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MD Die Raeuber Premiere

Magdeburg: Die Compagnie 09 zeigt in „Räuber 2.0“, warum es so schwierig ist die Welt zu retten

Magdeburg, 13. Juli 2019


Von Florian Schreiter

Die Welt befindet sich im Wandel, nur wohin? Ob Klimawandel, Wohnungsnot, Gleichberechtigung, Rente, Bildungsmisere, demographischer Wandel – die Kette der derzeitigen Krisen scheint immer länger zu werden. Falls Sie den Überblick verloren haben, gibt Ihnen die neue Inszenierung der Compagnie 09 „Die Räuber 2.0 oder Auch Scheitern will gekonnt sein“ einen Überblick im Schnelldurchlauf. 

Friedrich Schillers Werk „Die Räuber“ bietet das dramatische Gefäß, das Bernd Kurt Goetz mit dem Thema Weltrettung in der Gegenwart füllt. Zwischen den beiden Brüdern Franz und Karl Moor herrscht ein Zwist. Franz (Fabian Mutschlechner) bringt seinen Bruder in seiner Abwesenheit bei seinem Vater in Verruf. Der enterbt Karl. Franz reißt sich die Firma des Vaters (Ekkehard Schwarz) unter den Nagel und wanzt sich an Karls Geliebte Amalia (Sonja Elisabeth Martens) ran. Karl (Falk Philippe Pognan) schließt sich Räubern an, wird sogar dessen Anführer. Mit ihnen rebelliert er gegen seine Familie und damit herrschenden Konventionen.


Foto: Max Moor (Ekkehard Schwarz) rettet Amalia (Sonja Elisabeth Martens) vor einem Übergriff durch seinen Sohn Franz. (c) Anne König

Karl ist ein träumend tänzelnder Idealist, der sein Studium der Betriebswirtschaft abbricht um sich der Kunst zu widmen. Er hat klare Vorstellungen von einer besseren Welt. Franz, kalt, berechnend, schmierig, verkörpert die sogenannte Leistungsgesellschaft, die sich rücksichtslos nimmt, was sie begehrt. Karl ist erfüllt von Sturm und Drang die Welt mit den Räubern besser zu machen. Die Parolen klingen gut und richtig. Doch die Welt lässt sich nicht einfach per Knopfdruck retten. Der Kampf gegen Ungerechtigkeiten, schafft neue Ungerechtigkeiten. Und da wir immer selbst Teil der aktuellen Ordnung sind, treffen die unangenehmen Folgen der Revolution am Ende einen vielleicht noch selbst. Und wer will das schon?

So wandelt sich der Sturm zu einem lauen Lüftchen, die klaren Postionen verirren sich, der Drang wird zu Wackelpudding, erstrebenswerte Absichten verkommen zu hohlen Phrasen, die nicht anders als die der Gegner klingen. Lässt sich am Ende alles nur noch im Suff ertragen? Wichtig scheint, das wir trotz aller scheinbar ausweglosen Krisen das Netz, das uns verbindet, das menschliche Miteinander, keine allzu großen Funklöcher bekommt und das wir niemals den Humor verlieren. Denn wer lacht, der fühlt, wer fühlt, ist noch nicht ohnmächtig.


Foto: Gisela Begrich und Bernd Kurt Goetz wollen solange Theater machen wie es geht. „Wir funktionieren wie ein Tandem“, sagt Goetz. (c) Schreiter

„Mein Hauptanliegen ist es ein ernsthaftes Thema so zu bearbeiten, dass es unterhält. Ich strebe nach spannender Unterhaltung mit Sinn“, sagt Bernd Kurt Goetz. Doch ist er sich dabei nie ganz sicher, ob er dabei immer den Nerv des Publikums trifft. Die Befürchtung scheint nicht ganz unbegründet. Es kommt  darauf an was der Zuschauer von einer Theateraufführung erwartet. Die „Räuber 2.0“ ist weder ein typisches ernsthaftes Drama, noch eine typische Komödie und fühlt sich auch anders an als typisches Kabarett. Es ist ein Mix aus alldem. Es ist typisch Compagnie 09. In den letzten Jahren haben Bernd Kurt Goetz (Text, Regie, Schauspiel), Gisela Begrich (Produktionsleitung, Regie) und Christoph Deckbar (Komponist, Klavier, Musikalische Leitung und Einstudierung) einen ganz eigenen Stil kreiert und etabliert.

Absurdes findet neben Sinnigem, Humor neben Ernsthaftigkeit gleichberechtigt seinen Platz, sie verwischen und verweben sich sogar ineinander. Genau das macht es interessant. Denn wenn zwei gleichstarke entgegengesetze Kräfte aufeinander treffen, erzeugen sie Spannung. Probieren Sie es aus, drücken Sie Ihre Handflächen gegeneinander. Dynamik bekommt es, wenn sie mit den Kräfteverhältnissen ihrer beiden Arme spielen. Spannungsgeladenes Theater ist wie Armdrücken.

Das 13-köpfige Ensemble legte sich in der Vorstellung am 10. Juli kräftig ins Zeug. Unter ihnen sind sechs nicht professionelle Darsteller. Sie konnten sich unter den Profis gut behaupten und waren weder spielerisch noch gesanglich kaum auszumachen. Das Publikum teilte sich in schallendes Gelächter bis stummes Schmunzeln. Am Ende gab es herzlichen Applaus, jeder fühlte sich offenbar gut unterhalten. Und noch eines ist erwähnenswert: Bei der Compagnie 09 herrscht eine sehr herzliche Willkommenswohlfühlkultur.

Die Vorstellungen finden noch bis 27. Juli im Garten der Möllenvogtei in Magdeburg statt, jeweils ab 20.30 Uhr, täglich, außer sonntags. 

www.cmd-09.de


Foto oben: Karl Moor (Falk Philippe Pognan, li.) schließt sich den Räubern an, hier im Schwertkampf mit Moritz Spiegelberg (Rick Middelkoop). (c) Anne König



Ensemble „Die Räuber 2.0“

Amalia - 
Sonja Elisabeth Martens
Moritz Spiegelberg - 
Rick Middelkoop
Ratze Roller u.a. - 
Marco Moewes
Franz Moor - 
Fabian Mutschlechner
Karl Moor - 
Falk Philippe Pogn­an
Max Moor - 
Ekkehard Schwarz
Hans Wurst - 
Bernd Kurt Goetz
Lucky, Polizist, Lucia Lammer - 
Hannah Hofmann
Kortschakow, Valentina Lingen - 
Natali Siegling
Ole Hardt, Polizist - 
Ole Engelhardt
Gerry Gehr, Lehrer - 
Stefan Gehring
Paul Gosch,Frosch, Polizist - 
Nicolas Neßler
Jannek Schwies, Frosch, Polizist - 
Jan Schwiesau
Musik - 
Christoph Deckbar