Martinsried
bei München (ots). Krebs ist trotz enormer Fortschritte in der Medizin auch
heute noch bei vielen Patienten unheilbar. Forscher entwickeln jedoch
vielversprechende Therapien: Ein Pionier im Bereich der Blutkrebsbehandlung ist
das deutsche Biotechnologie-Unternehmen Medigene AG. Dessen neuartige
Immuntherapie könnte schwer erkrankten Patienten neue Chancen eröffnen.
Bei
Immuntherapien gibt es unterschiedliche Ansätze. Doch alle teilen ein
Grundprinzip: Sie verändern gezielt körpereigene Zellen, um diese (wieder)
angriffsbereit für Tumorzellen zu machen. Auch die revolutionäre Entwicklung
der Therapie der Medigene AG basiert auf diesem Prinzip: Das Unternehmen
erforscht mit der sogenannten T-Zell-Rezeptor-Therapie, kurz TCR-Therapie, eine
neue Generation der zellulären Immuntherapie. Damit sollen bestimmte
Blutkrebsformen behandelt werden.
Gängige
Behandlungen helfen nicht allen Patienten
Neue
Optionen für bestimmte Blutkrebspatienten sind notwendig, weil gängige
Behandlungsformen wie die Chemotherapie nicht allen helfen. Außerdem greift
eine Chemotherapie neben kranken auch gesunde Zellen an. Die
Stammzelltransplantation wiederum gilt wegen ernsthafter, manchmal auch
lebensbedrohlicher Komplikationen als risikoreich. Je nach Alter des Patienten
und Erkrankungsstadium kommt diese Behandlung auch nicht infrage. Die
TCR-Therapie dagegen könnte möglicherweise schonender wirken. Doch was genau
passiert dabei?
"Umprogrammierte"
T-Zellen greifen Tumorzellen an
Im
Prinzip ist das Immunsystem in der Lage, jeden Krebs auszuschalten. Dabei
spielen spezielle weiße Blutkörperchen, die sogenannten T-Zellen, als wichtiger
Bestandteil des Immunsystems eine entscheidende Rolle. Sie patrouillieren
unentwegt durch den Körper und halten Ausschau nach verdächtigen oder defekten
Zellen, um diese gegebenenfalls zu zerstören.
Doch
Krebszellen können T-Zellen austricksen, indem sie sich unsichtbar machen,
dadurch unentdeckt bleiben und weiterwachsen. "Um diesen trickreichen
Mechanismus zu durchbrechen, werden dem Patienten T-Zellen entnommen und im Labor
gentechnisch verändert: Angereichert mit natürlichen T-Zell-Rezeptoren als
Erkennungsstrukturen gegen bestimmte Krebszellen werden sie dem Körper wieder
zugeführt", erklärt PD Dr. Simone Thomas vom Universitätsklinikum
Regensburg.
Anschließend
attackieren die "umprogrammierten" T-Zellen zielsicher bösartige
Zellen und vernichten sie. Bei dieser personalisierten Therapie wird der Körper
also in die Lage versetzt, den Krebs von allein zu besiegen. Dafür wird das
Immunsystem sozusagen "scharf gemacht" gegen den Tumor. Gesundes
Gewebe soll dabei unversehrt bleiben.
Von
der TCR-Therapie könnten Leukämie-Patienten im fortgeschrittenen Stadium
profitieren, da sie häufig keine Behandlungsalternativen mehr haben.
Wissenschaftler sehen darüber hinaus die Chance, dass Patienten durch diese
Therapie ihr Leben lang gegen die Erkrankung geschützt sind. Der Grund:
"Einige der veränderten T-Zellen verbleiben möglicherweise als Teil des
immunologischen Gedächtnisses im Körper", sagt Krebsspezialistin Simone Thomas.
Blutkrebsbehandlung
könnte revolutioniert werden
"Aus
medizinischer Sicht könnte die TCR-Therapie die Blutkrebsbehandlung
revolutionieren", sagt Prof. Dr. Dolores Schendel, Vorstandsvorsitzende
und Forschungs- und Entwicklungsvorstand der Medigene AG. Zudem hat diese
Innovation das Potenzial, die Zukunft der Krebsbehandlung wegweisend zu prägen.
"Krebs könnte durch diesen neuen Ansatz bei weiterer erfolgreicher
Entwicklung möglicherweise zu einer 'chronischen' oder in manchen Fällen gar
heilbaren Krankheit werden", so Schendel. Damit übernimmt das
Biotechnologie-Unternehmen aus Martinsried bei München eine Vorreiterrolle bei
der Erforschung personalisierter Krebsbehandlung.
Bisher
nur wenige zugelassene T-Zell-Therapien
Ein
weiteres Novum: Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die
TCR-Therapie sogar breiter einsetzbar als die nach dem ähnlichen Prinzip
funktionierenden CAR-T-Therapien (Chimeric Antigen Receptor, CAR). Womöglich
weist die TCR-Therapie auch geringere Nebenwirkungen auf - was jedoch noch zu
beweisen ist.
Die
Erforschung von Immuntherapien ist besonders zeitaufwendig und kostspielig. Um
überzeugende Erfolge zu generieren, sind intensive Forschungen nötig. In Europa
wurden bisher nur zwei CAR-T-Therapien: Sie dürfen zur Behandlung spezieller
Leukämien und Lymphome seit Ende 2018 angewendet werden. Alle TCR-Therapien
werden aktuell noch in klinischen Studien untersucht.
Erste
klinische Studie zur TCR-Therapie
Derzeit
führt die Medigene AG in Deutschland die klinische Studie INITIAL-TCR durch;
mit der Patientenbehandlung wurde begonnen. Es ist die erste klinische Studie
dieser Art hierzulande überhaupt. Auf dem Prüfstand steht, ob dieser Ansatz
sicher und durchführbar ist und welche Dosis bei der Behandlung benötigt wird.
Jeder
auf dem Markt befindlichen Krebstherapie gehen klinische Studien voraus. Anders
gesagt: Ohne klinische Studien kein Fortschritt. Es ist der einzige Weg, um
Wirkstoffe auf ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit vorher zu
testen. Daher trägt jeder teilnehmende Patient zur Entwicklung neuer
Behandlungsmethoden bei. Und damit tut er etwas für andere Menschen genauso wie
für sich selbst: Möglicherweise kann er von einer wirksamen Therapie mit als
Erster profitieren.
Weitere
Teilnehmer für TCR-Studie gesucht
Für
die klinische Studie INITIAL-TCR werden weitere Teilnehmer gesucht.
Informationen über die teilnehmenden Studienzentren sowie Antworten auf häufig
gestellte Fragen werden hier gegeben: www.blutkrebs-studie.de. Patienten mit
akuter myeloischer Leukämie, dem myelodysplastischen Syndrom oder multiplem
Myelom, bei denen übliche Therapien nicht den erhofften Erfolg gebracht haben,
haben die Chance auf eine neue Behandlungsmöglichkeit. Diese
"austherapierten" Patienten müssen bestimmte Merkmale aufweisen. Ob
man als Teilnehmer infrage kommt, wird im Vorfeld geprüft. Ist das der Fall,
folgt eine ausführliche Aufklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt.
Anschließend kann sich der Betroffene für oder gegen eine Teilnahme
entscheiden.
Text
/ Foto: "obs/admedicum Business for Patients GmbH & Co KG/Medigene
AG/Oliver Tjaden", übermittelt durch news aktuell