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Resilienz  2

Gesundheit-News: Resilienz - Was Pflegekräfte brauchen, um gesund zu bleiben

2. Mai 2021

(ams). Pflegenotstand und Corona-Pandemie: Viele Pflegefachkräfte fühlen sich erschöpft und denken ans Aufhören. Höchste Zeit für die professionell Pflegenden, sich selbst zu pflegen. Doch wie können sie der Stressfalle entkommen? Was hilft ihnen, trotz widriger Umstände gesund zu bleiben und Kraft zu tanken? Pflegekräfte, aber auch deren Vorgesetzte und die Arbeitgeber sollten sich auf die Suche nach Ressourcen machen.

Pflegefachkräfte arbeiten schon seit vielen Jahren an der Belastungsgrenze, seit der Corona-Pandemie häufig darüber. Die Zeit für den einzelnen Patienten wird immer weniger, da dieser oft schwerer erkrankt, Arbeitsabläufe werden immer wieder verdichtet, Stationen zu Intensivstationen umgewandelt. Hinzu kommt der Stress mit Hygienevorschriften, eventuell das anstrengende Arbeiten in Schutzausrüstung. "Auch die Angst, sich anzustecken, und die Sorge um die Gesundheit der eigenen Familie war in den ersten beiden Wellen der Pandemie zusätzlich ein beständiger Stressfaktor", sagt Birgit Lesch, Diplom-Psychologin bei der AOK.

Inzwischen sind viele der Pflegekräfte geimpft, sodass zumindest diese Angst langsam weniger wird. An ausreichend Erholungsphasen fehlt es in der Freizeit aber immer noch, weil Sport- und Fitnesskurse und andere Hobbys in der Gruppe sowie wohltuende Treffen mit Freunden und Familie wegfallen.

Aus dem Gleichgewicht geraten

Wenn Belastungsfaktoren auf der einen Seite, nachfolgend Stressoren genannt, und Schutzfaktoren auf der anderen Seite, die man als Ressourcen bezeichnet, sich nicht mehr die Waage halten, kann eine chronische Überlastung entstehen. "Dann ist das Verhältnis von Anspannung und Entspannung, von Arbeit und Erholung aus dem Gleichgewicht geraten und das Erregungsniveau dauerhaft zu hoch", erklärt Psychologin Lesch. Unter Dauerstress fühlt man sich irgendwann erschöpft und hilflos, eventuell sogar depressiv, Ängste steigen hoch, "alles nicht mehr zu schaffen", psychosomatische Symptome tauchen auf. Es droht ein Burnout.

Studien bestätigen es: Durch die Corona-Pandemie fällt für die beruflich Pflegenden mehr Arbeit an als sonst - sogar so viel, dass Patienten und Pflegebedürftige teilweise nicht mehr adäquat versorgt werden können. Das berichteten 88 Prozent der 1.000 befragten Pflegekräfte in einer aktuellen Untersuchung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Jede sechste Pflegekraft hat sogar keine Motivation mehr für den Job. Personalmangel, Schichtarbeit, dementiell erkrankte Patienten, Umgang mit Sterben und Tod - schon vor der Corona-Krise waren Pflegefachkräfte nicht nur körperlich, sondern auch psychisch stärker belastet als andere Berufsgruppen. In früheren Befragungen zeigte sich bereits, dass sich das Pflegepersonal fast doppelt so häufig wie andere Erwerbstätige überfordert fühlt und vermehrt unter psychosomatischen Beschwerden leidet, wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin berichtet.

Warnsignale beachten

Vor jeder Stressbewältigung gilt es zunächst, die eigenen Belastungsgrenzen zu erkennen. "Häufig funktionieren die Menschen in ihrem Job immer weiter und übergehen die Symptome lange Zeit", sagt Lesch. "Doch es ist wichtig, Anzeichen der Überlastung nicht zu ignorieren, sonst drohen körperliche und psychische Erkrankungen." Symptome von Überforderung können sein:

auf gedanklicher Ebene: Konzentrationsmangel, Denkblockaden, Gedankenkreisen.

auf emotionaler Ebene: Angst, Nervosität, Gereiztheit, Panik, depressive Gefühle.

auf vegetativer Ebene: Schweißausbrüche, trockener Mund, beschleunigte Atmung, Herzklopfen, Übelkeit.

auf körperlicher Ebene: Schlafstörungen, Druck in der Magengegend, häufige Rücken- oder Kopfschmerzen, Bluthochdruck sowie andere psychosomatische Symptome.

