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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Fr., 18. September 2020

  1. Bundesanwalt schildert Aufarbeitung de Amri-Defizits
  2. Telekom wegen Pkw-Maut verärgert
  3. Grüne für Nothilfe nach Brand in Moria
  4. AfD fordert Kurskorrektur bei Gleichstellung
  5. Beanstandung bei Tiertransporten
  6. Übertragung des MAP-Virus auf Menschen


01. Bundesanwalt schildert Aufarbeitung de Amri-Defizits

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Ein Vertreter der Bundesanwaltschaft hat dem 1. Untersuchungsausschuss die Konsequenzen dargestellt, die seine Behörde aus dem nicht verhinderten islamistischen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Dezember 2016 gezogen hat. Die zwischen Februar und Mai 2017 gefassten Beschlüsse seien "die schnellsten und effektivsten Strukturmaßnahmen in der Justiz" gewesen, "die ich in meiner Dienstzeit bundesweit erlebt habe", sagte der Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Thomas Beck am Donnerstag. Der heute 64-jährige Zeuge leitet seit Anfang 2014 die Abteilung Terrorismus in der Bundesanwaltschaft und ist seit Mitte 2018 Ständiger Vertreter des Generalbundesanwalts.

Nach den Worten des Zeugen war die Kernfrage, die sich nach dem Anschlag der Justiz stellte, wie es hätte gelingen können, den Attentäter Anis Amri rechtzeitig zu stoppen. Beck meinte, dies sei unter anderem deshalb gescheitert, weil versäumt worden sei, die gegen Amri in verschiedenen Bundesländern anhängigen Ermittlungen wegen diverser kleinerer Delikte in einer Hand zu vereinen und mit dem Gewicht eines gebündelten Verfahrens gegebenenfalls einen Haftbefehl zu erwirken. Unterblieben sei dies, weil niemand die verfügbaren Informationen zielgerichtet zusammengeführt habe. Dies sei ein struktureller Mangel gewesen; Beck sprach vom "Amri-Defizit" der Justiz.

Am 3. März 2017 hätten Vertreter des Gereralbundesanwalts und der Generalstaatsanwaltschaften der Länder in einer Sondersitzung der "AG Extremismus" erstmals über Möglichkeiten der Abhilfe beraten. Dabei habe sich unter anderen herausgestellt, dass abgesehen von Berlin keine Generalstaatswaltschaft über die Zahl der in ihrem jeweiligen Bundesland ansässigen islamistischen Gefährder im Bilde gewesen sei. Es habe an Informationsaustausch und steter Kooperation zwischen der Justiz und den Landeskriminalämtern gefehlt. Bei dem Sondertreffen in Karlsruhe habe Konsens über die Notwendigkeit bestanden, bei den Landesjustizbehörden eigene Staatsschutzzentren einzurichten, die untereinander und mit dem Generalbundesanwalt in ständigem Kontakt stünden.

Ein entsprechender Entwurf sei bei einem regulären Treffen der "AG Extremismus" am 10. und 11. April 2017 zustande gekommen und schließlich am 23. Mai 2017 mit den "Weimarer Beschlüssen" des Generalbundesanwalts und der Generalstaatsanwaltschaften verabschiedet worden. Damit sei erstmals in der Bundesrepublik ein "justizielles Gefährdermanagement" etabliert worden, dessen Funktionsweise der Zeuge als "Dreiklang" umschrieb.

Zum einen sei seither in jedem Einzelfall der Anfangsverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat zu prüfen. Zum anderen würden in Fällen, in denen ein solcher Verdacht sich nicht auf Anhieb erhärten lasse, Ermittlungen wegen geringfügigerer Delikte bei einer Generalstaatsanwaltschaft gebündelt, um gegen Verdächtige mit mehr Durchschlagskraft vorgehen zu können. Drittens unterlägen Gefährder auch nach einer Haftentlassung einer schärferen Aufsicht, bis hin zu der Verpflichtung, Fußfesseln zu tragen.

"Das neue System wird gelebt", sagte Beck. In den Jahren 2018 und 2019 hätten in Karlsruhe bereits zwei Staatsschutzkonferenzen stattgefunden; die für dieses Jahr geplante sei coronabedingt ausgefallen. Was bleibe, sei der "fatale Befund", dass das Berliner Landeskriminalamt am 21. September 2016 die Überwachung Amris eingestellt habe, weil sich der Terrorverdacht gegen ihn zunächst nicht erhärtet habe. Nur drei Tage später habe er einem Schweizer das ATC-Smartphone gestohlen, mit dem er seither seine Kommunikation abwickelte, und das nach dem Anschlag im Kühlerrost des Tatfahrzeugs entdeckt wurde. Daraus folge, dass, auch wenn "repressive Instrumente nicht greifen", dennoch weiterhin "präventiv-polizeiliche und nachrichtendienstliche Maßnahmen" wirken müssten: "Es darf kein Erkalten eines Gefährders geben."



