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Sachsen-Anhalt-News: Magdeburg / ST: Die Wälder sterben – und die Landesregierung schaut zu

Samstag, den 30. November 2019

Waldbesitzer in Sachsen-Anhalt fordern die Politik auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und ihre eigenen Absichtserklärungen umzusetzen

Magdeburg, 30.11. 2019. Nach Angaben des von Ministerin Claudia Dalbert (Grüne) geführten Agrarministeriums betragen die durch Stürme, Trockenheit und Käferfraß entstandenen Kahlflächen im Land zum Ende 2018 rund 13.000 Hektar. Das ist eine gewaltige Zahl, die in der Realität durch die Schäden des Jahres 2019 noch weit übertroffen werden dürfte. Genau weiß man es nicht, denn eine belastbare Schadensbilanz sowie eine übergeordnete Erhebung bzw. Koordination durch die Landesbehörden gibt es nicht. Lediglich der aktuelle Waldzustandsbericht für Sachsen-Anhalt attestiert Höchstwerte der Schäden sowie starke Schäden auf zwölf und einen Totalausfall auf mehr als vier Prozent der Fläche.

Eine übergeordnete Koordination in der Krise, ausgestattet mit den entsprechenden finanziellen Mitteln, fordern private Waldbesitzer und nun auch betroffene Kommunen seit mehr als einem Jahr. Sie müssen leider feststellen, dass das für die Wälder im Land zuständige Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) nicht Herr der Lage ist und auch keine Bestrebungen existieren, diese Situation zu verändern. Ministerin Dalbert (Grüne) und Ministerpräsident Haseloff (CDU) gehen konstruktiven Gesprächen konsequent aus dem Weg. Und das, obwohl die Krise eklatant ist: Mittlerweile sind alle Hauptbaumarten wie Fichte, Buche und Eiche, massiv geschädigt.

Über 50.000 Waldbesitzer gibt es in Sachsen-Anhalt. Dabei überwiegt deutlich der Klein- und Kleinstprivatwald mit einer durchschnittlichen Flächengröße von 5,4 Hektar. Diese Waldbesitzer sind finanziell und organisatorisch nicht aufgestellt, um die derzeitigen Herausforderungen für die Beseitigung von Schadholz sowie die Wiederaufforstung von Schadflächen leisten zu können. Da ist es schon verwunderlich und auch wenig hilfreich, wenn grüne Landespolitiker wie Staatssekretär Rehda (MULE) die Gesetze der Marktwirtschaft bemühen und darauf setzen, durch Vernachlässigung großflächige Wildnisgebiete zu schaffen, indem sie die Waldbesitzer zum Verkauf oder Übertragung der Flächen an das Land raten, wenn diese die Belastungen nicht aus eigener Kraft tragen können. „Wald ist für uns kein Spekulationsobjekt“, heißt es dabei im Koalitionsvertrag der derzeitigen Landesregierung. Durch Ignorieren der derzeitigen Zustände und Vernachlässigung der öffentlichen Aufgaben wird er genau dazu gemacht. „Die Privatwaldeigentümer wollen wir verstärkt durch die Förderung der Forstbetriebsgemeinschaften unterstützen“, heißt es im Koalitionsvertrag weiter. Das ist jetzt notwendiger denn je, um das breit gestreute Waldeigentum zu erhalten. Die von Ministerin Dalbert angeführten Fördermittel aus Bund und Land sind ein Nullsummenspiel, wenn man die aus dem Forstsektor abgezogenen und umgewidmeten Fördermittel seit Antritt dieser Landesregierung in Höhe von 19 Millionen Euro gegenrechnet.

Es geht nicht darum, Waldbesitzern einen neuen Wald zu begründen, wie von Staatssekretär Rehda kolportiert, sondern es geht darum, Zukunftsvorsorge für die Gesellschaft zu betreiben – eine der Kernaufgaben des Staates. Der Koalitionsvertrag sagt dazu: „Der Wald muss langfristig die Nutz-, Schutz und Erholungsfunktionen, auch bei sich verändernden klimatischen Bedingungen, erfüllen. Deshalb bedürfen unsere vielfältigen Wälder des besonderen Schutzes durch die Gesellschaft. Die für Waldschutz erforderlichen Anpassungsreaktionen auf den Klimawandel sollen für den Wald landesweit zentral koordiniert werden.“ Und weiter: „Nachhaltiges und wirtschaftliches Wachstum ist nur unter Einbeziehung des Umwelt- und Klimaschutzes möglich. Ländliche Regionen sind Lebens- und Wirtschaftsraum sowie Kulturlandschaft mit einer wertvollen Natur und Erholungsgebieten. Ziel unserer Politik ist es daher, eine möglichst hohe regionale Wertschöpfung im ländlichen Raum zu gewährleisten und ihn so weiterhin als attraktives Lebensumfeld für alle Generationen zu erhalten.“

