Hamburg (ots). Stiftung Ein Platz für Kinder über
psychische Folgen für betroffene Kinder.
Neun Monate freuen sich Mutter und Vater auf ihr Baby.
Dann ist es da. So süß, so klein, so zerbrechlich. Aber auch herausfordernd.
Die meisten Eltern klagen über Schlafmangel. Es ist ein Kraftakt zwischen
Windeln und Babyfläschchen. So ist es nachvollziehbar, dass der Wunsch
entsteht, wieder durchzuschlafen und das Kind einfach schreien zu lassen. Keine
gute Idee, wie Fachleute wissen: Neugeborene und Säuglinge sind physisch und
psychologisch auf elterliche Fürsorge angewiesen.
Wie agiert ein Säugling?
Schreie ich, kommen Mama oder Papa. Sie helfen mir, denn
ich habe Hunger, Bauchschmerzen oder Durst. Im Umkehrschluss bedeutet dies,
auch wenn ich mein Notsignal sende, bin ich alleine. Keiner kümmert sich. Wenn
sich Eltern in diesen Momenten keine Zeit für ihr Kind nehmen, handelt es sich
um Vernachlässigung. Schon dieser Mangel an Zuwendung, Liebe und Geborgenheit
ist für die weitere Entwicklung des Kindes äußerst belastend, denn die Bindung
zwischen Eltern und Kind ist für ein Baby wie die Luft zum Atmen. Sie sichert
das Überleben und die Entwicklung des Säuglings. Ist die Zuwendung nicht
ausreichend, entstehen frühkindliche Bindungsstörungen.
Bindung ist für die Entwicklung des Kindes von großer
Bedeutung
Rückhalt und emotionale Nähe sind die Basis für eine gute
Eltern-Kind-Beziehung. Fehlt diese entstehen Bindungsstörungen. Doch was
bedeutet Bindungsstörung für konkret? Im Kindergarten fallen sie durch ihr
ängstliches, unsicheres und übervorsichtiges Verhalten auf. Die Jungen und Mädchen
verfügen nicht über die Fähigkeit, soziale Kontakte aufzubauen. Das oft
apathische Verhalten kann auch durch Zuwendung nicht verändert werden.
Andererseits suchen diese Kinder wahllos Aufmerksamkeit. Es kommt in vielen
Fällen zu Angststörungen oder Depressionen. Kinder mit frühkindlichen
Bindungsstörungen sind für Eltern oftmals schwer zu ertragen. Eine Spirale aus
Versagensängsten, Wut, Verzweiflung und Aufgeben beginnt sich zu drehen.
Die Folgen von Bindungsstörungen
Das schwer zu diagnostizierendem Krankheitsbild führt
oftmals zu einer Inobhutnahme durch das Jugendamt. Doch auch Pflegeeltern oder
andere Einrichtungen sind in der Regel mit den besonderen Bedürfnissen dieser
Kinder überfordert. Wenn das Kind Glück hat, kommt es in eine der Mattisburgen
der Stiftung Ein Platz für Kinder. Hier kennen sich die Therapeuten mit den
Symptomen frühkindlicher Bindungsstörungen aus. Ziel der diagnostischen
Einrichtungen ist es, das Verhalten der Kinder zu lesen und zu analysieren.
"Bei Bindungsstörungen ist das ein reiner Beobachtungsprozess", weiß
Stifterin Johanna Ruoff. "Kein Kind kann von durchgeweinten Nächten im
Säuglingsalter berichten, von mangelnder Zuwendung oder emotionaler
Vernachlässigung. In unseren Mattisburgen erkennen wir dieses Störungsbild. Und
dann kann dem Kind gezielt geholfen werden," so die engagierte
Kinderschützerin weiter.
Bindungsstörungen heilen
Rund ein Prozent aller Mädchen und Jungen in Deutschland
sind von frühkindlichen Bindungsstörungen betroffen. Je nach Ausmaß der Störung
ist eine ambulante, teilstationäre oder auch vollstationäre Behandlung
notwendig. Am Anfang steht jedoch die richtige Diagnose. "Leider werden
die vielen Symptome dieses Störungsbildes nicht oder falsch
interpretiert", weiß Johanna Ruoff aus dem Alltag der Mattisburgen zu
berichten. "Dies hat zur Folge, dass die Kinder viele Stationen - von der
Pflegefamilie, über pädagogische Wohngruppen, bis hin zur Psychiatrie -
durchlaufen.
Am Anfang steht die richtige Diagnose. Dann kann in
Abhängigkeit von Art und Stärke der Bindungsstörung ambulant, teilstationär
oder auch vollstationär therapiert werden, denn Therapie ist einzige Weg, aus
diesem Kreislauf auszubrechen. Es geht darum, korrigierende Erfahrungen zu
machen. Das Kind muss nachholen, was es im Säuglings- bzw. Kleinkindalter nicht
lernen durfte. Dazu gehören das Wahrnehmen und Anerkennen der eigenen Gefühle,
das angstfreie Zulassen von Nähe und der Aufbau von Vertrauen in die eigenen
Stärken und die des Partners. Ein Prozess, der sich über Jahre hinzieht und alle
Beteiligten, betroffene Kinder, Eltern, Pflegeeltern oder Adoptifamilien aufs
Äußerste fordern.
Text: Stiftung "Ein Platz für Kinder",
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