Dienstag, den 29. Oktober 2019
Der Bund der Steuerzahler veröffentlichte am 29. Oktober 2019 sein „Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung 2019/2020“.
Sachsen-Anhalt Fall 2:
Die Mitteldeutschen Fahrradwerke in Sangerhausen, kurz Mifa genannt,
sind ein Begriff. Weit mehr als 10 Millionen Fahrräder wurden im volkseigenen Betrieb ab
1950 bis zur Wende gebaut. Nach der Deutschen Einheit ging die Entwicklung zunächst
weiter. 2004 geht Mifa sogar an die Börse.
Nachdem 2014 finanzielle Probleme sichtbar wurden, versuchte der Landkreis MansfeldSüdharz der angeschlagenen Mifa-AG zu helfen. Wesentliche Teile des
Betriebsgrundstücks wurden im April 2014 für 5,7 Mio. Euro vom Landkreis angekauft und
an Mifa zurückvermietet. Durch den Sale-and-lease-back-Vertrag mit einer Laufzeit von 15
Jahren und einer Mietrate von 648.000 Euro jährlich sollte langfristig der Kaufpreis
refinanziert werden. Der Vertrag stand von Anfang an auf tönernen Füßen, da ein
schlüssiges Sanierungskonzept für das Unternehmen nicht erkennbar war. So musste die
Grunderwerbsteuer von 285.000 Euro vom Landkreis gleich mit übernommen werden,
obwohl laut Kaufvertrag die Mifa-AG zur Zahlung verpflichtet war.
Schon im September 2014 kommt es zur ersten Insolvenz.
Im Januar 2017 ging Mifa zum zweiten Mal Pleite.
Damit platzten schöngerechnete und blauäugige Träume. Aber auch finanzielle Blasen
und Ungereimtheiten wurden bekannt. Der Insolvenzverwalter macht sein Job und
verlangte vom Landkreis die Rückgabe des Grundstücks und einen Teil der gezahlten
Mieten. Begründung: Zum Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs sei bereits absehbar
gewesen, dass die Mifa-AG faktisch pleite sei. Nach einem Rechtsstreit entschied das
OLG im Mai 2019, dass der Landkreis die Betriebsflächen an die insolvente Mifa
zurückgeben muss. Zusätzlich soll der Landkreis von den 1,7 Mio. Euro bis 28. Februar
2017 erhaltenen Mieten insgesamt 274.000 Euro zurückzahlen.
Und noch mehr pikante Details kommen ans Tageslicht.
Der marktübliche Verkehrswert
des vom Landkreis angekauften Grundstücks beträgt laut einem Gutachten im Januar
2017 tatsächlich nur 1,22 Mio. Euro statt der gezahlten 5,7 Mio. Euro. Der im Jahr 2014 für
die angekauften Firmengrundstücke ebenfalls gutachterlich ermittelte Wert war unter
Ertragswertgesichtspunkten seinerzeit auf mehr als 6 Mio. Euro hochgerechnet worden.
Von einem Gefälligkeitsgutachten ist die Rede.
Aus der Erfolgsgeschichte eines Fahrradherstellers ist ein Dilemma für den Steuerzahler
geworden. Ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes
Sanierungskonzept für das Unternehmen lag offensichtlich nicht vor. Leichtfertig wurde mit
dem Vermögen und dem Geld der Steuerzahler umgegangen. Trotz der anzuerkennenden
Bemühungen Fördermittel zurückzuholen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu
ziehen, werden sowohl beim Landkreis als auch beim Land Millionendefizite bleiben.
Unverständlich bleibt auch, warum die Landesregierung und die zuständige
Kommunalaufsicht zu spät kritische Entwicklungen erkannt und nicht gehandelt haben.
Das Argument des Insolvenzverwalters, dass die Mifa-AG zum Zeitpunkt des
Grundstücksverkaufs faktisch pleite war, hätte die Alarmglocken bei der Förderpolitik
läuten lassen müssen. Selbst die aktuellen Fragen des Bundes der Steuerzahler nach den
Schlussfolgerungen aus diesem Vorgang für die Förderpolitik des Landes insgesamt,
wollten oder konnten vom Wirtschaftsministerium des Landes nicht beantwortet werden.
DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT
Es gehört nicht zu den Aufgaben eines Landkreises, Firmen die sich in finanziellen
Schwierigkeiten befinden, finanziell zu unterstützen. Bei allem Verständnis für das
Motiv, Arbeitsplätze zu sichern, bleibt die Tatsache, dass ohne schlüssiges
Sanierungskonzept, leichtsinnig und blauäugig gehandelt wurde. Auch die
Förderpolitik des Landes hat in diesem Fall versagt. Der erhoffte Erfolg ist
ausgeblieben und der Steuerzahler zahlt drauf.