierung des NetzDG eingearbeitet worden.

Aus Sicht von CDU/CSU wurden mit den Änderungen die Nutzerrechte gestärkt. Linke und Grüne sahen weiterhin Probleme, obwohl Kritikpunkte aufgenommen worden seien. Mit einer Reihe von ergänzenden Regelungen soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Bekämpfung strafbarer Inhalte auf den Plattformen der erfassten Anbieter sozialer Netzwerke weiter verbessert und transparenter gemacht werde. Ferner soll die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Beschwerdeführern sowie Nutzern mit den Anbietern zukünftig vereinfacht und effektiver gemacht und die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erleichtert werden. Die Abstimmung über den Entwurf steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages.

Ebenfalls am Donnerstag soll das Plenum ohne vorherige abschließende Aussprache über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Verbraucherdarlehensrechts (19/26928) abstimmen, der im Ausschuss einstimmig angenommen wurde. Damit sollen zwei Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union umgesetzt werden, die die Auslegung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie betreffen.

Abgelehnt wurde mit den Stimmen der Koalition, der AfD und der FDP ein Gesetzentwurf der Linksfraktion zur Aufnahme des Grundrechts auf Wohnen in das Grundgesetz (19/16479). Die Grünen stimmten für die Vorlage, die die Schaffung eines Artikel 14a im Grundgesetz vorsieht, der ein subjektives und einklagbares Recht auf angemessenen bezahlbaren Wohnraum beinhaltet. Keine Mehrheit fanden auch Anträge der FDP und der Linksfraktion für eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von Vertrauenspersonen (19/25248) und zur Eindämmung rechtsstaatswidriger Tatprovokationen und Entschädigung Betroffener (19/25352). Für den FDP-Antrag stimmten auch die Grünen. Die Koalitionsfraktionen, die AfD und Die Linke lehnten ihn ab. Der Antrag der Linken wurde von den Grünen unterstützt, Koalition und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich.

Ohne Erfolg blieben auch Anträge der Linken mit dem Titel "Fremdbestimmte Operationen an trans- und intergeschlechtlichen Menschen - Aufarbeiten, Entschuldigen und Entschädigen" (19/17791) und der Grünen für einen Entschädigungsfonds für trans- und intergeschlechtliche Menschen (19/22214). Sie wurden mit den Stimmen von Koalition und AfD, bei Enthaltung der FDP abgelehnt. Ein weiterer Antrag der Grünen mit dem Titel "Soziale Elternschaft rechtlich absichern" (19/20864) fand ebenfalls keine Mehrheit. Koalition, AfD und FDP stimmten dagegen, Die Linke enthielt sich.

Das Ausschuss beschloss die Einbeziehung eines Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Einführung einer Schonfristzahlung bei ordentlichen Kündigungen von Wohnraummietverträgen und zur Bekämpfung des Mietnomadentums (19/20589) in die bereits beschlossene öffentliche Anhörung zum Thema Mietrecht am 19. Mai 2021.

Abgesetzt von der Tagesordnung wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen die Beschlussfassung über die Terminierung der dem Grunde nach beschlossenen öffentlichen Anhörungen zu den Gesetzentwürfen der Linken und der Grünen zur Streichung beziehungsweise Ersetzung des Begriffs Rasse im Grundgesetz (19/2062819/24434) sowie zu dem Antrag der Linksfraktion mit dem Titel "Deutschland braucht ein Unternehmensstrafrecht" (19/7983).

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der Opposition beschloss der Ausschuss in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 1 BvQ 51/21, 1 BvR 860/21 und 1 BvR 865/21 (Infektionsschutzgesetz) Stellung zu nehmen, einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen und den Verfahren beizutreten. Einstimmig beschloss das Gremium, die Empfehlung des Unterausschusses Europarecht zu mehreren Ratsdokumenten zur Kenntnis zu nehmen.



03. Zustimmung zu Gesetzentwürfen zum Kaufrecht

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Um zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Thema Kaufrecht ging es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. Die Vorlagen - zur Umsetzung der EU-Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (19/27653) und zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags (19/2742419/28174) - wurden in der Sitzung unter der Leitung des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CD) überwiegend begrüßt, mehrere Sachverständige plädierten in ihren schriftlichen Stellungnahmen allerdings für ein offensiveres Herangehen an die Materie.

