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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mi., 30. September 2020

  1. Kritik am Entwurf der Restschuldbefreiung
  2. Etat 2021: Zwölf Milliarden Euro für Giffeys Etat
  3. Stand der Visa-Digitalisierung in Westbalkanländern
  4. Syrische Weißhelme werden weiter gefördert
  5. Möglicher Embargoverstoß im Mittelmeer
  6. Ermittlungen zu mutmaßlichem Chemiewaffeneinsatz in Syrien


01. Kritik am Entwurf der Restschuldbefreiung

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Kritik am Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens (19/21981) äußerten die Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. Zwar wurde die geplante Verkürzung des Verfahrens von sechs auf drei Jahre für alle natürlichen Personen sowie die zügige Umsetzung zum 1. Oktober 2020 begrüßt, abgelehnt wurde jedoch vor allem die im Regierungsentwurf vorgesehene unterschiedliche Behandlung von Privatpersonen und Unternehmern sowie die lange Speicherung von Insolvenzdaten bei Auskunfteien. Die meisten der geladenen Rechtswissenschaftler und Praktiker bedauerten, dass der Regierungsentwurf an diesen maßgeblichen Stellen deutlich vom Referentenentwurf abweiche.

Marion Kemper verwies in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) darauf, dass namhafte Richter, Rechtswissenschaftler, Insolvenzverwalter und Schuldnerberater ihre Kritik am Regierungsentwurf bereits prägnant in einem Aufruf formuliert hätten. Dieser Kritik schließe sich die Arbeitsgemeinschaft an und fordere, die Bedenken der Fachpraktiker im weiteren parlamentarischen Verfahren zu berücksichtigen. Insbesondere wende sich die Arbeitsgemeinschaft gegen alle geplanten Vorschriften im Entwurf, die nicht den wirtschaftlichen Neuanfang der überschuldeten Menschen im Fokus haben. Kemper wandte sich explizit gegen das dem Regierungsentwurf zugrunde liegende Schuldnerbild. Er sei von einem Missbrauchsgedanken durchzogen.

Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), kritisierte, dass der Regierungsentwurf keine Möglichkeit für eine schnelle Wiederaufnahme beziehungsweise Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit biete. Damit werde die Chance vertan, den durch die Corona-Krise besonders getroffenen Freiberuflern, Einzelkaufleuten und Solo-Selbständigen einen Neustart unter einer gesicherten Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit zu ermöglichen. Für bedenklich hält Niering wie die anderen Experten auch die Differenzierung zwischen unternehmerischen und nicht unternehmerisch tätigen Schuldnern.

Deutliche Nachbesserungen am Entwurf forderte Martin Ahrens von der Georg-August-Universität Göttingen. Als Konsequenz der im Regierungsentwurf vorgesehenen Regelung, wonach die für nicht selbständig wirtschaftlich tätige Schuldner auf drei Jahre verkürzte Verfahrensdauer anders als im Referentenentwurf nur bis 2025 gelten solle, werde eine gespaltene Rechtslage eintreten, erklärte Ahrens. Diese Differenzierung führe zu unterschiedlichen Abtretungsfristen zwischen Unternehmern und nicht unternehmerisch tätigen Personen. Dies schaffe nicht nur eine unnötige Komplexität, sondern auch erhebliche systematische und praktische Probleme.

Gerhard Pape, Richter am Bundesgerichtshof a.D., sagte, gleichgelagerte Sachverhalte dürften ab 2025 nicht unterschiedlich behandelt werden, indem für Verbraucher die Rückkehr zu einer sechsjährigen Entschuldungsfrist vorgesehen sei, während Selbstständige und ehemals selbstständige Schuldner ihre Entschuldung binnen drei Jahren erreichten.

Hugo Grote von der Hochschule Koblenz erklärte in seiner Stellungnahme, der Regierungsentwurf bedürfe dringend der Überarbeitung, wobei im Referentenentwurf bereits zahlreiche interessengerechte Lösungen vorhanden seien, auf die zurückgegriffen werden könne. Wie Ahrens sprach sich Grote dafür aus, die im Referentenentwurf vorgesehene Verkürzung der Speicherfrist von Insolvenzdaten nach der Restschuldbefreiung auf ein Jahr wieder in das Gesetz aufzunehmen. Dies sei interessengerecht und fördere den wirtschaftlichen Restart von Unternehmern und Verbrauchern.