02. Telekom wegen Pkw-Maut verärgert

2. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/CHB) Vertreter des Telekom-Konzerns haben vor dem 2. Untersuchungsausschuss ("Pkw-Maut") das Vergabeverfahren für die Erhebung der Pkw-Maut kritisiert. "Wir haben im Vorstand sehr verärgert über die Situation diskutiert", sagte Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG, am Donnerstag vor dem 2. Untersuchungsausschuss ("Pkw-Maut"). Auch Thomas Pferr, bei der Telekom-Tochter T-Systems für die Einheit Maut zuständig, sprach von einer "Riesenenttäuschung" und kritisierte, dass das Bundesverkehrsministerium die Bedingungen im Laufe der Ausschreibung "offensichtlich geändert" habe.

Sowohl Höttges als auch Pferr schilderten den Ausschussmitgliedern detailliert den Ablauf des Vergabeverfahrens. Demnach hatte sich T-Systems gemeinsam mit der Firma Ages um die Erhebung der Pkw-Maut beworben. Am 7. August 2018 entschied der Telekom-Vorstand jedoch, T-Systems solle kein finales Angebot für die Erhebung der Pkw-Maut abgeben.

Telekom-Chef Höttges nannte als Hauptgrund dafür "die extrem hohe Aufbaukostenstruktur". Diese Aufbaukosten bezifferte Höttges auf 250 Millionen Euro, wovon ein erheblicher Teil auf das Porto für Briefe an die rund 40 Millionen Fahrzeughalter in Deutschland entfallen wäre. Demgegenüber wollte der Bund ursprünglich nur 50 Millionen Euro für diese vorbereitenden Aufgaben zur Verfügung stellen. Höttges berichtete von "lebhaften Diskussionen im Vorstand, ob es dem Geschäftszweck der Deutschen Telekom entspricht, Briefmarken zu kaufen". Ohnehin sei er nicht überzeugt gewesen, dass die Pkw-Maut zum strategischen Ziel des Konzerns gepasst habe, digitale Plattformen zu schaffen.

Eine Rolle für die Entscheidung, kein finales Angebot abzugeben, spielten laut Höttges auch die hohen Kalkulations- und Haftungsrisiken der Pkw-Maut. Zudem verwies der Konzernchef darauf, dass die Deutsche Telekom 2018 viel Geld in den Ausbau der Netze investierte und sich außerdem bemühte, die für die Lkw-Maut zuständige Toll Collect GmbH zu übernehmen. Letzteres gelang dann nicht, weil sich der Bund entschied, Toll Collect dauerhaft im Eigentum zu behalten.

Am 13. August 2018 informierte Höttges nach eigenen Angaben Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer telefonisch darüber, dass sich T-Systems aus dem Verfahren zurückziehe. Dies sei "aus Höflichkeit" gegenüber dem größten Aktionär der Telekom geschehen. Das Gespräch habe nach seiner Erinnerung etwa fünf bis zehn Minuten gedauert. Weitere Gespräche zwischen ihm und dem Minister über die Pkw-Maut habe es nicht gegeben.

Für Verärgerung bei der Deutschen Telekom sorgte dann ein Zeitungsartikel im Januar 2019, demzufolge die Ausschreibungsbedingungen für den letzten verbliebenen Bieter, das Konsortium CTS Eventim/Kapsch TrafficCom, geändert worden seien. So kam der Bund dem Konsortium bei den Portokosten entgegen. Vor allem aber erhielt es die Möglichkeit, die Lkw-Maut-Zahlstellen von Toll Collect zu nutzen. Nach genau dieser Möglichkeit hatte sich T-Systems - damals noch am Bieterverfahren beteiligt - im Sommer 2018 erkundigt. Auf der allen vier Bieterkonsortien zugänglichen Plattform war diese Möglichkeit nach Angaben von T-Systems-Vertreter Pferr "explizit" ausgeschlossen worden.

Nachdem der Telekom-Vorstand Anfang 2019 von den Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen erfahren habe, habe er darüber diskutiert, ob er eine Klage einreichen oder Schadenersatz fordern solle, berichtete Höttges weiter. Das Gremium habe sich jedoch dagegen entschieden und lediglich einen Brief an das Verkehrsministerium mit der Bitte um Aufklärung geschickt, verbunden mit der Ankündigung, der Konzern behalte sich rechtliche Schritte vor.

Das Ministerium antwortete auf diesen Brief laut Pferr mit der Aussage, Verhandlungen, wie sie mit dem letzten Konsortium geführt worden seien, seien ganz normal. Es seien auch keine Leistungen verändert worden, weshalb es keine Veranlassung gegeben habe, die zuvor ausgeschiedenen Bieter zu informieren.



