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Foto Frank Werneke

Gestörtes Arbeiten - schlechteres Arbeiten: 52 Prozent klagen über ungewollte Unterbrechungen - Die Folge: Stress, Arbeitshetze und psychische Probleme

Sonntag, den 18. August 2019

Über häufige Störungen bei der Arbeit klagen 52 Prozent der 
Beschäftigten im gesamten Dienstleistungssektor. Die Folgen sind 
gewaltiger Stress, Arbeitshetze sowie zunehmende psychische 
Belastungen und ein Rückgang qualitätsvoller Arbeit. Wo die 
Arbeitsbedingungen insgesamt schlecht sind, werden die Beschäftigten 
fast doppelt so oft gestört wie bei insgesamt guten 
Arbeitsbedingungen. Das geht aus einer Studie der Vereinten 
Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf Basis von repräsentativen 
Umfragen zum "DGB-Index Gute Arbeit" hervor. "Die Belastungsspirale 
im Dienstleistungssektor ist ein wesentlicher Grund für die steigende
Zahl von Stresskranken", erklärte der stellv. ver.di-Vorsitzende 
Frank Werneke (Foto). Eine besondere Rolle spielt dabei die wachsende 
Arbeitsverdichtung. Wo es zu einer hohen Arbeitsintensivierung 
gekommen ist, fühlten sich 69 Prozent der Befragten sehr häufig im 
Arbeitsablauf gestört. Bei gleichbleibenden beruflichen Anforderungen
waren es nur 47 Prozent.

Die Störungsquellen sind vielfältig. Sie reichen von einer 
Überhäufung der Beschäftigten durch Zusatzaufgaben, ständigen 
technischen Problemen, falschen Zusammensetzungen in Großraumbüros 
bis hin zu Vorgesetzten, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. 
"Wenn ich einen Notfall habe, drei Neuzugänge bekomme, fünfmal das 
Telefon klingelt und gleichzeitig drei Angehörige kommen, muss ich 
mir überlegen, was ich als Erstes mache", sagt zum Beispiel eine 
Krankenpflegerin. Die Angestellte eines Reisebüros klagt, dass sie 
bei ihrem Buchungssystem ständig drei Fenster des Systems geöffnet 
haben muss, weil immer eins abstürzt: "Das ist extrem frustrierend 
und total peinlich vor dem Kunden." Ein IT-Entwickler berichtet, dass
Entwickler und Projektleiter in einem Großraumbüro gemeinsam arbeiten
müssen: "Man bekommt natürlich einiges mit, aber generell lenkt das 
eben sehr ab, wenn nebenan ständig das Telefon klingelt." Wenn in 
einem Bekleidungsgeschäft die Abteilungsleiterin alle zwei Minuten 
die Aufgabenstellung der Verkäuferinnen ändert, ist sie eher ein 
Störfaktor als eine Hilfe. "Jeder springt, und unterm Strich kommt 
gar nichts dabei rum, weil man alles anfängt und nichts zu Ende 
bringt", berichtet eine Verkäuferin. Die Folgen sind Frustration, 
Chaos und hohe psychische Belastung.

43 Prozent derjenigen, die bei ihrer Arbeit sehr häufig oder oft 
unterbrochen werden, empfinden dies als "starke" oder "eher starke" 
Belastung. Besonders häufig betroffen von Störungen im Arbeitsablauf 
sind Beschäftigte in den Bereich Informationstechnologie (79 
Prozent), Telekommunikation (76 Prozent), Finanzdienstleistungen (72 
Prozent), Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung 
(61 Prozent) Gesundheitswesen (59 Prozent) und Einzelhandel (49 
Prozent). Je häufiger Störungen und Unterbrechungen vorkommen, desto 
öfter berichten Betroffene vom Fehlen arbeitswichtiger Informationen.
Auf die Frage "Inwieweit plant Ihr Vorgesetzter die Arbeit gut?" 
gaben 39 Prozent eine negative Antwort ("gar nicht" sagen 13 Prozent,
"in geringem Maß" 26 Prozent). 61 Prozent zeigten sich mit der 
Arbeitsvorbereitung sehr zufrieden.

Auffällig in der Repräsentativbefragung ist die Störungshäufigkeit 
bei der digitalisierten Arbeit. In diesem Bereich klagen 62 Prozent 
der Befragten darüber, ihrer Arbeit nicht ungestört nachgehen zu 
können. Wer nur in geringem Maße oder gar nicht mit digitalen Mitteln
arbeitet, wird nur in 38 Prozent der Fälle gestört. Die Zahlen 
besagen allerdings nicht, ob die Störungen durch die Technik bewirkt 
werden oder mit den dortigen Arbeitsbedingungen zusammenhängen. Weit 
über dem Durchschnitt liegen die Werte der Störungshäufigkeit bei 
Beschäftigten, die digitalisierungsbedingt mehrere Arbeitsvorgänge 
gleichzeitig bewältigen müssen (72 Prozent), die digitalisiert von zu
Hause und unterwegs arbeiten (70 Prozent) und bei digital arbeitenden
Menschen, die für ihren Arbeitgeber ständig erreichbar sein müssen 
(68 Prozent).

Der stellv. ver.di-Vorsitzende Frank Werneke nennt eine ganze Liste 
von Maßnahmen, mit denen die Probleme behoben werden können: "Kluge 
Unternehmen beteiligen die Beschäftigten an der Arbeitsgestaltung. 
Die kennen die Probleme doch am besten." Verlässliche 
Pausenregelungen sind seiner Meinung nach genauso notwendig wie die 
Möglichkeit für alle Beschäftigten, selbstbestimmte Auszeiten zu 
nehmen. "Ununterbrochenes Arbeiten ist nämlich genauso schädlich wie 
gestörtes Arbeiten", so Werneke. "Räumliche Ausstattungen könnten 
Stressabbau begünstigen. Ein angemessenes Arbeitstempo und Zeitpuffer
im Arbeitsablauf erlauben es, auf Unvorhergesehenes ohne Hektik zu 
reagieren. Unterm Strich bedeutet dies eine enorme 
Qualitätsverbesserung der Arbeit und dadurch auch der 
Arbeitsergebnisse."