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Jerusalem

Jerusalem entdecken – Spurensuche zwischen Antike und Moderne

9. Februar 2019


Unsere Redakteurin Annett Szameitat verbrachte vor kurzem ihren Urlaub eine Woche in Jerusalem. In diesem Artikel erzählt sie von einigen Eindrücken ihrer Reise.


Von Annett Szameitat

Der Muezzin ruft die Moslems zum Gebet, orthodoxe Juden zelebrieren ihren Glauben an der Klagemauer, Kirchenglocken verkünden die christliche Botschaft und die Flaniermeile Jaffa Road im modernen Teil birgt westliches Flair. In Jerusalem, der heiligen Stadt, dem Mekka der drei großen Weltreligionen, ist mit knapp 900.000 Einwohnern ein Stück Welt zu Hause. Die bevölkerungsreichste Stadt Israels, gegründet 3000 v. Chr., ist eine Stadt der Extreme. Geteilt in Ost und West, ist auch das Stadtbild zweigeteilt. Im Ostteil bilden Muslime die Mehrheit, die Bewohnerschaft im Westen besteht aus Juden.

Jerusalem verkörpert an einem Ort die ganze Vielfalt des Landes Israel und auch die politische Brisanz zwischen beiden Volksgruppen: Sowohl Israelis als auch die Palästinenser beanspruchen Jerusalem als Hauptstadt für sich. Ein schwelender Konflikt, der jedoch im Alltag für Touristen nicht greifbar scheint. Sicherheit vermittelt militärische Präsenz im Stadtgebiet – junge Frauen und Männer, gern auch mit Maschinengewehr im Anschlag. Jerusalem hat zwei Gesichter: den modernen westlich geprägten Teil und die alte historische Stadt. Die Altstadt, von haushohen Mauern aus dem 16. Jahrhundert umgeben, besteht aus dem muslimischen, jüdischen, christlichen und armenischen Viertel. Nur durch eines der acht Eingangstore gelangt man in den gefühlten Wirrwarr der Touristenströme in den engen verwinkelten Gassen zwischen Klagemauer und Grabeskirche. Hier verstummt jeglicher Straßenlärm, hier lässt man die neue Welt hinter sich. Jeder Stein atmet Geschichte. 


Foto: Der arabische Basar im moslemischen Viertel. (c) Szameitat

Auf einem Quadratkilometer leben die Religionen zusammen auf engstem Raum – und doch für sich. Jedes Viertel hat sein besonderes Flair. Auf dem bunten lauten arabischen Basar feilschen Händler um ihre Waren, der betörende Duft orientalischer Gewürze vermischt sich mit den Genussmomenten der arabischen Küche und dem Geruch der Wasserpfeifen. Armenische Händler preisen stolz die Handwerkskunst ihrer Heimat an. Im christlichen Viertel, am Ende der Via Dolorosa, dem letzten Weg Christi, ist die Grabeskirche ein beliebter Wallfahrtsort. Das jüdische Viertel, geprägt von Synagogen und gepflegten Einkaufsgassen, erwandert man auf Originalsteinen der freigelegten Hauptstraße aus römisch-byzantinischer Zeit, der Cardio. Die Menschen, denen man begegnet sind so vielfältig wie die Stadt selbst. Es ist ein buntes Völkergemisch: Muslime, christliche Ordensträger, Juden mit traditioneller Kippa. Ultra-orthodoxe strenggläubige Juden mit Filzhut, schwarzem Anzug und Schläfenlocken kreuzen eilig gesenkten Blickes den Weg – dazwischen Pilger aus aller Welt. Eine abendliche Fahrt durch das ultraorthodoxe Viertel in Westjerusalem wirkt wie aus der Zeit gefallen, Touristen sind nicht wirklich willkommen. Düstere Gassen, getaucht in diffuses Licht, verwahrloste Hausfassaden – es ist eine eigene Stadt, mit eigenen Schulen, mit eigenen Gesetzen.


Foto: Juden beten an der Klagemauer. (c) Szameitat

Alt-Jerusalem präsentiert sich als wahrer Hort an beeindruckenden heiligen Stätten. So haben die Juden ihre Klagemauer, die Muslime die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom auf dem umstrittenen Tempelberg. In welchem Maße die Religion die Identität der gläubigen Bevölkerung prägt, offenbart ein Besuch der Klagemauer. Angesichts der Scharen betender Männer und Frauen, die getrennt nach Geschlechtern die heiligen Steine verehren, verharrt man auch als Nichtgläubiger in Demut davor, wie tief der Glaube menschliches Dasein beeinflusst. Ein Besuch Jerusalems ist mit Emotionen verbunden - auch angesichts der jüngeren deutschen Geschichte. Ein Besuch der Gedenkstätte Yad Jashem, der Erinnerungsstätte an den Holocaust, lässt erschauern, macht betroffen, noch über 70 Jahre danach. 

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Foto oben: Blick auf Jerusalem, im Hintergrund die moderne Neustadt. (c) Szameitat