Donnerstag, den 7. März 2019 Vor zwei Jahren bin ich in einem Interview einmal gefragt worden, ob ich Feminist sei. Man hätte festgestellt, dass ich „auffällig viele“ Gesetze in meiner Zeit als Justizminister auf den Weg gebracht habe, in denen Frauenrechte gestärkt wurden. Und dass ich in meiner Zeit im Justizministerium Personalentscheidungen getroffen habe, die auf allen Ebenen, aber auch an der Spitze des Ministeriums und in den Bundesgerichten Frauen und die Vertretung von Frauen deutlich verbessert haben. Ich habe trotzdem die Frage verneint. Und das aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen habe ich in der letzten Zeit festgestellt, dass es immer mehr Leute, vor allen Dingen Männer, gibt, die sich als Feministen bezeichnen. Und bei vielen habe ich mich gefragt: "Wieso eigentlich?" | ||||
Ich fand es auch etwas wohlfeil, mir das Label der vielen Aktivistinnen und Aktivisten anzuheften, die sich in allen gesellschaftlichen Bereichen - häufig und vielfach auch ehrenamtlich! - für Gleichstellung engagieren. Und eigentlich fand ich es auch immer selbstverständlich, die Instrumente, die ich gerade zur Verfügung habe, zu nutzen, um dieses Land und unsere Gesellschaft zu modernisieren und damit auch die Gleichstellung voranzubringen. Und weil ich fest davon überzeugt bin, dass Gleichstellung nichts anderes ist als eine Frage der Gerechtigkeit und dass man zum Feministen nicht durch Selbsternennung, sondern durch Taten wird! | ||||
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um Repräsentanz, um Teilhabe, um gleiche Chancen und gleiche Rechte. Letztlich geht es geht um nichts anderes als den Kern unseres Zusammenlebens. Und kurz gesagt: Ohne Gleichstellung und ohne die Verwirklichung von Gleichstellung gibt es auch keine echte Demokratie. | ||||
Deshalb müsste sich jeder, der sich als aufrechter Demokrat bezeichnet, ohne Wenn und Aber für Frauenrechte und auch für Gleichstellung einsetzen. | ||||
Wenn das bedeutet, Feministin oder Feminist zu sein, dann bräuchten wir gerade heute in Deutschland | ||||
82 Millionen Feministinnen und Feministen! | ||||
Meine Damen und Herren, | ||||
der UN-Generalsekretär hat letzte Woche im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen festgestellt, Frau Böhm hat es schon erwähnt, dass es weitere 200 Jahre dauern würde, bis weltweit eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter erreicht sei – vorausgesetzt wir bleiben bei dem bisherigen Tempo. Die Tatsache und die Zahl ist erschreckend genug. | ||||
Aber noch bitterer ist, dass wir uns teilweise gar nicht sicher sein können, ob wir das bisherige Tempo überhaupt halten können. Da reicht auch schon ein Blick in unsere Parlamente, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn im Deutschen Bundestag heute wieder weniger Frauen sitzen als noch vor 20 Jahren, dann läuft etwas schief! | ||||
Und auch manch internationale Entwicklung deutet leider eher auf einen Rückschritt als auf einen Fortschritt hin. Der populistische Ruf nach starken Führern à la Erdo?an, Orban, Putin oder Bolsonaro, der macht mir zusätzlich Sorgen. | ||||
Denn wenn privilegierte Männer die Schlechterstellung von Frauen als eine biologische Konsequenz betrachten, wenn eine progressive Gleichstellungspolitik als Genderwahn diffamiert wird, dann laufen die Uhren rückwärts und nicht vorwärts. | ||||
Frauen die gleichen Chancen einzuräumen, ist nichts anderes als ein Gebot der Vernunft. Denn letztlich eine Politik, die die Bedürfnisse und die Fähigkeiten der Hälfte der Menschen nicht berücksichtigt, die ist nicht nur in ihrem Wesen undemokratisch, sondern sie ist auch unsozial und sie ist auch unproduktiv. | ||||
Und das belegen zahlreiche Studien, die zeigen, dass Gesellschaften, in denen Frauen und Männer gleichberechtigt sind, stabiler, friedlicher, erfolgreicher und am Ende wahrscheinlich auch glücklicher sind. Das legt zumindest der "World Happiness Report" nahe, in dem Finnland, Norwegen, Dänemark und Island die ersten vier Plätze belegen. | ||||
Für uns als Auswärtiges Amt kann das eigentlich nur eines heißen: Wir brauchen eine Außenpolitik für Frauen. | ||||
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Meine Damen und Herren, | ||||
ich glaube klar ist: Eine Außenpolitik für Frauen kann nur eine Außenpolitik von und mit Frauen sein. Und deshalb muss unsere Außenpolitik, ja, auch unsere Außenpolitik muss weiblicher werden. | ||||
