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POESIE AUS MAGDEBURG ZUM WOCHENENDE

man 852766 1920

Klamottenkauf für IHN

„Du musst dir neue Sachen kaufen“,
so sprach Frau Grete zu dem Gatten,
„am besten, lass uns gleich mal laufen, 
dann gib’s noch alles, was sie hatten.“

Der Gatte will sich anfangs drücken:
„Mein alter Anzug ist ganz prächtig,
vielleicht ein bisschen knapp am Rücken,
doch Eindruck schindet er noch mächtig...“

Frau Grete liebt nicht Widerworte.
So brummt in seinen Bart er stille,
folgt ihr jedoch zum Einkaufsorte
und putzt sich vorher seine Brille.

Nun geht es rund: Die Gattin, munter,
schafft von der Stange Hosen, Jacken.
Der Mann stöhnt, beugt sich hoch und runter
und schimpft, weil ihn die Sachen zwacken:

Die Hosen - mal zu schmal, zu locker,
die nächsten furchtbar in der Länge.
Die Jacken wirft er auf den Hocker:
Er findet hässlich sie und enge.

Die anderen sind ihm zu teuer,
dazu kann er sich nicht bequemen.
Das Material glänzt ungeheuer...
„Nein“, ruft er laut, „nichts will ich nehmen!!“

Und so verlässt nach einer Stunde 
ein freier Mensch die Folterklause.
Und alle Männer in der Runde
sind ehrfurchtsvoll: Der darf nach Hause...!

Helga Schettge 



Entnommen aus: Blätter wie Seide. – 2. Aufl.  – Magdeburg:
Sich-Verl., 2013. – ISBN: 978-3-9811692-6-3