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Erklärung der SPD-Landtagsfraktion zum Vorschlag eines „Notparlaments“

Dienstag, den 31. März 2020

Einstimmiger Beschluss vom 31.3.2020

Zur Bewältigung der Corona-Pandemie ist es von zentraler Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger auf die Funktionsfähigkeit des Staates in allen seinen Teilen vertrauen können. Das gilt für die Gesundheitsbehörden und die Polizei genauso wie für Verwaltung und öffentliche Infrastruktur. Und es gilt in ganz besonderer Weise für die Regierung, die die Entscheidungen über notwendige Beschränkungen trifft und verantwortet, und für das Parlament als zentrales Entscheidungsorgan in der Demokratie.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat seine Arbeitsweise bereits sehr stark an die Pandemie-Bedingungen angepasst. Er hat in den vergangenen zwei Wochen nur zwei unabweisbar notwendige Plenarsitzungen abgehalten, beide für dringend notwendige Haushaltsentscheidungen. Eine dritte wird am Donnerstag folgen. Diese Sitzungen finden in der gebotenen Kürze, mit stark reduzierten Debattenbeiträgen, mit den notwendigen Sicherheitsabständen und unter weiteren Schutzmaßnahmen statt. Die vorgeschriebene Öffentlichkeit wird durch Live-Übertragung sichergestellt. Die Ausschüsse haben ihre Arbeit ebenfalls auf das erforderliche Minimum reduziert und tagen zum Teil bereits per Telefonschalte.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt reichen diese Maßnahmen aus, um die Arbeitsfähigkeit des Landtages sicherzustellen.

Andere Bundesländer haben Regelungen für verkleinerte Tagungsformate („Notparlament“), entweder weil sie schon vorsorglich bestanden oder weil die jeweilige Verfassung den Spielraum ließ, sie in der jetzigen Krisensituation einzurichten. Keines dieser Länder hat für die Einrichtung eines „Notparlaments“ seine Verfassung missachtet. Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt setzt in Artikel 51 Absatz 2 die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Landtages ohne Einschränkung als Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit fest und lässt daher die Einrichtung eines „Notparlaments“ nicht zu.

Es gehört zu den Leistungen der deutschen Demokratie in dieser Krise, dass zur Bewältigung der Pandemie die verfassungsrechtlichen Regeln für staatliches Handeln nicht angetastet werden. Vorschläge, durch Beschluss des Landtages die Präsidentin zur Einsetzung eines „Notparlaments“ zu „ermächtigen“, lehnt die SPD-Landtagsfraktion kategorisch ab. Dagegen sprechen nicht nur historische Erfahrungen, sondern auch das abschreckende Beispiel von Eingriffen in die Verfassungen europäischer Nachbarstaaten unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung.

Ein solches „Notparlament“ in Sachsen-Anhalt hätte vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand. Von diesem „Notparlament“ gefasste Beschlüsse wären nicht nur für die staatlichen Organe, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger wertlos.

Um Tagungen des Landtags von Sachsen-Anhalt in einem kleineren Format zu ermöglichen, gibt es nur zwei Möglichkeiten:

-  erstens die Absenkung der Zahl der teilnehmenden Abgeordneten auf die von der Verfassung vorgeschriebene Mindestzahl. Möglich ist das durch freiwilligen Teilnahmeverzicht der Abgeordneten und eine Pairing-Vereinbarung der Fraktionen, um die parlamentarischen Kräfteverhältnisse zu wahren;

-  zweitens eine Änderung der Landesverfassung auf dem dafür vorgesehenen Weg mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Ein in der Verfassung zu verankerndes „Notparlament“ wäre an strikte Voraussetzungen zu binden, wozu ein Konsens aller im Landtag vertretenen Fraktionen über die Einberufung gehören müsste. Die Kompetenzen müssten eng begrenzt und befristet werden, und auch auf Verlangen einer Minderheit im Parlament müsste die Arbeit des Landtags im Plenum jederzeit wieder aufgenommen werden.

Diese Position hat die SPD-Fraktion den anderen Landtagsfraktionen in der vergangenen Woche dargelegt. Andere Wege, die die Verfassung des Landes umgehen, gehen wir nicht mit.