Ästhetische Phänomene und mehr
Rezension von
Uta Luise Zimmermann-Krause
In seiner Habilitationsschrift „Römische Klassik und
griechische Lyrik – Transformation der Archaik in augusteischer Zeit“ geht
Felix Mundt der Frage nach, inwieweit römische Dichter sich von ihren
griechischen Kollegen inspirieren ließen und vielleicht sogar Passagen der
griechischen Dichter übernommen haben. Felix Mundt ist Professor für
Altertumsgeschichte und lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Der vorliegende Band gibt an Hand von Originaltexten
Zeugnis von der Odendichtung des Horaz mit eindeutiger Aneignung der älteren
griechischen Lyrik. Neue Papyrusfunde in den letzten Jahrzehnten untermauern
die Hypothese, dass griechische Lyrik des 7. bis 5. Jahrhunderts Vorbildwirkung
hatte auf die römischen Klassiker. Horaz stellt sich in die Nachfolge Pindars,
doch er übernimmt nicht alle Charakteristika pindarischer Lyrik, sondern trifft
eine Auswahl für sich, die er verwendet. Kaiser Augustus zu preisen und die
eigene Tätigkeit zu reflektieren, einen Dichterkollegen zu charakterisieren,
behielt sich Pindar vor. Der Grieche Pindar besitzt ingenium (dt. Temperament), der Römer Horaz weicht auf ars (dt. Kunst) aus.
Die „augusteische Klassik“ konnte sich aus der
Vielzahl von Beiträgen römischer Dichter entwickeln. Und der Rückgriff auf die
ältere griechische Dichtung ermöglicht eine wohl nach soziopolitischer Art
gelesen, mehr als ästhetische Phänomene.
Horaz sieht den Kulturtransfer so: „Nachdem Griechenland unterworfen war,
unterwarf es den wilden Sieger und führte die Künste des bäuerlichen Latium ein.“
Geklärt werden konnte bisher nicht, ob Horaz mit Graecia capta (dt. Griechenland genommen) auf einen bestimmten
Moment im Lauf der griechisch-römischen Auseinandersetzungen anspielt. Rom hält
den Platz der Tat wegen der Bauwerke aus Stein und Mörtel, während Griechenland
der Ort des Geistes ist. Nunc est
bibendum (dt. Jetzt muss man trinken) ist wohl das bekannteste Beispiel für
den römischen Rückgriff auf griechische Lyrik. Es meint das sich Betrinken
durch das Tanzen. Horaz übersetzt diese ersten drei Worte der griechischen Ode
und feiert den Tod der Kleopatra und den endgültigen Sieg Octavians über
Antonius. Die imitatio (dt.
Nachahmung) wurde von Aristoteles für die Nachahmung der Natur durch den
Dichter gebraucht, später auch für die Nachahmung eines Dichters durch einen
anderen. Doch um über die reine Nachahmung hinauszugelangen, muss der
Wettstreit mit dem Vorbild gegeben sein, die aemulatio (dt. Nacheifern).
Die römischen Liebeselegiker wie Properz und Ovid,
haben die direkte Konfrontation mit den griechischen Elegikern wohl nicht
gesucht. Ovid geriet in Konflikt mit Augustus und erst dann suchte er die
Auseinandersetzung. Horaz hingegen wendet sich der Neuen Komödie, dem Epos und
der Bukolik zu. Sein Kollege Lucilius war überausvertraut mit der griechischen
und speziell der attischen Kultur und Philosophie vertraut und er hinterließ
der Nachwelt das „Philosophenmahl“ und die „Götterversammlung“. Cicero bewies,
dass Philosophie nicht nur Schriftstellerei, sondern auch Praxis sei. Mit dem
„Lob der Philosophie“ und dem Lob des Sokrates, der als erster die Philosophie
vom Himmel auf die Erde, in die Städte und Häuser geholt habe, setzte Cicero
ein Zeichen und wollte seine Landsleute zum Philosophieren animieren. Reizvolle
Übersetzungen der Dichtertexte sind Zeugnisdavon, was Dichter mit ihren
Schriften bewirken wollen: Nützen, Vermitteln, Lehren. Der Liebesdichter Catull
sieht es so: „Keinen, sagt mein Mädchen, möchte sie lieber heiraten als mich,
selbst wenn Jupiter sie selbst begehre. Sagt sie. Doch was eine Frau dem
begehrenden Liebhaber sagt, kann man in den Wind und ins strömende Wasser
schreiben.“ Bei Catull geht es um das Parfüm der Berenike oder der Dichterin
Sappho, die Mädchen liebte, und wer das Fläschchen an wen weiterreichte, denn
nichts bringt Erinnerungen schneller zurück als Parfüm. Weiter noch: Von der
Trias „Wein, Liebe, Gesang“ ist die Rede, und es bleibt nicht verborgen, dass
das heftige Trinken nicht nur in Dichterkreisen geübt wurde. Die Schrift
„Römische Klassik und griechische Lyrik – Transformation der Archaik in
augusteischer Zeit“ ist lesenswert, vermittelt sie doch dem Interessenten einen
detaillierten Einblick in die dichterische Historie der
augusteischen Zeit. Und wenn ein gelehrter Dichter von der Möglichkeit der
Umschreibung Gebrauch macht, wird die Beschäftigung damit zur Freude.
Römische Klassik und griechische Lyrik –
Transformationen der Archaik in augusteischer Zeit.
ZETEMATA, Monographien zur klassischen
Altertumswissenschaft,
Heft 155, 302 Seiten, gebunden, Softcover,
Verlag C.H.Beck, 2018
ISBN 978-3-406-72230-1
Preis: 88,00 EUR