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Wido 17

Gesundheit-News: Neue Website macht Unterschiede bei den Krankheitshäufigkeiten für 96 Regionen Deutschlands transparent

17. Februar 2021

WIdO-Auswertung zeigt: Erkrankungsraten hängen stark von Alter, Geschlecht und Wohnort ab

Berlin. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat auf der interaktiven Website www.krankheitslage-deutschland.de Informationen zur Verbreitung von 18 bedeutenden Krankheiten für Deutschland veröffentlicht. Differenziert nach 96 Raumordnungsregionen wird hier dargestellt, welche Region wie stark betroffen ist.

Zudem sind die epidemiologischen Kennzahlen für verschiedene Alters- und Geschlechtsgruppen abrufbar. Die dargestellten Ergebnisse wurden für das Innovationsfonds-Projekt „BURDEN 2020“ ermittelt, das vom WIdO gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut und dem Umweltbundesamt durchgeführt wird.

Die Ergebnisse der WIdO-Auswertungen und weitere Daten – etwa aus Befragungsstudien oder der Todesursachenstatistik – fließen in das Rechenwerk für eine deutschlandweite Berechnung zur Krankheitslast ein, die in Anlehnung an die internationale „Global-Burden-of-Disease“-Studie im Laufe dieses Jahres noch differenziertere Ergebnisse für Deutschland bereitstellen wird. „Die regionalen Kennzahlen können Landräten und Bürgermeistern helfen, ihre regionale Situation einzuordnen und Ansätze zu entwickeln, um die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Zu den 18 Erkrankungen, deren Ergebnisse auf der neuen Website abrufbar sind, gehören kardiovaskuläre Erkrankungen, psychische Erkrankungen, Krebserkrankungen, Diabetes Typ 1 und Typ 2, Demenz und Atemwegserkrankungen. Die epidemiologischen Kennzahlen basieren auf Krankenkassen-Routinedaten und repräsentieren somit dokumentierte Behandlungshäufigkeiten.

Neben der Betroffenheit spezifischer Bevölkerungsgruppen nach Alter, Geschlecht und Region sind hier für zahlreiche Krankheiten auch Schweregrade und das Ausmaß von Folgeerkrankungen dargestellt, die in die Krankheitslastberechnungen des Projekts „BURDEN 2020“ einfließen werden. Beispielsweise wurde für Diabetes die Häufigkeit der Folgezustände Neuropathie, Sehbeeinträchtigungen oder Amputationen ermittelt. Die Auswertungen zeigen, dass im für das BURDEN-2020-Projekt ausgewählten Berichtsjahr 2017 etwa 7,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner von Depressionen betroffen waren (9,0 Prozent), 7,1 Millionen (8,6 Prozent) von Diabetes mellitus Typ 2 und etwa 4,9 Millionen (5,9 Prozent) von der koronaren Herzkrankheit.

Systematische Erfassung der Krankheitslage in Deutschland: Zusammenhang mit Alter und Geschlecht

Deutlich wird, dass für die meisten der betrachteten Erkrankungen gilt: Je älter die Menschen werden, desto höher ist auch deren Erkrankungsrisiko. Steigt die Krankheitshäufigkeit für die meisten Erkrankungen zunächst mit dem Alter moderat an, beschleunigt sich diese Entwicklung ab etwa 65 Jahren deutlich. Dieser Effekt zeigt sich bei einem zusammengefassten Betroffenheitsindex über 16 Erkrankungen.

Dieses Muster lässt sich auch für einzelne Erkrankungen nachvollziehen: So liegt die Erkrankungshäufigkeit bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) zwischen 45 und 59 Jahren noch bei 3,1 Prozent und steigt kontinuierlich auf mehr als 34,2 Prozent bei Personen ab 85 Jahren an. Bei den Männern liegt der Anteil in dieser Altersgruppe sogar bei 43,2 Prozent, bei den Frauen bei 30,1 Prozent. Die koronare Herzkrankheit, eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, die letztlich zu Herzinsuffizienz oder zum Herzinfarkt führen kann, betrifft Männer mit 6,9 Prozent häufiger als Frauen mit 5,0 Prozent. Die Herzinfarktrate liegt mit 305 Fällen je 100.000 Personenjahre bei den Männern sogar mehr als doppelt so hoch wie bei den Frauen (147 Fälle je 100.000 Personenjahre). Dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern mit einer größeren Betroffenheit bei Männern zeigt sich bei allen kardiovaskulären Krankheiten. Bei Frauen werden dagegen häufiger psychische Erkrankungen diagnostiziert. In der Zusammenfassung der 18 betrachteten Erkrankungen zeigt sich bei Männern ein höheres Erkrankungsrisiko.

