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Bundestag

Politik-News: Heute im Bundestag: Richter und Verteidiger uneins

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mo., 11. November 2019

  1. Richter und Verteidiger uneins
  2. Steuer auf Bahntickets wird gesenkt
  3. Zugang zu mobiler Gesundheitstechnik
  4. Impfpflicht gegen Masern
  5. Grüne fragen nach Gewässerzustand


01. Richter und Verteidiger uneins

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Auf ein geteiltes Echo trifft der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (19/1474719/14972). Das wurde bei einer zweistündigen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag deutlich. Während die eingeladenen Richter die Dringlichkeit der im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen betonten, lehnten die Verteidiger die Pläne weitgehend ab. Der Gesetzentwurf steht mit dem bereits im parlamentarischen Verfahren befindlichen, wortgleichen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD schon am Freitag, 15. November, zur Abstimmung. Zum Thema haben zudem die FDP-Fraktion (19/14244) und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13515) Anträge eingebracht.

Die Abgeordneten wollten von den acht Sachverständigen unter anderem wissen, wie sie die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen einschätzen und welche darüberhinaus gehenden Möglichkeiten zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren sie sehen. Viele Fragen bezogen sich auf die audiovisuellen Aufzeichnung der Hauptverhandlung und die Aufzeichnung von Zeugenaussagen im Sinne des Opferschutzes sowie auf die Ausweitung der DNA-Analyse. Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Eile, mit der das Gesetzgebungsverfahren betrieben werde, und forderte, vor einem Beschluss des Rechtsausschusses erst das Wortprotokoll der Anhörung abzuwarten.

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, begrüßte die geplante Reform. Die gerichtliche Praxis warte darauf seit Jahren, denn Strafverfahren dauerten immer länger. 86 Prozent der Richter und Staatsanwälte sprächen sich für die geplanten Reformen aus. Mit dem Entwurf werde versucht, nur Auswüchse zu kappen, ohne Beschuldigtenrechte im Übermaß zu beschränken. Die vier zentralen Regelungen zu Befangenheitsanträgen, Besetzungsrügen, zum Beweisantragsrecht und zur Bündelung der Nebenklage seien ebenso wie die weiteren Regelungen im Grundsatz ausgesprochen sinnvolle Ergänzungen.

Stefan Caspari, Vorsitzender Richter am Landgericht Magdeburg, signalisierte in seiner Stellungnahme weitgehende Zustimmung zu der Vorlage. Bei der audiovisuellen Aufzeichnung von Zeugenaussagen und deren Vorführung in der Hauptverhandlung dürfte jedoch noch eine gesetzgeberische Klarstellung geboten sein. Keine Bedenken habe er gegen ein grundsätzliches Verbot der Gesichtsverhüllung für Verfahrensbeteiligte, die erweiterte Zulässigkeit der DNA-Analyse und die erweiterte Zulässigkeit der Telekommunikationsüberwachung.

Stefan Maier, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Stuttgart, sieht die im Entwurf zwingend vorgeschriebene Aufzeichnung von richterlichen Vernehmungen der zur Tatzeit erwachsenen Opfern von Sexualstraftaten und die Erweiterung der vernehmungsersetzenden Vorführung einer Aufzeichnung sehr kritisch. Mit einer spürbaren oder nur nennenswerten Erleichterung für Opferzeugen, besonders mit der Entbehrlichkeit einer Vernehmung dieser Zeugen vor Gericht, werde regelmäßig nicht zu rechnen sein.

Der Richter am Bundesgerichtshof Andreas Mosbacher verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass erstinstanzliche Strafverfahren vor den Landgerichten ungeachtet überschaubarer Tatvorwürfe und nicht überaus komplizierter Beweislage immer wieder unverständlich lange dauerten. Gesetzliche Änderungen wie die vorgeschlagenen reichten zur Behebung dieses Missstandes allerdings nicht aus. So müsse dringend in die Fortbildung der Vorsitzenden Richterinnen und Richter an den Landgerichten zum Thema effektive Verhandlungsführung investiert werden.

Auch Ken Heidenreich, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft München I, sprach sich für die Änderungen aus. Ausführlich setzte er sich in seiner Stellungnahme mit der Erweiterung der DNA-Analyse auf Spurenmaterial von unbekannten Spurenlegern auch auf die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie auf das Alter auseinander. Die Einwände, die gegen die geplante Gesetzesänderung erhoben würden, könnten nicht überzeugen. Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde verletzt noch liege ein nicht zulässiger Eingriff in den unantastbaren Kernbereich der Persönlichkeit vor. Auch die immer wieder angeführte Gefahr der Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten sehe er nicht.

