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Digital 21

Gesundheit-News: Studie - Wie digital ist das deutsche Gesundheitswesen?

21. September 2020

München (ots)

- 86 Prozent des medizinischen Personals sehen großes Potenzial in den verschiedenen digitalen Technologien, dennoch kommen sie bisher nur langsam zum Einsatz.

- Die Einführung neuer Lösungen scheitert oft an bürokratischen Hürden (61 Prozent), hohen Kosten (57 Prozent) und der Auswahl der passenden Technologie (42 Prozent).

- Deutschland stellt mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) erste Weichen, um die Effekte der unzureichenden Finanzierung abzumildern.

Die Sprechstunde per Videochat, allerorts Zugriff auf die digitale Krankenakte und das e-Rezept direkt auf das Handy: Digitale Technologien verbessern die Patientenversorgung und entlasten das medizinische Personal. Dass dies notwendig ist, zeigte zuletzt die Corona-Pandemie. Deutschland meisterte die Krise in Bezug auf medizinische Versorgung und Krankenhauskapazitäten vergleichsweise gut, bei der Anwendung einzelner digitaler Technologien im Gesundheitswesen ist aber noch Luft nach oben.

Dennoch hat das neuartige Virus bei 40 Prozent der medizinischen Einrichtungen spürbar als Digitalisierungsbeschleuniger gewirkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Deloitte, für die medizinisches Personal in sieben europäischen Ländern befragt wurde.

Auch unabhängig von der Corona-Pandemie ist der Bedarf an digitalen Technologien im Gesundheitswesen weiterhin hoch, betont Ibo Teuber, Director Health Care bei Deloitte: "Mit Blick auf den deutschen Markt sehen wir, dass digitale Anwendungen bereits an verschiedensten Stellen zum Einsatz kommen. Vergleicht man den digitalen Reifegrad von deutschen Krankenhäusern mit anderen europäischen Ländern, fällt auf, dass in Summe nur wenige Einrichtungen die höchsten Stufen des Reifegradmodells der Non-Profit-Organisation HIMSS erreichen. Es gibt somit noch große Potenziale, die nicht voll ausgeschöpft werden."

Dem stimmen die deutschen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer klar zu: 86 Prozent haben großes Vertrauen in digitale Technologien. Sie sind überzeugt, dass diese die Patientenversorgung weiterhin verbessern können.

Digitale Krankenakte in Deutschland am beliebtesten

Aktuell kommen digitale Technologien im deutschen Medizinbetrieb vor allem für administrative Aufgaben zum Einsatz. Allem voran steht die digitale Krankenakte, die von drei Vierteln der Befragten genutzt wird. Die Technologie erbringt zudem den erwarteten Nutzen: 78 Prozent sehen Vorteile für effizientes Arbeiten und eine gute Patientenversorgung.

Weitere Technologien, die vielerorts zum Einsatz kommen, sind digitale Dienstpläne (52 Prozent) sowie spezifische Anwendungen für Klinikpersonal (44 Prozent). Beides wird auch mit Blick auf die Versorgung positiv bewertet.

Potenzial von Telemedizin noch nicht ausgeschöpft

Ein gegensätzliches Bild zeichnet sich bei der Telemedizin ab, also Technologien zur Betreuung von Patienten via Telefon und Videochat. Nur 30 Prozent des medizinischen Personals geben an, Telemedizin zu nutzen. Einen Vorteil für die Patientenversorgung sehen hier jedoch mehr als doppelt so viele Befragte (64 Prozent). Eine ähnliche Diskrepanz gibt es auch bei Online-Terminbuchungsmöglichkeiten: Nur 38 Prozent der Einrichtungen nutzen aktuell ein solches System, obwohl 63 Prozent des medizinischen Personals große Vorteile für die Patientenversorgung sehen.

Hier zeigt sich, dass das volle Potenzial der Technologien im deutschen Raum noch nicht ausgeschöpft ist. Die Niederlande, Dänemark und UK sind hier schon einen Schritt weiter: Telemedizin und Online-Terminbuchungen sind ebenso wie Online-Rezepte für zwei Drittel der Befragten bereits Teil des Alltags.

Derzeit viel diskutierte Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR) werden hingegen europaweit nur sehr vereinzelt genutzt. Im deutschen Gesundheitswesen wenden 7 Prozent des medizinischen Personals KI und 4 Prozent VR an.

Immerhin glaubt ein Drittel der Befragten, dass diese Technologien Vorteile für die Patientenversorgung bringen könnten. Genauso viele Befragte sind sich bei fortschrittlicheren Technologien - darunter auch Genomdaten und Robotertechnik - jedoch unsicher.

Hürden beim Einsatz digitaler Technologien

Bevor neue Technologien eingeführt werden, sind im deutschen Gesundheitssystem vor allem organisatorische Hürden zu überwinden. Das medizinische Personal sieht sich konfrontiert mit Bürokratie (61 Prozent), hohen Kosten (57 Prozent) und Schwierigkeiten, die passende Technologie zu finden (42 Prozent).

Wichtig ist außerdem, das gesamte medizinische Personal auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen. Für gut die Hälfte der Befragten besteht noch Unterstützungs- (46 Prozent) und Informationsbedarf (41 Prozent). Trainings gelten hier als ein wichtiger Ansatzpunkt, um den digitalen Wandel in die gesamte Organisation zu tragen.

"Digitalisierung bedeutet auch eine Veränderung der Kultur. Dafür müssen Technologien stärker in den Arbeitsalltag integriert und das gesamte medizinische Personal intensiver geschult werden. Nur wenn sie in die technischen Fortschritte einbezogen werden, kann das volle Potenzial der Digitalisierung ausgeschöpft werden", empfiehlt Teuber.

Digitales Update dank Investition

Bis zur vollkommen digitalisierten medizinischen Organisation ist es aus Sicht vieler Befragter noch ein längerer Weg. Maximal fünf Jahre dauert es nach Einschätzung von mehr als der Hälfte der Befragten noch (54 Prozent). Viele geben an, dass der Zeithorizont eher bei acht bis zehn Jahren liegen wird (38 Prozent).

Das vier Milliarden Euro schwere Investitionsprogramm von Bund und Ländern im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes dürfte jedoch in deutschen Krankenhäusern als Digitalisierungsbeschleuniger wirken. "Mit diesem Investitionsschub werden erste Weichen gestellt, um die Effekte der unzureichenden Finanzierung abzumildern.

Das ist eine echte Chance für ein digitales Update in Krankenhäusern", kommentiert Teuber.

Über die Studie

Für die Studie "Shaping the future of European healthcare" wurde medizinisches Personal in insgesamt sieben europäischen Ländern befragt (N=1.781). In Deutschland wurden dazu die Einschätzungen von 400 Allgemeinärzten, Fachärzten und Chirurgen sowie Krankenpflegern auf verschiedensten Erfahrungsleveln erfasst. Die Befragten sind überwiegend in privaten (47 Prozent) und öffentlichen (43 Prozent) Krankenhäusern, Tageskliniken oder Praxen tätig.



Text / Grafik: "obs/Deloitte 2020"