Mit dem ersten Entwurf soll das deutsche Vertragsrecht entsprechend der Digitale-Inhalte-Richtlinie künftig auch Verbraucherverträge über digitale Produkte umfassen. Der zweite dient der Umsetzung der EU-Warenkauf-Richtlinie und soll für ein hohes Verbraucherschutzniveau sorgen.

Für Markus Artz von der Universität Bielefeld stellt die Umsetzung der beiden Richtlinien einen Meilenstein der Fortentwicklung des deutschen Vertragsrechts dar. Die beiden Gesetzentwürfe hielten sich erfreulich eng an die Vorgaben und seien außerordentlich gut gelungen und geeignet, sowohl den Verbraucherschutz auf dem Feld des Vertragsrechts fortzuentwickeln als auch die Systematik des geltenden Schuldrechts an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen.

Aus der Sicht von Ivo Bach von der Georg-August-Universität Göttingen hat die Warenkauf-Richtlinie vollharmonisierende Wirkung, daher dürften die Mitgliedstaaten weder zugunsten noch zulasten des Verbrauchers von deren Vorgaben abweichen. Dem werde der Regierungsentwurf nahezu vollständig gerecht. Es bestehe nur geringfügiger Änderungsbedarf. Entscheidungsspielraum habe der deutsche Gesetzgeber vor allem in denjenigen Bereichen, in denen die Richtlinie Öffnungsklauseln enthält. Das Potential dieser nationalen Gestaltungsmöglichkeiten bei den Fristen bleibe im Entwurf weitgehend ungenutzt. Hier seien kraftvollere, mutigere Regelungen empfehlenswert.

Auch Florian Faust von der Hamburger Bucerius Law School hält die Umsetzung der beiden Richtlinien im Wesentlichen für gelungen. Die Gesetzentwürfe orientierten sich sehr stark am Text der Richtlinien und teilten deshalb deren Ungenauigkeiten und Schwächen. Faust regte an, die Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht auf Verbraucherverträge zu beschränken. Die Richtlinie gestatte ausdrücklich eine derartige Umsetzung. Dadurch würde ein Gleichlauf mit dem Kaufrecht erreicht.

Georg Grünhoff vom Handelsverband Deutschland sprach sich für eine zurückhaltende Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie aus. Sie sollte den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag entsprechend unbedingt "eins zu eins" erfolgen, forderte Grünhoff. Allein die auf europäischer Ebene bereits beschlossene Verlängerung der Beweislastumkehrfrist auf ein Jahr werde für den Einzelhandel nach überschlägiger Berechnung Zusatzkosten in Höhe von rund 130 Millionen Euro jährlich verursachen. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung sei aber auch mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise dringend geboten.

Jutta Gurkmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte, der Gesetzgeber habe die Regelungen der Digitale-Inhalte-Richtlinie gut in die deutsche Gesetzgebungssystematik übertragen. Bei der Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie seien für den vzbv vor allem die Verlängerung der Gewährleistungsdauer, die Verlängerung der Dauer der Beweislastumkehr sowie die Update-Pflicht zentrale Elemente. Hier seien die vorliegenden Regelungsvorschläge unbefriedigend. Die eingeräumten Spielräume würden nicht genutzt. Bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung dürfe es nicht bleiben.

Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth betonte in seiner Stellungnahme, für Kaufrecht wie Digitalvertragsrecht bedeuteten die Gesetzentwürfe epochale Eingriffe mit strukturellen Konsequenzen für das Schuldvertragsrecht. Vor diesem Hintergrund und sowohl wegen der erheblichen Eingriffe in das Kaufrecht als auch wegen der bislang deutlich unterschätzten Bedeutung der Neuregelung zu digitalen Produkten sei die Kürze der Befassung im Rechtsausschuss bedauerlich.

