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Selbst wenn eine Bandscheibe verantwortlich für die Schmerzen sein sollte,
lassen sich die Beschwerden meist gut ohne OP behandeln
(lifepr) (Bremervörde) „Wann operativ, wann
konservativ behandeln?“ titelte ein anerkanntes Fachmagazin vor kurzer Zeit.
Das Thema: Bandscheibenvorfälle. Bei über der Hälfte aller 40-Jährigen sind
bereits Abnutzungen der Bandscheiben sichtbar, im hohen Alter ist das bei 90
Prozent aller Patienten der Fall. Tatsächlich machen Bandscheibenvorfälle
jedoch weniger als fünf Prozent der orthopädischen Diagnosen aus.
„Selbst
wenn eine Bandscheibe verantwortlich für die Schmerzen sein sollte, lassen sich
die Beschwerden meist gut ohne OP behandeln“, so der Hamburger Orthopäde Dr.
Martin Buchholz. In Zusammenarbeit mit der Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V.
erläutert der Facharzt, welche Vorboten es für Bandscheibenvorfälle gibt und
welche Präventionsmaßnahmen sich eignen.
Wie
funktioniert die Wirbelsäule?
Unsere
Wirbelsäule ist eine perfekt aufeinander abgestimmte Stu?tzkonstruktion aus
Wirbelkörpern, Facettengelenken, Bandscheiben, Muskeln, Sehnen und Bändern.
Insgesamt 24 freie Wirbel bilden zusammen mit den beiden verschmolzenen Wirbeln
Steißbein und Kreuzbein und den 23 Bandscheiben die charakteristische
Doppel-S-Form. Die Bandscheiben setzen sich aus einem festen äußeren Ring mit
hintereinander geschichteten Faserstrukturen und einem innenliegenden Kern aus
Gallertmasse zusammen. Wenn die Bandscheibe belastet wird, verliert sie an
Flüssigkeit und schrumpft. Über Nacht saugen sich die Bandscheiben wieder mit
Flüssigkeit voll und regenerieren sich. Durch die Aufnahme und Abgabe von
Flüssigkeit wird die Bandscheibe mit Nährstoffen versorgt.
Wie
kommt es zum Bandscheibenvorfall?
Bei
einem Bandscheibenvorfall tritt der Gallertkern der Bandscheibe durch den
Faserring, der ihn umgibt. Drückt die ausgetretene Masse auf einen Nerv
beziehungsweise auf das Rückenmark, kann dies starke Schmerzen und eventuell
sogar ein Taubheitsgefu?hl in den Extremitäten verursachen. „Typisch fu?r einen
klassischen Bandscheibenschmerz ist, dass er gar nicht so stark dort auftritt,
wo der Bandscheibenvorfall stattfindet, also im Bereich der Lendenwirbelsäule,
sondern in Bein und Fuß ausstrahlt“, so Dr. Buchholz. Das liegt daran, dass
besonders häufig der untere Rückenbereich und der Ischiasnerv betroffen sind.
Wann
zum Arzt, wenn der Rücken schmerzt?
„Rückenschmerzen
werden von den Patienten fast immer mit einem Bandscheibenvorfall assoziiert“,
berichtet der Hamburger Orthopäde aus seiner Praxis. Allerdings ist nur in sehr
seltenen Fällen ein akuter Bandscheibenvorfall Grund für die Beschwerden.
Weitaus häufiger sind Verschleißerscheinungen als Folge von Fehl- oder
Überbelastungen sowie funktionelle Schmerzen ohne konkrete Ursache Auslöser der
Beschwerden. Meist bessern sich die Beschwerden durch Bewegung und
Physiotherapie sowie eine kurzzeitige Einnahme von Schmerzmitteln wieder.
Achtsam
sein sollte man dagegen bei beginnenden Lähmungserscheinungen und Kribbeln in
Armen und Beinen – sie gehören zu den typischen Symptomen eines Bandscheibenvorfalls.
Sind die Lendenwirbel betroffen, können Patienten sich kaum noch auf Ferse oder
Zehenspitzen stellen, bei einem Vorfall an der Halswirbelsäule können Finger
und Arme taub werden. Auch ruckartige Bewegungen, wie Husten oder Niesen,
können dann extreme Schmerzen auslösen. Meist sind die Betroffenen so stark
davon beeinträchtigt, dass sie umgehend einen Arzt aufsuchen.