Matthias Jahn von der Goethe-Universität Frankfurt am Main verwies auf die von ihm mitverantwortete Stellungnahme des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Darin heißt es, der eine Modernisierung des Strafverfahrens beanspruchende Regierungsentwurf enthalte ein Sammelsurium von Gesetzesänderungen, die einen übergreifenden rechtspolitischen Zweck vermissen lassen. Neben durchaus einsichtigen Regelungen, wie etwa der Einführung eines bundesweit geltenden Gerichtsdolmetschergesetzes, gebe es problematische Änderungen hinsichtlich der Besetzungsrüge, des Beweisantrags- und des Befangenheitsrechts. Sie enthielten gravierende Einschnitte in Verfahrensgrundrechte des Beschuldigten ohne Mehrwert für eine Beschleunigung von Strafverfahren. Jahn kritisierte auch die Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung zur Verfolgung des Einbruchsdiebstahls und die Erweiterung der DNA-Analysemöglichkeiten.

Stefan Conen von der Vereinigung Berliner Strafverteidiger erklärte, der Entwurf wolle keine Reform und Modernisierung des Strafverfahrens. Es gehe stattdessen darum, Formen des Strafprozessrechts abzuschleifen, die vermeintlich einem schnellen Verfahrensabschluss hinderlich seien. Dadurch wachse die Gefahr von Fehlurteilen. Die verhängnisvollen Tendenzen des Entwurfs zeigten sich besonders an den Regelungen zum Beweisantragsrecht, zur Besetzungsrüge und zum Befangenheitsrecht.

Der Vertreter des Deutsche Anwaltvereins, Ali B. Norouzi, teilte die Kritik Jahns und Conens. Notwendig seien empirische Erkenntnisse zu den erst kürzlich erfolgten Änderungen der Strafprozessordnung, ehe weiterer Reformbedarf festgestellt werde. Diese fehlten völlig, sagte Norouzi. Die geplanten Änderungen hätten keinen Mehrwert für die Praxis und schüfen eher zusätzlichen Konfliktstoff für die Hauptverhandlung.

Der Gesetzentwurf sieht zur Beschleunigung des gerichtlichen Strafverfahrens unter anderem vor, dass missbräuchlich gestellte Befangenheits- und Beweisanträge unter erleichterten Voraussetzungen abgelehnt werden können. Durch die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens für den Besetzungseinwand soll zeitnah Rechtssicherheit über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts geschaffen werden. Die Nebenklagevertretung soll durch die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters gebündelt werden können. Auch sollen künftig gesetzlicher Mutterschutz und Elternzeit Gründe dafür sein, die Fristen für die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zu einer Dauer von zwei Monaten zu hemmen. Schließlich soll in Gerichtsverhandlungen das Verbot eingeführt werden, das Gesicht ganz oder teilweise zu verdecken.

Zur Verfolgung des Wohnungseinbruchdiebstahls soll die Telekommunikationsüberwachung erweitert werden. Auch sollen die Möglichkeiten der DNA-Analyse im Strafverfahren noch weitreichender genutzt werden können. Darüber hinaus soll der Opferschutz im Strafverfahren weiter gestärkt werden. So sieht der Entwurf vor, die audiovisuelle Aufzeichnung von richterlichen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren von zur Tatzeit erwachsenen Opfern von Sexualstraftaten verpflichtend vorzuschreiben. Geplant ist auch die Einführung eines bundesweit geltenden Gerichtsdolmetschergesetzes.

Die FDP will mit ihrem Antrag erreichen, dass Strafprozesse effektiver, schneller, moderner und praxistauglicher gestaltet werden. Gerade die Möglichkeiten der Digitalisierung könnten sowohl die Qualität des Strafprozesses verbessern, als auch zu seiner Beschleunigung beitragen. Die Grünen schlagen zur Modernisierung des Strafverfahrensrechts vor, unter anderem die Bild-Ton-Dokumentation bei erstinstanzlichen strafgerichtlichen Hauptverhandlungen an Land- und Oberlandesgerichten obligatorisch zu machen.