03. Grüne für Nothilfe nach Brand in Moria

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos dringt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf "schnelle Nothilfe und einen menschenrechtsbasierten Neustart der europäischen Flüchtlingspolitik". In einem Antrag (19/22679), der am Freitagmittag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, "dass unverzüglich alle über 12.000 Geflüchteten aus Moria sowie perspektivisch auch die Geflüchteten von den anderen griechischen Inseln im Rahmen eines Relocation-Verfahrens von der Insel Lesbos evakuiert und in europäische Länder verteilt werden". Dabei soll die Bundesregierung laut Vorlage "unter Berücksichtigung der besonderen Verantwortung innerhalb der EU-Ratspräsidentschaft als Vorbild für eine humane und geordnete Asylpolitik vorangehen".

Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Abgeordneten "die Blockade gegen die hohe Aufnahmebereitschaft aus den Bundesländern und Kommunen" aufgeben und zusätzlich zu einem Bundesaufnahmeprogramm "den Ländern und Kommunen, die dazu bereit sind, das Handeln" ermöglichen. Zudem soll sie sich dem Antrag zufolge dafür einsetzen, dass Flüchtlinge bis zu einer entsprechenden Verteilung "menschenwürdig, beispielsweise durch das kurzfristige Anmieten ungenutzter Fähren mit ausreichend Kabinen", untergebracht werden, "wobei jedes neue dauerhafte Provisorium sowie der Wiederaufbau geschlossener Lager und eine Wiederholung der unwürdigen Situation von Moria vermieden werden muss".

Darüber hinaus plädiert die Fraktion in dem Antrag dafür, "das Gemeinsame Europäische Asylsystem dahingehend zu reformieren, dass zukünftig Asylsuchende "in offenen und menschenwürdig gestalteten Registrierungszentren" untergebracht und von dort innerhalb kurzer Zeit zur Durchführung von Asylverfahren auf andere EU-Mitgliedsstaaten umverteilt werden. Ferner fordert sie die Bundesregierung unter anderem auf, sich für die Schaffung von "deutlich mehr legalen Zugangswegen durch einen Ausbau von EU-Resettlement-Plätzen einzusetzen".



04. AfD fordert Kurskorrektur bei Gleichstellung

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Die AfD-Fraktion fordert einen prinzipiellen Kurswechsel in der Gleichstellungspolitik. In einem Antrag (19/22467) fordert sie die Bundesregierung auf, zum Prinzip der Gleichberechtigung zurückzukehren und vom Prinzip der Gleichstellung, die die Gleichberechtigung einzelner Gruppen verhindere, abzurücken. So soll das Geschlecht nur noch in jenen Fällen als unterscheidende Kategorie herangezogen werden, in denen eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der funktionalen und biologischen Unterschiede der Geschlechter nach der Natur notwendig erscheint oder wenn dadurch faktische Nachteile beseitigt werden können. Geschlechterquoten dürften nicht länger bei der Vergabe von Fördermitteln berücksichtigt werden und es müsse gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Förderprogrammen realisiert werden. Zudem sollen nach dem Willen der AfD alle Gesetze und Initiativen, die das Geschlecht als unterscheidendes Kriterium vorsehen, abgeändert werden. So soll das Ziel im Hochschulpakt, im Pakt für Forschung und Innovation und im Professorinnenprogramm, den Frauenanteil ohne Berücksichtigung etwaiger höherqualifizierter männlicher Bewerber zu erhöhen, revidiert werden.



05. Beanstandung bei Tiertransporten

Ernährung und Landwirtschaft/Antwort

Berlin: (hib/EIS) In den Jahren 2018 und 2019 sind 489 Beanstandungen zu Tiertransporten mit Versandort Deutschland bei der Nationalen Kontaktstelle am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eingegangen. Davon seien 296 aus Deutschland und 193 aus dem Ausland verzeichnet worden, heißt es in einer Antwort (19/22086) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/21788) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Des Weiteren heißt es, dass es sich bei den Beanstandungen von Transportunternehmern mit Sitz im Ausland oft um Anforderungen nicht zurückgesandter Fahrtenbücher oder angeforderter, aber ebenfalls nicht oder unvollständig zur Verfügung gestellter Navigationsdaten gehandelt habe.



06. Übertragung des MAP-Virus auf Menschen

Ernährung und Landwirtschaft/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Menschen können sich dem MAP-Virus (Mycobacterium avium ssp. Paratuberculosis) durch den Verzehr nicht pasteurisierter Milch erkrankter Tiere und daraus hergestellter Rohmilchprodukte aussetzen. Das Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP) verursacht die Johne'sche Krankheit bei Tieren. Die auch als Paratuberkulose bezeichnete Krankheit betrifft vor allem Rinder, Schafe und Ziegen. Auch der direkte Kontakt mit erkrankten Tieren oder kontaminiertem Fleisch berge ein Expositionsrisiko für Menschen, heißt es in einer Antwort (19/22168) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/21598) der AfD-Fraktion. Aber eine Exposition sei nicht mit einer Infektion gleichzusetzen, heißt es weiter. Im Gegensatz zu Wiederkäuern würden Menschen nicht an der Johne'schen Krankheit erkranken. Potentiell pathogene Keime könnten durch Erhitzung (Pasteurisierung) am wirkungsvollsten reduziert werden