Der Verbraucherforscher Tobias Brönneke von der Hochschule Pforzheim erklärte, die Regierungsvorlage verpasse es, im Hinblick auf langlebige Konsumgüter die Voraussetzungen für eine Vertragsparität herzustellen. Bei langlebigen Gütern, die für Privathaushalte häufig den Charakter einer echten Investition hätten, müsse der Käufer nach den derzeitigen Marktgepflogenheiten "die Katze im Sack kaufen". Gerade bei komplexen technischen Produkten werde für die Käufer schließlich auch die Beweislast zu einer praktisch nicht übersteigbaren Hürde. Daher sei Abhilfe geboten und mit wenigen Regelungen auch möglich.

Emmanouil Kampitakis vom Chaos Computer Club begrüßte, dass die Rechte der Verbraucher und Verbraucherinnen bei digitalen Diensten und Dienstleistungen fester Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden sollen. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie gehe in die richtige Richtung, es gebe jedoch noch Verbesserungspotenzial. Nicht enthalten, aber wünschenswert, seien unter anderem Regelungen zur Vermeidung von technisch einwandfreiem Elektroschrott, zum Betreiben von Geräten unabhängig vom Hersteller, zur Angabe eines garantierten Updatezeitraums und zum Recht auf Reparatur.



04. Weitere Änderungen im Infektionsschutzgesetz

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Der Bund plant in der Coronakrise weitere Änderungen und Präzisierungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dazu haben die Fraktionen von Union und SPD einen Gesetzentwurf (19/29287) vorgelegt, der im Bundestag beraten wird. Der Entwurf sieht vor, dass neben Ärzten künftig auch Apotheker Nachtragungen im Impfpass vornehmen können. Dies soll zu einem erleichterten Zugang insbesondere für nachträgliche Einträge in digitale Impfausweise führen.

Ferner sollen Hochschulen von der Verpflichtung zum Wechselunterricht nach Paragraf 28b Absatz 3 Satz 2 IfSG ausgenommen werden. Die Beschränkung auf Wechselunterricht ziele in erster Linie auf Schulen und sei nicht ohne weiteres auf die Abläufe in Hochschulen übertragbar, heißt es dazu in der Vorlage. Geplant sind zudem Präzisierungen zu praktischen Ausbildungen an Hochschulen, Berufsschulen oder anderen Berufsbildungseinrichtungen. So sollen die praktischen Ausbildungsabschnitte von den Ländern auch oberhalb eines Inzidenzwertes von 165 ermöglicht werden können.

Ausnahmen von Schutzvorkehrungen werden auch für die Aus- und Fortbildung in den Bereichen Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Zivil- und Katastrophenschutz sowie für Piloten und andere Crewmitglieder geschaffen. Die Voraussetzungen für Flugreisen werden konkretisiert, um Infektionen vorzubeugen. Mit einer Corona-Testung vor dem Abflug solle die Wahrscheinlichkeit gesenkt werden, dass infizierte Personen reisen und andere anstecken.

Schließlich wird klargestellt, dass der Anspruch auf Versorgung bei Impfschäden auch bei Schädigungen durch die Corona-Schutzimpfung gilt.



05. Grüne fragen nach Bundesimmobilien in Nordrhein-Westfalen

Finanzen/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PST) Die Verkaufs- und Mietenpolitik der Bundesanstalt für Immobilienangaben (BImA) und des Bundeseisenbahnvermögens (BEV) in Nordrhein-Westfalen ist Gegenstand einer kleinen Anfrage (19/29078) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Als Anlass nennt die Fraktion Unzufriedenheit mit der Liegenschaftspolitik des Bundes angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in vielen Städten. Die Abgeordneten verlangen deshalb unter anderem eine Aufschlüsselung aller Verkäufe von Bundesimmobilien in Nordrhein-Westfalen zwischen 2013 und 2020 sowie Auskünfte, in welchem Umfang bei Verkäufen an das Land Nordrhein-Westfalen verbilligte Kaufpreise gewährt wurden. Außerdem wollen sie wissen, welche Verkäufe von Liegenschaften in den nächsten fünf Jahren geplant sind und welche Kriterien dabei gelten sollen. Weitere Fragen betreffen die Mietenpolitik der BImA in ihren Wohn- und Gewerbeimmobilien.