Womit funktioniert das besser als mit nachhaltiger Waldbewirtschaftung und dem Klimarohstoff Holz? In normalen Zeiten ist der jährliche Bedarf der holzverarbeitenden Betriebe im Land schon jetzt rund dreimal so hoch wie das Holzaufkommen in Sachsen-Anhalt mit rund 1,8  Mio. Kubikmetern. Insgesamt können in Deutschland jedes Jahr 127 Millionen Tonnen CO2 durch Holz eingespart werden, davon weit mehr als die Hälfte über die Nutzung. Holz ist CO2-neutral in der Energiegewinnung und substituiert CO2-intensive Produkte wie Stahl, Beton und Ziegel im Bausektor. Auch wenn der Holzmarkt wegen des vielen Schadholzes derzeit aus den Fugen geraten ist, wird der Holzbedarf im Sinne einer von der Landesregierung laut Koalitionsvertrag verfolgten Dekarbonisierung der Gesellschaft wieder steigen. Dafür ist jetzt Vorsorge zu tragen, und zwar gemeinsam mit den Waldbesitzern, indem man vielfältige, klimastabile Mischwälder schafft, die neben Schutz und Erholung den nachhaltigen Klimarohstoff Holz liefern und nicht großflächige Sozialbrachen verursacht.

Die Forst- und Agrarminister der anderen Bundesländer haben das offensichtlich verstanden, denn sie bezeichnen die „Wiederaufforstung der geschädigten Wälder und die Anpassung der Wälder an die Folgen des Klimawandels“ auf ihrer letzten Konferenz (AMK) Ende September in Mainz als „gesamtgesellschaftliche Aufgaben“. Die Waldbesitzer leisteten dabei mit ihrer Arbeit einen großen Beitrag zur Erhaltung der vielfältigen Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes im Interesse der Allgemeinheit, heißt es dort. Neben der aktiven nachhaltigen Waldbewirtschaftung spiele dabei auch die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes Holz eine wichtige Rolle, so dass die AMK-Teilnehmer eine Holzbau-Initiative mit dem Ziel fordern, innerhalb von 15 Jahren die Holzbauquote in Deutschland zu verdoppeln. Sachsen-Anhalt soll die entsprechenden Beschlüsse nicht mitgetragen haben.

Vor diesem Hintergrund erwarten waldbesitzende Privatleute und Kommunen sowie auch immer mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Landeszentrums Wald und des Landesforstbetriebs, die aktuell auch aufgrund der verfehlten Personalpolitik mit massivem Stellenabbau an ihrer Leistungsgrenze angekommen sind, dass die Landesregierung endlich ihre Aufgaben und selbst gesetzten Zielsetzungen zum Wohle der Gesellschaft und bei der Bekämpfung des Klimawandels angeht.

Die dafür notwendigen Maßnahmen sind hinlänglich bekannt und wurden bereits mehrfach formuliert. Verwiesen sei hier auf die Magdeburger Erklärung vom 21. April 2018 und die Dessauer Erklärung vom 27. April 2019 des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt sowie zuletzt das Positionspapier des Aktionsbündnisses Wald Sachsen-Anhalt vom September dieses Jahres. Für einen konstruktiven Dialog ist es noch nicht zu spät, so der Appell des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt, der seine Kernforderungen wie folgt zusammenfasst:

-  Sofortiges Einsetzen eines übergeordneten Krisenstabes zur Beseitigung der Waldschäden und der Wiederaufforstung in            Sachsen-Anhalt, so auch die Forderung von acht Harz-Kommunen und des Aktionsbündnisses Forstwirtschaft

-  Erhöhung und Entbürokratisierung der Hilfsmittel des Landes zur Schadenbeseitigung und Wiederaufforstung geschädigter Waldflächen von  12 Mio. Euro auf 40 Mio. Euro .

-  Unterstützung der Initiative des Landes NRW und der Bundes-CDU zur Einführung einer CO2 Prämie für den Wald durch den Bund

-  Entgeltung der Ökosystemleistungen unserer Wälder durch den Bund und die Länder

-  Unterstützung der Holzbau-Initiative der AMK und der übrigen Bundesländer

„Sachsen-Anhalt darf kein forstpolitischer Außenseiter bleiben“, so der Appell von  Franz Prinz Salm-Salm, Vorsitzender des WBV Sachsen-Anhalt.


Symbolfoto Baumsterben / (c) privat