Bandscheibenvorfälle können jedoch auch harmlos und fast ohne Symptome ablaufen
und werden dann häufig erst bei Routineuntersuchungen festgestellt. Treten
Symptome auf, spricht dies meist dafür, dass die verrutschte Bandscheibe gegen
Nervenwurzeln, das Rückenmark oder Nervenfasern in der Lendenwirbelsäule
drückt.
Wer
vermutet, betroffen zu sein, sollte in jedem Fall seinen Hausarzt aufsuchen.
Schmerztabletten und Bewegung helfen zwar zur kurzzeitigen Überbrückung, können
einen Arztbesuch aber nicht ersetzen. Der Hausarzt kann durch eine Befragung
und die körperliche Untersuchung schnell feststellen, ob ein
Bandscheibenvorfall vorliegt und an einen Orthopäden oder Neurologen
überweisen.
Muss
operiert werden?
In
mehr als 90 Prozent der Fälle ist eine konservative Therapie ohne Operation
ausreichend. Eine bildgebende Untersuchung, etwa ein MRT, sollte zudem erst
durchgefu?hrt werden, wenn nach mindestens sechswöchiger konsequenter Therapie
– meist ein Mix aus Schmerzmedikation, lokaler Infiltrationsbehandlung
(Spritzen), leichter Bewegung und Physiotherapie – keine Besserung eingetreten
ist. Auch Entspannungsübungen und Wärmeanwendungen tun dem Rücken gut. Eine
alternative konservative Behandlungsmethode ist die sogenannte PRT
(Periradikuläre Therapie). „Bei dieser Methode wird ein Schmerzmedikament,
meist ein Lokalanästhetikum in Kombination mit einem Kortisonpräparat, direkt
an die betroffene Nervenwurzel gespritzt“, erklärt Dr. Buchholz.
Belastete
Bandscheiben verhindern
Bewegung
beeinflusst nicht nur den Krankheitsverlauf positiv, sondern wirkt auch
vorbeugend. Zu den häufigsten Ursachen für Bandscheibenvorfälle gehört nämlich
neben altersbedingter Abnutzung und falscher Belastung der Bewegungsmangel.
„Generell sollte so viel Aktivität wie möglich in den Alltag integriert
werden.“, erklärt Dr. Buchholz. Die gute Nachricht: Wer aktiv vorbeugen möchte,
kann selbst bereits viel tun. Es muss kein straffes Sportprogramm sein. Schon
kleine Bewegungspausen im Alltag, in Form von Spaziergängen oder Treppen statt
dem Fahrstuhl, helfen bereits. Mehr Bewegung beugt auch Übergewicht vor, das
die Bandscheiben ebenfalls belastet. Auch Drehbewegungen unter Last können zu
einem Bandscheibenvorfall führen – diese sollten vermieden und der Rücken gut
trainiert werden.
Ergonomische
Möbel unterstützen ebenfalls: Sie verhindern Fehlhaltungen und fördern Bewegung
durch häufige Positionswechsel. Zuhause kann etwa auf rückengerechtes
Sitzmobiliar in Wohn- und Esszimmer sowie eine rückenfreundliche Matratze
geachtet werden, im Büro sind Aktiv-Bürostühle und ein Steh-Sitz-Arbeitsplatz
sinnvoll. Eine gute Orientierungshilfe ist das unabhängige Gütesiegel „Geprüft und
empfohlen“, mit dem die AGR nur garantiert rückenfreundliche Produkte
auszeichnet. Verliehen wird es von einem unabhängigen Expertengremium, das aus
Ärzten und Therapeuten verschiedener medizinischer Fachbereiche, besteht.
Kurz
und bündig
Bei
einem akuten Bandscheibenvorfall liegt der Gedanke an eine Operation nahe – in
den meisten Fällen lässt er sich jedoch auch mit einer konservativen Therapie
sehr gut behandeln. Darauf weisen der Hamburger Orthopäde Dr. Martin Buchholz
und die Aktion Gesunder Ru?cken (AGR) e. V. hin und erklären auch, wann ein
Bandscheibenvorfall behandlungsbedürftig wird und welche Ursachen
Rückenschmerzen noch haben können. Auch präventiv kann man einiges tun: Viel
Bewegung, die Vermeidung von Fehlhaltungen und ergonomische Möbel helfen, einem
Bandscheibenvorfall vorzubeugen.
Text
/ Foto: Aktion Gesunder Rücken (AGR)