Starnberg (ots). Die Verwendung von e-Zigaretten und
Tabakerhitzern gewinnt weltweit an Bedeutung. Dabei gibt es scharfe Grenzen
zwischen Befürwortern und Gegnern, die eher an Glaubenskriege erinnern, als an
eine wissenschaftliche Auseinandersetzung.
Eine aktuelle Studie der Universität Mainz mit 20
gesunden Rauchern im Alter von 34 ± 10 Jahren zeigt 15 Minuten nach dem Konsum
einer nikotinhaltigen e-Zigarette akute Effekte auf die Gefäßfunktion. Diese
verschlechtert sich. Es fehlt allerdings eine Kontrollgruppe und es fehlen
Langzeitbeobachtungen. Eine aktuelle Studie der Universität Dundee, Schottland,
mit 114 Rauchern im Alter von 40 - 53 Jahren, die mindestens seit zwei Jahren
rauchen, vergleicht in drei getrennten Gruppen, die zufällig eingeteilt wurden,
entweder Papierzigaretten, E-Zigaretten oder nikotinfreie E-Zigaretten zu
konsumieren, den Effekt auf die Gefäßfunktion. Die Studie zeigt, dass sich
diese innerhalb eines Monats nach dem Wechsel von einer Tabakzigarette auf eine
e-Zigarette signifikant verbessert. Dabei war es egal, ob e-Zigaretten mit
Nikotin oder ohne Nikotin verwendet wurden.
Die selektive Wahrnehmung schlechter Ergebnisse führt
dazu, dass die Studie aus Mainz in der Deutschen Presse vielfach wiedergegeben
und als das Ende der e-Zigarette angesehen wurde. Dabei zeigt die Studie doch
nur Akuteffekte des Nikotins, wie sie auch bei Genuss eines Nikotinkaugummis
auftreten, und wie sie schon 1988 von Wissenschaftlern aus Zürich aufgezeigt
worden waren. Die viel bessere Studie aus Dundee wird dem Leser jedoch kaum
präsentiert. Dabei versucht sie doch, die Fragen zum Nutzen eines langfristigen
Wechsels der Raucher von klassischen Verbrennungszigaretten auf e-Zigaretten zu
beantworten. Sie führt sogar zwei Kontrollgruppen mit und müsste mit ihren
positiven Ergebnissen den verbrennungsfreien Alternativen zur Papierzigarette
zum Durchbruch verhelfen. In der Medizin wird immer nach Evidenz gefragt. Hier
liegt sie vor, doch die selektive Berichterstattung in Deutschland führt dazu,
dass sie nicht wahrgenommen wird.
Mit den positiven Ergebnissen zum gesundheitlichen Nutzen
von e-Zigaretten für Raucher steht die Studie aus Dundee nicht alleine da. Im
Jahr 2018 publizierten Wissenschaftler der Universität Catania (Italien)
zusammen mit englischen Kollegen, dass bei 22 lungenkranken Patienten mit COPD,
die vollständig auf eine e-Zigarette umstiegen, im Vergleich zu 22
COPD-Patienten, die nicht vollständig wechselten, sich zwar die Lungenfunktion
nicht besserte, aber die erste Gruppe innerhalb von drei Jahren signifikant weniger
Verschlimmerungen aufwies, ein bessere Leistungsfähigkeit im 6-Minuten-Gehtest
hatten und auch weniger klinische Symptome zeigten, wie Husten und
Schlafstörungen. Eine amerikanische Studie des National Health Interview
Surveys (NHIS) mit 33.028 Teilnehmern in 2016 und 26.742 in 2017, berichtete im
September 2019, dass der Gebrauch einer e-Zigarette im Gegensatz zum Rauchen
von herkömmlichen Zigaretten, Hypertonus, Hypercholesterolinämie, Diabetes und
im Alter das Risiko für einen Myokardinfarkt innerhalb eines Jahres nicht
erhöht.