02. Steuer auf Bahntickets wird gesenkt

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht (19/14937) eingebracht, "um die Herausforderungen der Kohlendioxid-Reduktion bis 2030 entschlossen und gleichzeitig sozial ausgewogen anzugehen. Umweltfreundliches Verhalten wird dadurch steuerlich stärker gefördert." Es müsse "rasch und entschlossen" gehandelt werden, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich zu begrenzen. Vorgesehen sind unter anderem eine steuerliche Förderung für energetische Sanierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum, Entlastungen für Pendler, eine Absenkung der Mehrwertsteuer im Personenschienenbahnfernverkehr sowie die Einführung eines neuen Hebesatzes bei der Grundsteuer für Windenergieanlagen.

Energetische Sanierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum sollen ab 2020 für einen befristeten Zeitraum von zehn Jahren durch einen prozentualen Abzug der Aufwendungen von der Steuerschuld gefördert werden. Förderfähig sind unter anderem die Wärmedämmung von Wänden, Dachflächen oder Geschossdecken, die Erneuerung der Fenster oder Außentüren, die Erneuerung beziehungsweise der Einbau einer Lüftungsanlage, die Erneuerung einer Heizungsanlage, der Einbau von digitalen Systemen zur energetischen Betriebs- und Verbrauchsoptimierung sowie die Optimierung bestehender Heizungsanlagen. Vorgesehen ist, dass 20 Prozent der Aufwendungen, maximal insgesamt 40.000 Euro je Objekt, über drei Jahre verteilt von der Steuerschuld abgezogen werden können.

Zur Entlastung der Fernpendlerinnen und Fernpendler soll ab dem 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2026 die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer um fünf auf 35 Cent angehoben werden. Alternativ können Pendlerinnen und Pendler, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen innerhalb des Grundfreibetrages liegen, ab dem 21. Entfernungskilometer eine Mobilitätsprämie in Höhe von 14 Prozent der erhöhten Pauschale wählen. Dadurch sollen diejenigen Bürgerinnen und Bürger entlastet werden, bei denen ein höherer Werbungskostenabzug zu keiner entsprechenden steuerlichen Entlastung führt.

Zur Umsetzung des Ziels, die Attraktivität des öffentlichen Personenschienenbahnfernverkehrs zu verbessern, wird der Mehrwertsteuersatz für diese Leistungen von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Dies diene gleichzeitig der Rechtsvereinfachung und dem Bürokratieabbau, schreibt die Bundesregierung.Zu den bisher zwei verschiedenen Hebesätzen bei der Grundsteuer, die von den Gemeinden festgelegt werden, soll ein dritter Hebesatz für Gebiete für Windenergieanlagen hinzukommen. Zu den Kosten des Gesetzentwurfs insgesamt heißt es, dass die finanziellen Auswirkungen ab 2020 bei 425 Millionen Euro liegen und bis 2024 auf 1,375 Milliarden Euro steigen sollen.

Der Gesetzentwurf ist identisch mit dem von den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD vorgelegten Entwurf auf Drucksache 19/14338.



03. Zugang zu mobiler Gesundheitstechnik

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung in der Gesundheitsversorgung ist Thema einer Kleinen Anfrage (19/14568) der AfD-Fraktion. Die Abgeordneten erkundigen sich nach dem Zugang zu "guten mobilen Gesundheitstechnologien".



04. Impfpflicht gegen Masern

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Die geplante Impfpflicht gegen Masern für Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen ist Thema einer Kleinen Anfrage (19/14683) der AfD-Fraktion. Gegner einer Impfpflicht seien nicht nur unter Impfkritikern zu finden, sondern auch unter Menschen, die das Impfen befürworteten, jedoch einen Zwang ablehnten.

Die Abgeordneten wollen wissen, wie viele Masernfälle in Deutschland zwischen 2008 und 2018 bekannt geworden sind und inwieweit Mediziner darin geschult sind, mögliche Impfkomplikationen zu erkennen.



05. Grüne fragen nach Gewässerzustand

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/LBR) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erkundigt sich in einer Kleinen Anfrage (19/14689) nach dem chemischen Gewässerzustand von Fließgewässern und Seen im Saarland. Weiter wollen die Abgeordneten erfahren, wie hoch der Anteil der Gewässer ist, die entsprechend der Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht in einem chemisch guten Zustand sind. Außerdem erfragen sie, wie sich die Belastung der Gewässer mit den 45 prioritären Stoffen in den vergangenen Jahren im Saarland entwickelt hat.


Foto: Bundesregierung / Bergmann