Letztlich geht es auch da um Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit ist das A und O erfolgreicher Politik, vor allen Dingen internationaler Politik und das ist eine Erfahrung, die ich in den letzten Monaten sehr intensiv gemacht habe. Bedauerlicherweise ist bei dem, was auf der Welt geschieht, gerade viel Vertrauen und Verlässlichkeit verloren gegangen. Und deshalb wollen wir dort auch vorangehen mit Projekten, mit Vorbildfunktion, wenn wir uns in der Welt erfolgreich für die Gleichstellung der Geschlechter und auch für das Selbstbestimmungsrecht aller Frauen und Mädchen einsetzen. | ||||
Also reden wir auch über das Auswärtige Amt. | ||||
Frauen sind im Auswärtigen Dienst in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert, daran gibt es nichts herum zu deuten, besonders an unseren Auslandsvertretungen. Wir alle kennen die Ursachen: Der Frauenanteil lag bei den Neueinstellungen im höheren Dienst vor 20 Jahren noch bei 10-20 Prozent. | ||||
Die Frauen, die damals nicht eingestellt wurden, sie fehlen uns heute, und zwar schmerzlich. Denn wir wissen auch, dass gemischte Teams besser funktionieren – das sagt uns jeder Arbeitsforscher, das zeigt mir aber auch meine persönliche Erfahrung. | ||||
Deshalb steuern wir an der Stelle auch um: | ||||
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Ich finde, das sind wichtige Schritte und ich finde auch, das sind Schritte in die richtige Richtung. Wichtig ist, dass diese Schritte dann auch richtig umsetzen. Und dabei sollte Maßgabe sein, dass Gleichstellung zu einer besseren deutschen Außenpolitik führt, sie kann dazu einen Beitrag leisten, nicht alleine, aber einen Beitrag kann sie leisten. Dann stellt sich auch die Akzeptanz ein, die wir für erfolgreiche Gleichstellungsarbeit brauchen, wenn wir politisch dafür werben. | ||||
Und wir müssen und werden dem Umstand Rechnung tragen, dass Gleichstellung nicht nur ein Thema der B-Besoldungsgruppen ist. Auch das wäre zu kurz gegriffen. | ||||
Gleichstellung bedeutet mehr: | ||||
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Dazu braucht es nichts anderes als einen Bewusstseinswandel! Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das, was wir versuchen, und zwar alle versuchen müssen, Stück für Stück auch umzusetzen. Und deshalb wird noch einiges an Arbeit vor uns liegen in diesem Bereich. Aber wir stellen uns diesen Aufgaben und ich bin mir sicher, und das ist meine Wahrnehmung, dass sich alle die, die wir dazu brauchen, auch an dieser Arbeit, die vor uns liegt, beteiligen werden. | ||||
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eben keine Anordnung, die es nur von oben geben kann, sondern das ist eine Aufgabe, die uns alle betrifft. Und deshalb mag das banal klingen, aber es ist alles andere als banal. Und ich würde Sie alle auffordern und bitten, uns dabei zu unterstützen. | ||||
Genauso wie Sie, liebe Frau Böhm, | ||||
Sie haben die heutige Veranstaltung unter den Titel „Internationaler Frauentag – ein Grund zum Feiern?“ – Fragezeichen - gestellt. Nicht ganz zu unrecht. Und ich will jetzt den Antworten, die es auf den verschiedenen Panels gibt, überhaupt nicht vorgreifen. Aber es gibt zumindest wahrnehmbar und auch zu erkennen, dass wir, und zwar gemeinsam, uns hier in diesem Haus entschieden haben, einen Weg zu gehen, der am Schluss darauf hinauslaufen soll, dass unsere Außenpolitik nicht nur mit mehr Frauen und von mehr Frauen gemacht wird, sondern dass wir unsere Außenpolitik permanent weiter entwickeln wollen. | ||||
Und es gibt aus meiner Sicht mindestens einen wirklichen Grund, auch diesen Frauentag zu feiern: Er regt – und das ist wenn man im Übrigen so einige aktuelle Debatten zur Zeit in den Zeitungen verfolgt – er regt eine gesellschaftliche Debatte an und auch die brauchen wir. Wir können das auch nicht nur hinter den Türen von Unternehmen oder von Ämtern diskutieren, sondern wir brauchen dazu auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Unterstützung und ich bin mir sicher, dass es das auch geben wird. Der Tag und die Debatte, die damit einhergeht, schafft Öffentlichkeit und er trägt damit auch ein Stück zum Bewusstseinswandel bei. | ||||
Und er stärkt damit nicht nur die Frauenrechte, sondern letztlich stärkt er unsere Demokratie – und damit auch unser Land. | ||||
Vielen Dank! (Foto) Heiko Maas spricht bei der Veranstaltung zum Internationalen Frauentag im Auswärtigen Amt, © Xander Heinl/photothek.net |