DAK-Studie:
Doping im Job stagniert seit 2014
Hamburg,
Februar 2020. In Deutschland nehmen rund zwei Prozent der Arbeitnehmer leistungssteigernde
oder stimmungsaufhellende Medikamente. Hochgerechnet auf die erwerbstätige
Bevölkerung sind das rund 700.000 Beschäftigte. Damit ist das sogenannte Doping
im Job auf dem gleichen Niveau wie 2014. Das geht aus der aktuellen DAK-Analyse
„Update: Doping am Arbeitsplatz“ hervor. Die Studie zeigt aber auch: Besonders
ältere Arbeitnehmer ab 60 Jahren greifen zu Medikamenten, um im Beruf
leistungsfähiger zu sein oder die Stimmung zu verbessern. Viele Beschäftigte
nutzen die Arzneien auch, um nach der Arbeit noch Energie für Privates zu
haben.
Für
die repräsentative DAK-Studie wurde untersucht, ob und wie Erwerbstätige ohne
medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen.
Experten nennen das pharmakologisches Neuro-Enhancement und rechnen dazu
Substanzen wie beispielsweise Methylphenidat oder Fluoxetin. Für die
Untersuchung wurden mehr als 5.500 Berufstätige im Alter von 18 bis 65 Jahren
befragt. Aktuell und regelmäßig dopen sich laut Studie rund 700.000
Berufstätige (1,8 Prozent), um fitter für den Job zu sein. Damit ist Doping im
Job heute annähernd so verbreitet wie 2014 (1,9 Prozent). 71,5 Prozent der
Beschäftigten zwischen 20 und 50 Jahren wissen um die vermeintlichen
Möglichkeiten des Hirndopings zur Leistungssteigerung. 2008 war Doping im Job
noch weniger als jedem zweiten Berufstätigen dieser Altersgruppe (44,9 Prozent)
bekannt. „Der Medikamentenmissbrauch ist kein Massenphänomen“, sagt Andreas
Storm, Vorsitzender des Vorstandes der DAK-Gesundheit. „Dennoch zeigt unsere
Analyse, wie wichtig gesunde Rahmenbedingungen im Job sind.
Arbeitsanforderungen dürfen Mitarbeiter nicht dazu verleiten, bessere
Ergebnisse mithilfe von Medikamenten erzielen zu wollen.“
Je
älter die Arbeitnehmer, desto mehr wird gedopt
Die
höchste Verbreitung des pharmakologischen Neuro-Enhancement gibt es bei den 60-
bis 65-jährigen Arbeitnehmern. 4,4 Prozent von ihnen haben innerhalb der
vergangenen Monate mindestens einmal gedopt. Das sind ein Drittel mehr als im
Durchschnitt (3,3 Prozent). Insgesamt steigt die „Dopingquote“ mit dem Alter
an: So betreiben bei den 18- bis 29-jährigen Arbeitnehmern 2,5 Prozent
mindestens einmal im Jahr Medikamentenmissbrauch für den Job, bei den 30- bis
49-jährigen sind es 3,2 Prozent.
Leistungsdruck
und schlechte Stimmung
Laut
DAK-Studie dopen die meisten Arbeitnehmer, um berufliche Ziele besser zu
erreichen. Jeder zweite Doper gab dies an. Etwa jeder Dritte nennt als Grund,
die Arbeit ginge mit den Medikamenten leichter von der Hand. Mehr als jeder
vierte dopende Arbeitnehmer (27,1 Prozent) greift zur Pille, um nach der Arbeit
noch Energie und gute Laune für Privates zu haben. Beim Blick auf die
Geschlechter zeigen sich zum Teil Unterschiede bei den Gründen und Anlässen des
Hirndopings: Jeder vierte dopende Mann glaubt, ohne die Medikamente häufig
emotional nicht in der Lage zu sein, die Arbeit zu erledigen. Bei den dopenden
Frauen ist es nur jede fünfte. Jeder fünfte Mann könnte ohne Doping im Beruf
nicht mithalten. Bei den Frauen betrifft dies jede achte.
Risiken
und Nebenwirkungen – bis hin zur Abhängigkeit
Professor
Dr. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Universitätsmedizin Mainz und Wissenschaftlicher Leiter des Leibniz-Instituts
für Resilienzforschung, dämpft mit Blick auf die aktuelle DAK-Studie die
Erwartungen an das Doping: „Oft zeigen die Medikamente nur kurzfristige und
minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit.“ Vielmehr warnt Lieb vor
gesundheitlichen Schäden durch das Dopen: „Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität
und Schlafstörungen sind nicht selten. Darüber hinaus sind mögliche
Langzeitfolgen noch völlig unklar. Gesünder dürfte es in jedem Fall sein, für
seine psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit vorzusorgen, indem man seine
eigene Resilienz stärkt. Wirksam sind dafür insbesondere die Förderung von
sozialen Kontakten, Achtsamkeit, Umdenken und das aktive Herangehen an
herausfordernde Situationen.“