Hans-Ulrich Heyer, Richter am Amtsgericht Oldenburg, schloss sich der Kritik an. Die Restschuldbefreiung sei die notwendige Restrukturierungsmöglichkeit für alle natürlichen Personen, ob sie wirtschaftlich selbständig tätig seien oder nicht. Dem nachhaltigen Erfolg einer Entschuldung und einem damit bezweckten wirtschaftlichen Neustart laufe eine überlange Speicherung von Insolvenzdaten zuwider.

Das sah auch Hans Haarmeyer, emeritierter Professor aus Bonn, so. Im Vergleich zwischen dem Referenten- und dem Regierungsentwurf sei festzustellen, erklärte Haarmeyer, dass einzig die sofortige Verkürzung des Verfahrens auf drei Jahre positiv bewertet werden könne. Alle weiteren Änderungen seien entweder sinnfrei oder kontraproduktiv und entsprächen keinesfalls der Intention der EU-Richtlinie. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, aus dem Regierungsentwurf lediglich die sofortige Umsetzung zu übernehmen und es ansonsten bei den allseits begrüßten Regelungen des Referentenentwurfs zu belassen.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Cristina Weidner schlug vor, Unternehmer und Verbraucher zusammenzufassen. Eine unterschiedliche Behandlung erscheine vor dem Hintergrund einer sozialen Ungleichbehandlung verschiedener Privatpersonen und damit einhergehenden Gefährdung der gesellschaftlichen Akzeptanz des Gesetzes nicht geboten. Die Expertin für Restrukturierungs- und Insolvenzrecht erklärte, die Erfahrung der vergangenen Jahre zeige, dass die Dauer der Restschuldbefreiung nicht proportional mit steigenden Einnahmen zu verbinden sei. Im Gegenteil führe eine lange Verfahrensdauer meist nur zu einem erhöhten Aufwand für alle Beteiligten, während aus Sicht der Schuldner faktisch und mangels bestehender Anreize die Rückkehr in das normalisierte Wirtschaftsleben erschwert werde.

Hintergrund des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist die EU-Richtlinie 2019/1023 zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren. Auf der Tagesordnung der Anhörung stand auch ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur insolvenzrechtlichen Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (19/18681). Der darin enthaltene Vorschlag einer virtuellen Gläubigerversammlung sei eine gute Sache, sagte der Oldenburger Richter Heyer.



02. Etat 2021: Zwölf Milliarden Euro für Giffeys Etat

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AW) Der Entwurf der Bundesregierung für den Bundeshaushalt 2021 sieht Ausgaben in Höhe von 12,24 Milliarden Euro für den Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (19/22600, Einzelplan 17) vor. Damit stünden Familienministerin Franziska Giffey (SPD) 1,39 Milliarden Euro weniger zur Verfügung als im laufenden Haushaltsjahr. Die hohe Diskrepanz erklärt sich aus der Aufstockung ihres Etats in diesem Jahr im Zuge der Corona-Pandemie. So hatte der Bundestag die Ausgaben des Familienressorts mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2020 von 12,26 auf 13,63 Milliarden Euro erhöht. Somit bleibt der Mittelansatz für 2021 auf dem weitgehend gleichen Niveau gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsentwurf für das laufende Jahr.

Fast 80 Prozent der Ausgaben aus Giffeys Etat plant die Bundesregierung für die gesetzlichen Leistungen für Familien ein, allen 7,34 Milliarden Euro entfallen dabei auf das Elterngeld. Weitere 1,19 Milliarden Euro sind für das Kindergeld und den Kinderzuschlag und 875 Millionen Euro für Unterhaltsvorschusszahlungen vorgesehen.

Für den Bereich der Kinder- und Jugendpolitik rechnet der Bund mit Ausgaben von 1,72 Milliarden Euro. Davon sollen jeweils 500 Millionen Euro in das Sondervermögen "Kinderbetreuungsausbau" und das Sondervermögen "Ausbau ganztägiger Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter" fließen. Weitere 247 Millionen sind für die Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung eingeplant.

Für den Bereich "Stärkung der Zivilgesellschaft, Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik" sieht der Etatentwurf Ausgaben von 500 Millionen Euro vor. Davon sollen 121 Millionen Euro auf die Freiwilligendienste und weitere 207 Millionen Euro für den Bundesfreiwilligendienst entfallen.



