header-placeholder


image header
image
gebaeude 01 quer  1

Aus dem Gerichtssaal: Bundesverwaltungsgericht hebt Abschiebungsanordnung gegen einen polizeilich als Gefährder eingestuften türkischen Staatsangehörigen auf

Mittwoch, den 15. Januar 2020

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gestern der Klage eines als islamistischer Gefährder
eingestuften türkischen Staatsangehörigen stattgegeben und die gegen ihn vom Land Niedersachsen
verfügte Abschiebungsanordnung aufgehoben.

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ordnete mit Verfügung vom 5. April 2019
die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigten die
Prognose, dass von ihm eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und
eine terroristische Gefahr nach § 58a AufenthG ausgehe. In Anbetracht der Gesamtumstände sei
davon auszugehen, dass der Kläger nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung habe, sondern
mit dem „Islamischen Staat (IS)“ und dessen Märtyrerideologie sympathisiere. Er habe sich in
hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert und halte den
Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt. Mit
Beschluss vom 25. Juni 2019 - BVerwG 1 VR 1.19 - ordnete das erstinstanzlich zuständige
Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der hiergegen erhobenen Klage an; es begründete
dies mit Zweifeln an der der Gefahrenprognose des Beklagten zugrunde gelegten Hinwendung des
Klägers zum radikal-extremistischen Islamismus.

Auch unter Berücksichtigung der von der Behörde nach Ergehen des Eilbeschlusses und der daraufhin
erfolgten Entlassung aus der Abschiebungshaft vorgelegten Erkenntnisse hält der Senat für den
maßgeblichen Zeitpunkt der heutigen mündlichen Verhandlung die Verfügung für rechtswidrig. Eine
Gefahr i.S.d. § 58a AufenthG kann auch dann vorliegen, wenn der Ausländer zwar nicht selbst - gar
vollständig oder nachhaltig - ideologisch radikalisiert ist, er sich jedoch von Dritten im Wissen
um deren ideologische Zwecke für entsprechende Gewalthandlungen „einspannen“ lässt. Auch nach
diesem konkretisierten Maßstab gelangt der Senat in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung des
Verhaltens des Klägers, seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten
inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen zu der Bewertung,
dass die festgestellten Tatsachen im Ergebnis nicht die Bewertung tragen, dass aktuell von dem
Kläger mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine nach § 58a AufenthG erforderliche besondere
Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr ausgeht.


BVerwG 1 A 3.19 - Urteil vom 14. Januar 2020 

Foto: Bundesverwaltungsgericht in Leipzig / Copy BVerwG