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Außenminister Maas im Interview: Mit Mut und Zuversicht für Europa



Im Interview erzählt Außenminister Heiko Maas, wie seine Kindheit in der Grenzregion zum "Erbfeind Frankreich" ablief, ob sich Heimatverbundenheit mit Europa verbinden lässt und warum es gut ist, dass so viel über Europa diskutiert wird.

 
 

Wann sind Sie Europa das erste Mal begegnet?

Heiko Maas: Schon in meiner Kindheit. Ich bin direkt an der Grenze aufgewachsen. Damals standen noch Schlagbäume zwischen Frankreich und Deutschland, und meine Großeltern erzählten von den Erbfeinden aus Frankreich. Für mich waren aus diesen Erbfeinden längst Freunde geworden. In Frankreich auszugehen, war für uns ein Highlight. Alles hatte dieses besondere Flair. Selbst die Getränke waren anders.

Was war das bevorzugte Getränk?

Maas: Als wir alt genug waren, haben wir Ricard getrunken und Boulegespielt. Natürlich denkt niemand beim Boule-Spielen sofort an Europa. Aber wir haben schon begriffen, dass erst Europa dieses einfache Pendeln nach Frankreich ermöglicht.

Können Sie Europa in drei Worten beschreiben?

Maas: Frieden, Freiheit und Bürgerrechte. Das gibt es so sonst nirgendwo auf der Welt. Diese drei machen das Leben lebenswert. Ohne diese drei ist alles nichts.

"Früher haben wir uns auf Schlachtfeldern gestritten, heute tun wir das in den Parlamenten und Konferenzzentren."

Europa bleibt für viele ein Grenzstreifen auf der Landkarte, eine politische Idee, sehr abstrakt. Wenn Sie im Urlaub gefragt werden, wo Sie herkommen, antworten Sie dann: "Ich komme aus Europa"?

Maas: Ich sage immer, ich komme aus dem Saarland und bin damit ein geborener Europäer.

Das klingt sehr heimatverbunden. Aber kann Europa funktionieren, wenn die Menschen sich mehr ihrer Region zugehörig fühlen?

Maas: Es ist doch toll, dass die Leute sich mit der Gegend identifizieren, in der sie leben oder aufgewachsen sind. Im Saarland leben wir vor, wie man sich darüber hinaus auch als Europäerin oder Europäer fühlen kann.

Unter den 28 Mitgliedstaaten gibt es mitunter unterschiedliche Ansichten. So gibt es Differenzen mit Polen und Ungarn über wesentliche Grundwerte der EU, zum Beispiel zu Regeln der Rechtsstaatlichkeit...

Maas: Leider stellen einige Mitgliedstaaten auch Grundwerte der Gemeinschaft in Frage. Wenn etwa die Pressefreiheit in einzelnen Ländern eingeschränkt wird, wenn Populisten und Nationalisten mit ihrer Propaganda für Ausgrenzung und Diskriminierung werben, dann bereitet mir das Sorgen.

Wie können wir Zweifler wieder überzeugen? Warum soll die EU-Mitgliedschaft für ein Land von Vorteil sein?

Maas: Wir brauchen ein vereintes Europa. Die Aufgaben, die wir lösen müssen, kennen keine Grenzen mehr. Klima, Migration, Digitalisierung - nur gemeinsam sind wir stark genug, diese Probleme zu meistern. So wie der ehemalige belgische Premierminister Paul-Henri Spaak einmal sinngemäß gesagt hat: "Es gibt in Europa nur zwei Arten von Ländern: kleine Länder und Länder, die noch nicht gemerkt haben, dass sie auch klein sind." Allein ist jeder von uns zu klein für die großen internationalen Herausforderungen. Deswegen: Wir wollen niemanden rauswerfen. Aber wir müssen Klartext mit diesen Partnern reden. Viele profitieren exorbitant von der Europäischen Union. Daran muss man diese Länder erinnern.

"Frieden, Freiheit und Bürgerrechte. Das gibt es so sonst nirgendwo auf der Welt. Diese drei machen das Leben lebenswert. Ohne diese drei ist alles nichts."

Es wird viel gestritten in Europa, etwa über die Migrationspolitik oder auch den besten Weg zum Klimaschutz. Warum ist es oft so mühsam, sich zu einigen?

Maas: Früher haben wir uns auf Schlachtfeldern gestritten, heute tun wir das in den Parlamenten und Konferenzzentren. Was für ein Fortschritt! Streit und Debatte sind Teil der Demokratie. Es ist doch großartig, dass sich so viele Staaten mit völlig unterschiedlichen Interessen zum Schluss doch meistens zusammenraufen und einen Kompromiss finden. Manchmal dauert das halt. So ist das bei Kompromissen zwischen vielen. Das kennen wir doch alle, ob aus dem Beruf oder auch aus dem Privatleben.

Die Antwort auf "America first" lautet "Europe united", sagen Sie. Warum nicht "Europe first"?

Maas: Egal ob "America first", "Russia first" oder "China first" - das Motto "wir zuerst" wird auf Dauer nicht funktionieren. Erpressung und Bedrohung sollten nicht zu den Instrumenten der internationalen Politik werden. Es darf nicht das Gesetz des Stärkeren gelten. Frieden und Sicherheit schaffen wir niemals gegeneinander, sondern nur miteinander.

Im Mai sind Europawahlen. Könnte Europa an seinen Gegnern scheitern?

Maas: Europa wird nicht scheitern. Auch wenn es manchmal schwierig ist, im Nachrichtendschungel aus Fake News und Propaganda durchzudringen. Wir müssen die Menschen mit Argumenten und Fakten überzeugen. Europa ist eine einzigartige Errungenschaft. Wir werden alles tun, um unser Europa mit Mut und Zuversicht zu verteidigen. Da kann übrigens jeder mithelfen. Jeder, der sein Leben auch in Zukunft in Frieden und Freiheit führen will, ist eingeladen, sich für Europa einzusetzen - am Küchentisch, im Büro, im Sportverein. Europa kann jede Stimme gebrauchen.

Dieses Interview stammt aus der ersten Ausgabe des neuen Magazins der Bundesregierung "schwarzrotgold" - dieses Mal mit dem Thema "Europa".