03. Stand der Visa-Digitalisierung in Westbalkanländern

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Über den Stand der Visa-Digitalisierung in den deutschen Visastellen in den Westbalkanländern gibt die Bundesregierung Auskunft in der Antwort (1/22365) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/21942). Demnach ist die Terminvergabe in den Visastellen in Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien und im Kosovo vollständig digitalisiert, während die Bearbeitung der Schengen- und nationalen Visumanträge nicht vollständig, aber weitgehend digital erfolge. Bei nationalen Visumanträgen würden Unterlagen, die von beteiligten Behörden, insbesondere den Ausländerbehörden, benötigt werden, derzeit noch überwiegend auf dem Postweg versandt.



04. Syrische Weißhelme werden weiter gefördert

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung hat sich für eine Fortsetzung der Förderung der syrischen Weißhelme über die niederländische Organisation Mayday Rescue entschieden. Wie sie in der Antwort (19/22574) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/21636) einräumt, hätten die Verwendungsnachweise für die Projektförderung in den Haushaltsjahren 2018 und 2019 Mängel aufgewiesen, "die Mayday Rescue dahingehend behoben hat, dass belastbare Verwendungsnachweisprüfungen vorgenommen werden können".

Die Bundesregierung habe sich nach sorgfältiger Abwägung ihrer Erfahrungen aus der bisherigen Zusammenarbeit mit Mayday Rescue und seiner signifikanten Professionalisierung sowie im Einklang mit den Leitlinien 'Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern' zugunsten der oft lebensrettenden Zivilschutzmaßnahmen der syrischen Weißhelme für eine weitere Förderung von Mayday Rescue bis Ende 2019 entschieden. Insbesondere im Kontext des Konflikts in Syrien seien nur wenige Nichtregierungsorganisationen bereit, Projekte in umkämpften Gebieten durchzuführen.



05. Möglicher Embargoverstoß im Mittelmeer

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Um einen Vorfall im Mittelmeer im Juni dieses Jahres, bei dem das Frachtschiff "Cirkin" von französischen sowie von französischen und griechischen Kräften im Rahmen der EU-Marinemission IRINI beziehungsweise der Nato-Mission SEA GUARDIAN kontrolliert werden sollte, geht es in der Antwort (19/22129) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/21369). Demnach wollte das im Rahmen von EUNAVFOR MED IRINI eingesetzte griechische Kriegsschiff HS Spetsai die unter der Flagge Tansanias fahrende MV Cirkin überprüfen. Die MV Cirkin sei auf dem Weg in Richtung Libyen gewesen und von mindestens zwei türkischen Kriegsschiffen eskortiert worden. Die Überprüfung sollte im Rahmen der Umsetzung des VN-Waffenembargos auf hoher See vor der Küste Libyens erfolgen. Wie die Bundesregierung weiter schreibt, antwortete die MV Cirkin nicht auf Versuche der Verbindungsaufnahme. Stattdessen habe ein türkisches Kriegsschiff per Funk gemeldet, die MV Cirkin befinde sich "unter der Kontrolle und in Obhut der Türkei". In einem weiteren Funkspruch habe ein türkisches Kriegsschiff mitgeteilt, dass die MV Cirkin von der Türkei gechartert sei und medizinische Güter für von der Türkei in Libyen errichtete Krankenhäuser geladen habe.



06. Ermittlungen zu mutmaßlichem Chemiewaffeneinsatz in Syrien

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Mit Blick auf die Verifikation eines mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatzes am 7. April 2018 im syrischen Duma verweist die Bundesregierung auf den Bericht der Fact Finding Mission (FFM) der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW). Wie sie in der Antwort (19/22008) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/21126) schreibt, wurden die im Rahmen der Fact Finding Mission gesammelten und in ihrem Bericht erwähnten Proben durch die OVCW direkt und in einem unabhängigen Verfahren anonymisiert einem oder mehreren der weltweit insgesamt etwa 40 OVCW-designierten Referenzlabore zugewiesen. Zu den designierten Referenzlaboren zählten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg) das Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien - ABC-Schutz in Munster und das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München. Die OVCW und die Referenzlabore hätten sich zum Schutz vertraulicher Informationen verpflichtet. "So unterliegt die Frage, welche Referenzlabore in welchem Maße an der Auswertung der Proben der Fact Finding Mission beteiligt waren, der Vertraulichkeit."