Diese Reaktionen sind Warnsignale und fordern dazu auf, innezuhalten und etwas für sich zu tun, eventuell auch Grenzen zu ziehen und sich professionelle Hilfe zu holen.

Stressoren dingfest machen

Was ist es eigentlich genau, was mich so stresst? Ist es das Arbeitstempo, der Schichtdienst? Oder vielleicht mehr ein Konflikt mit einem Kollegen oder einer Vorgesetzten? Sind es die hierarchischen Strukturen in der Einrichtung, schwierige Patienten oder Angehörige? Bekomme ich zu wenig Anerkennung, gibt es zu wenig Pausen? Oder leide ich vor allem unter der Doppelbelastung von Familie und Beruf? Wenn die persönlichen Stressoren dingfest gemacht sind, können die Betroffenen zusammen mit den Beteiligten - zum Beispiel der Stationsleitung, dem Team, dem Partner, den eigenen Kindern - nach Lösungen suchen. Es geht darum, Kontrolle über die eigene Situation zurückzugewinnen. Bestimmte Rahmenbedingungen sind nicht veränderbar, aber es gilt nach den Faktoren zu suchen, die man zur eigenen Entlastung beeinflussen kann.

Auch die Bewertung von Belastungsfaktoren spielt eine Rolle: "Bestimmte Denkfallen können zu vermehrtem Stress führen, wie negative Einstellungen und Pessimismus, Übertreibung, Verallgemeinerung oder Katastrophendenken", sagt Psychologin Lesch. Ein Beispiel: Wenn die Oberärztin eine Pflegekraft morgens nicht grüßt, lässt das verschiedene Interpretationen zu, so die AOK-Expertin: "Wenn ich davon ausgehe, dass sie selbst überfordert ist oder Sorgen hat, belastet mich das weniger, als wenn ich denke, dass sie nichts von mir hält oder ein schlechter Mensch ist." Besonders belastend wäre eine Verallgemeinerung, in dem Sinne, dass mich in dem Haus sowieso keiner grüßt und ich nicht gemocht werde. Es geht also darum, die eigene Betrachtungsweise zu hinterfragen und dann entsprechend zu handeln, beispielsweise die Oberärztin zu fragen, wie es ihr geht.

Ressourcen entdecken

Wie können Pflegekräfte ihre Resilienz, also ihre psychische Widerstandskraft, bewusst stärken? Das fängt bei den Grundbedürfnissen an: Mache ich ausreichend Pausen? Ernähre ich mich gesund und nehme ich mir Zeit fürs Essen? Bewege ich mich ausreichend, bin ich möglichst jeden Tag an der frischen Luft? Schlafe ich genug, fühle ich mich ausgeschlafen? "Es ist wichtig, sich trotz aller Belastungen bewusst Zeit zu nehmen, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, um nicht in die Stressfalle zu geraten", so die AOK-Psychologin.

Auch der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, in der Familie, mit Freundinnen und Freunden hat einen hohen Stellenwert, um chronischer Überlastung vorzubeugen. "Vor allem ein starker Zusammenhalt im Team kann Pflegekräften gut dabei helfen, extremen Belastungen standzuhalten." In Corona-Zeiten müssen dann manchmal das Telefon, ein Video-Call oder soziale Medien reichen, um mit dem persönlichen Umfeld in Kontakt zu bleiben. Mit einem gemeinsamen Spaziergang lassen sich Bewegung an der frischen Luft und Pflege der Freundschaft verbinden.

In einer Krise hilft es, sich darauf zu besinnen, was einem schon in früheren Krisen geholfen hat. Waren es vielleicht die täglichen Yoga- oder Atemübungen, Zeiten des Alleinseins, das Spielen mit den Kindern, Gartenarbeit, die Ratschläge einer Freundin? "Es ist empfehlenswert, hilfreiche Routinen aufrechtzuerhalten sowie neue zu entdecken und auszubauen", so Lesch. Ungesunde Strategien, wie der tägliche Griff zum Bierglas oder Zigarette, das abendliche Abhängen vor dem Bildschirm sollte man allerdings meiden - auch wenn sie kurzfristig Erleichterung bringen.

"Zudem können Entspannungs- und Stressbewältigungskurse, Weiterbildungen, Beratung, Supervision oder auch eine Psychotherapie sehr hilfreich dabei sein, resilienter zu werden", sagt Psychologin Lesch. "Denn Belastbarkeit ist nicht nur angeboren, sondern wir können es lernen, schwierige Lebensumstände besser zu überstehen."


Text: AOK Bundesverband