header-placeholder


image header
image
 la 7167

Aus dem Gerichtssaal: Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf

Donnerstag, den 28. März 2019


Urteil in der Rechtssache C-681/17
slewo // schlafen leben wohnen GmbH / Sascha Ledowski


Das Widerrufsrecht der Verbraucher im Fall eines Onlinekaufs gilt für eine Matratze,
deren Schutzfolie nach der Lieferung entfernt wurde

Wie bei einem Kleidungsstück kann davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer in der
Lage ist, die Matratze mittels einer Reinigung oder Desinfektion wieder verkehrsfähig zu machen,
ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht genügt würde
Herr Sascha Ledowski kaufte über die Website des deutschen Onlinehändlers slewo eine
Matratze. Nach Erhalt der Ware entfernte er die Schutzfolie, mit der die Matratze versehen war.
Sodann sandte er die Matratze an slewo zurück und verlangte die Erstattung des Kaufpreises in
Höhe von 1 094,52 Euro und der Rücksendekosten.

Nach Auffassung von slewo konnte Herr Ledowski das Widerrufsrecht, das dem Verbraucher im
Fall eines Onlinekaufs normalerweise 14 Tage lang zusteht, nicht ausüben. Die
Verbraucherschutzrichtlinie1 schließe nämlich das Widerrufsrecht für „versiegelte Waren …, die
aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet
sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“, aus.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) ersucht den Gerichtshof um
Auslegung der Richtlinie. Insbesondere möchte er wissen, ob eine Ware wie eine Matratze, deren
Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, unter den in der Richtlinie
vorgesehenen Ausschluss fällt.

Mit seinem gestrigen Urteil verneint der Gerichtshof diese Frage. Folglich ist der Verbraucher
nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts gehindert, weil er die Schutzfolie einer im
Internet gekauften Matratze entfernt hat.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen
Situation eines Verkaufs im Fernabsatz schützen soll, in der er keine Möglichkeit hat, die Ware vor
Vertragsabschluss zu sehen. Es soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher
bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit
eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren,
soweit dies erforderlich ist, um ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise
festzustellen.

Was den hier in Rede stehenden Ausschluss anbelangt, ist es die Beschaffenheit einer Ware, die
die Versiegelung ihrer Verpackung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus
Hygienegründen rechtfertigen kann. Die Entfernung der Versiegelung der Verpackung einer
solchen Ware lässt daher die Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen.
Wenn bei einer solchen Ware die Versiegelung der Verpackung vom Verbraucher entfernt wurde
und daher ihre Garantie in Bezug auf Gesundheitsschutz oder Hygiene entfallen ist, kann sie
möglicherweise nicht mehr von einem Dritten verwendet und infolgedessen nicht wieder in den
Verkehr gebracht werden.

Eine Matratze wie die hier in Rede stehende, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der
Lieferung entfernt wurde, fällt nach Auffassung des Gerichtshofs nicht unter die fragliche
Ausnahme vom Widerrufsrecht.

Zum einen ist nämlich nicht ersichtlich, dass eine solche Matratze, auch wenn sie möglicherweise
schon benutzt wurde, allein deshalb endgültig nicht von einem Dritten wiederverwendet oder nicht
erneut in den Verkehr gebracht werden kann. Insoweit genügt der Hinweis, dass ein und dieselbe
Matratze aufeinanderfolgenden Hotelgästen dient, ein Markt für gebrauchte Matratzen besteht und
gebrauchte Matratzen einer gründlichen Reinigung unterzogen werden können.

Zum anderen kann eine Matratze im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück
gleichgesetzt werden, d. h. mit einer Warenkategorie, für die die Richtlinie ausdrücklich die
Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe vorsieht. Eine solche Gleichsetzung kommt insofern
in Betracht, als selbst bei direktem Kontakt dieser Waren mit dem menschlichen Körper davon
ausgegangen werden kann, dass der Unternehmer in der Lage ist, sie nach der Rücksendung
durch den Verbraucher mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für
eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet
zu machen, ohne dass den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht
genügt würde.

Der Gerichtshof betont allerdings, dass der Verbraucher gemäß der Richtlinie für jeden Wertverlust
einer Ware haftet, der auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und
Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang zurückzuführen ist, ohne dass er deshalb
sein Widerrufsrecht verlöre.


Foto: Gerichtshof der Europäischen Union (Sitzung des Gerichtshofs)