Regionale Unterschiede

Darüber hinaus gibt es deutliche regionale Unterschiede: Während in Hamburg lediglich 4,9 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner an einer koronaren Herzkrankheit leiden, ist der Anteil in Sachsen-Anhalt mit 10,2 Prozent mehr als doppelt so hoch. Grundsätzlich ist die Betroffenheit von dieser chronischen Herzkrankheit in den östlichen Bundesländern, abgesehen von Berlin, besonders hoch. Aber auch das Saarland und Nordrhein-Westfalen weisen hohe Krankheitshäufigkeiten auf. Geringe Werte werden außer in Hamburg vor allem in Baden-Württemberg, Berlin und Bayern verzeichnet. Unter den 96 Raumordnungsregionen hat die Region München den Spitzenplatz mit nur 4,0 Prozent inne.

Die regionalen Unterschiede der Krankheitshäufigkeiten sind auch durch demographische Faktoren erklärbar. Sie haben ihre Ursache in unterschiedlichen Alters- und Geschlechtsstrukturen der regionalen Bevölkerung“ so Helmut Schröder aus der WIdO-Geschäftsführung. Zudem hänge das Auftreten von Erkrankungen auch mit krankheitsspezifischen Risikofaktoren zusammen. So sei Lungenkrebs bei Männern um mehr als 60 Prozent häufiger als bei Frauen. „Das ist angesichts eines höheren Raucheranteils unter Männern keine Überraschung“, so Schröder. Aber auch Lebensstilfaktoren wie eine ausgewogene Ernährung, ausreichend körperliche Bewegung und das Vermeiden bzw. der Abbau von Übergewicht gelten als Schutzfaktoren für zahlreiche der betrachteten Erkrankungen und können zu regionalen Unterschieden der Krankheitshäufigkeiten führen.

Das neue WIdO-Angebot soll einen Beitrag für ein umfassendes Bild der gesundheitlichen Situation in Deutschland, die Gestaltung einer zielgerichteten Gesundheitspolitik sowie die Planung von Versorgungs- und Präventionsangeboten leisten. „Die Analyse zur Krankheitslage in Deutschland kann vor Ort helfen, Handlungsansätze zu identifizieren, die der Verbesserung der Gesundheitssituation und damit auch der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger dienen“, betont Helmut Schröder. Gleichzeitig biete das WIdO mit der Publikationsreihe „Gesundheitsatlas“ zu einzelnen Indikationen wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 2 oder Asthma bronchiale nicht nur Informationen zur Verbreitung in der Bevölkerung Deutschlands bis auf Kreisebene, sondern auch eine Einordnung zu Ursachen, Folgen und Präventionsmöglichkeiten.

Zum Hintergrund

Das Wissenschaftliche Institut der AOK will zusammen mit dem Robert Koch-Institut und dem Umweltbundesamt im Forschungsprojekt BURDEN 2020 Transparenz zu ausgewählten Krankheiten unter allen Einwohnern in den Regionen Deutschlands schaffen. Das Projekt „BURDEN 2020 – Die Krankheitslast in Deutschland und seinen Regionen“ wird durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert (Förderkennzeichen: 01VSF17007). Für die Bestimmung der Erkrankungshäufigkeiten wurde ein Hochrechnungsverfahren verwendet, das vom WIdO in Zusammenarbeit mit der Universität Trier entwickelt wurde. Es erlaubt auf Basis der Krankenkassenroutinedaten der AOK-Versicherten zuverlässige Aussagen zu Krankheitshäufigkeiten in der Gesamtbevölkerung bis auf die lokale Ebene. Unterschiede zwischen den AOK-Versicherten und der Gesamtbevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Krankheitshäufigkeit werden dabei durch ein statistisches Verfahren herausgerechnet.

Die absoluten Werte beziehen sich jeweils auf die mittlere Bevölkerungszahl des Jahres 2017. Die Ergebnisse des WIdO und weitere Daten aus Befragungsstudien oder aus der Todesursachenstatistik werden in das Rechenwerk der deutschlandweiten Krankheitslastberechnung einfließen, die in Anlehnung an die internationale „Global-Burden-of-Disease“-Studie noch differenzierte Ergebnisse für Deutschland bereitstellen wird. „Es bleibt abzuwarten, ob die Krankheitslastberechnung nach Abschluss der Projektphase im Jahre 2021 verstetigt wird. Die Ergebnisse könnten zum Beispiel im Falle zukünftiger Pandemien dabei helfen, die gesundheitlichen Auswirkungen und die zu erwartenden Beeinträchtigungen für die Bevölkerung in Deutschland frühzeitig mit einem empirischen Instrumentarium zu beurteilen“, so Schröder.


Text / Foto: Wissenschaftliches Institut der AOK - WIdO