International wird der Wert der Mainzer Studie daher
skeptisch gesehen. Auf der Webseite des britischen Science Media Centre
schreibt Peter Hajek, Director of the Tobacco Dependence Research Unit an der
Queen Mary University of London: "Die Autoren haben zwei Effekte
festgestellt. Nikotin aus e-Zigaretten erzeugte bei menschlichen Rauchern eine
typische akute stimulierende Wirkung, wie sie auch nach dem Kaffeetrinken
beobachtet wird, die an sich keine Gefahr signalisiert. Bei Mäusen und in
Gewebeproben wirkte Acrolein, eine Chemikalie, die beim Frittieren von
E-Liquids entstehen kann, schädlich. Dies ist jedoch für Menschen nicht
relevant. Beim Erhitzen von E-Liquids entsteht diese Chemikalie, dies erzeugt
jedoch auch einen abstoßenden Geschmack den Dampfer meiden. Menschliche Dampfer
haben einen Acroleinspiegel, der ähnlich wie bei Nichtrauchern und viel
niedriger ist als bei Rauchern."
Wichtig ist bei wissenschaftlichen Studien auch immer die
Frage, wer die Studie denn finanziert hat. So steht in der Publikation der
schottischen Studie, dass sie von der British Heart Foundation gesponsort
wurde. Genauso eine Förderung durch eine unabhängige Einrichtung würde man sich
auch für Deutschland wünschen. Leider wird in der Mainzer Studie, neben der
Mainzer Herzstiftung, die Boehringer Ingelheim Stiftung als Sponsor genannt,
deren Vorstand von der Firma Boehringer Ingelheim Pharma GmbH besetzt ist.
Schon im August dieses Jahres gab es hierzu einen interessanten Artikel im
Spiegel mit dem Titel "Ausstieg aus Tabaksucht - Wie Pharmakonzerne gegen
die E-Zigarette vorgehen" von Manfred Dworschak. Auch Boehringer Ingelheim
Pharma GmbH könnte ein Interesse daran haben, dass die positiven Ergebnisse der
e-Zigarette für COPD-Patienten, die Polosa und Kollegen von der Universität
Catania aufzeigen, in Deutschland kein Gehör finden.
Rauchen ist schädlich und Nichtrauchen stellt die beste
Alternative dar. Jugendliche müssen vor dem Konsum aller Rauchwaren oder
Tabakwaren, einschließlich Shisha, geschützt werden. Aber das deutsche
Gesundheitssystem, das viel Geld in die Behandlung von gefäß-, lungen- und
tumorerkrankten aktiven Rauchern steckt, brauchte eine ehrliche
Auseinandersetzung mit den möglichen Vorteilen der Risikoreduktion durch
verbrennungsfreie Alternativen. Dies sollten alle, die über dieses Thema
berichten, berücksichtigen. Dann wäre ein erster Schritt getan.
Quellen
Michel C, Hasenfratz M, Nil R, Bättig K. Cardiovascular,
electrocortical, and behavioral effects of nicotine chewing gum. Klin
Wochenschr. 1988;66 Suppl 11:72-9.
Farsalinos KE, Polosa R, Cibella F, Niaura R. Is
e-cigarette use associated with coronary heart disease and myocardial
infarction? Insights from the 2016 and 2017 National Health Interview Surveys.
Ther Adv Chronic Dis. 2019 Sep 27;10:2040622319877741.
Polosa R, Morjaria JB, Prosperini U, Russo C, Pennisi A,
Puleo R, Caruso m, Caponnetto P. Health effects in COPD smokers who switch to
electronic cigarettes: a retrospective-prospective 3-year follow-up. Int J
Chron Obstruct Pulmon Dis. 2018; 13: 2533-2542.
George J, Hussain M, Vadiveloo T, Ireland S, Hopkinson P,
Struthers AD, Donnan PT, Khan F, Lang CC. Cardiovascular Effects of Switching
From Tobacco Cigarettes to Electronic Cigarettes. JACC https://doi.org/10.1016/j.jacc.2019.09.067
Weitere Informationen: https://www.md-institute.com/de/
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