Licht und Schatten
Rezension von
Uta Luise Zimmermann-Krause
Seit der Antike hat das Christentum das
Zusammenleben der Menschen geprägt und so auch ihre Herrscher und die
Entwicklung in Europa. Der Autor Jörg Lauster, Professor für
Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Philipps-Universität
Marburg - Gastprofessuren in Rom und Venedig, mit Schwerpunktforschung zur
Kultur und Sinngeschichte des Christentums - führt in seiner Publikation „Die
Verzauberung der Welt – Eine Kulturgeschichte des Christentums“, erschienen
im Verlag C.H.Beck, den Leser durch die sich über die Jahrhunderte ändernde
Architektur des Christentums.
In facettenreicher Darstellung werden Glanzpunkte
christlicher Kultur hervorgehoben. In bildreicher Sprache werden Hinweise auf
die christlich geprägte Dimension der abendländischen Kunst, Musik, Architektur
und Literatur gegeben. Doch warum nahm diese Entwicklung so ihren Lauf und wer
kam auf die Idee, Christen um sich zu scharen? Das Christentum begann an einem
unbedeutenden Ort der Weltgeschichte, in Galiläa und wird mit Jesus in Verbindung
gebracht. Die Jünger haben, laut Schilderung in den Evangelien, aus der
Begegnung mit Jesus erkannt, dass er Gottes Sohn ist, so der mythische Glaube
der Urgemeinde. Wegen der einzigartigen Verehrung Jesu als Messias trennten sich bereits in der
Antike die Christen von den Juden. Das Judentum verehrt Mose als Gesetzgeber,
der Islam orientiert sich an Mohammed, dem letzten und größten Propheten und
der Buddhismus sieht in Buddha einen Weisheitslehrer, der die Welt überwindet.
Für das Christentum ist und bleibt Jesus Christus die höchste Erscheinungsform
des Heiligen in dieser Welt. Die Frage nach dem Reich Gottes – es ist schon da
und muss noch vollendet werden - beantwortet das Lukasevangelium 17,21: „Siehe,
das Reich Gottes ist mitten unter euch“. Der Mönch und selbsternannte Prophet
Martin Luther hatte „mitten unter euch“
mit „inwendig“ übersetzt und damit eine folgenreiche Kette von
Fehlinterpretationen eröffnet. Dass es jedoch das Christentum überhaupt gibt,
ist sein größtes Wunder. Nach der Kreuzigung Jesu, dem Ende, folgt die
Auferstehung des Sühneopfers Jesu mit einem neuen Anfang. Diese Auferstehung
ist die eigentliche Geburt des Christentums. „Denn auch der Menschensohn ist
nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben
gebe als Lösegeld für viele.“ (Mk 10, 45).
Das Geheimnis des Anfangs ist die Transformation der
Person Jesu zu Christus, denn die Geschichte des Christentums lebt von dieser
Transformation. Jesus war Jude, seine Jünger waren Juden, die Apostel Petrus
und Paulus waren Juden und gelten als bedeutsame Märtyrer ihrer Zeit. Ergo, das
Judentum war der Mutterboden des Christentums und die Bibel ist dem Grunde nach
jüdisches Erbe. Doch bei Tacitus galten die Christen als sonderbar mit ihrem
abwegigen Aberglauben. Im Gegenzug wehrten sich Christen gegen die Götterwelt
anderer Religionen. Kaiser Konstantin erschien vor seinem Sieg in Rom an der
Milvischen Brücke (28.10.312) im Traum ein Kreuz mit den griechischen
Buchstaben X und P, den Anfangsbuchstaben des Christusnamens, und er hörte die
Worte: „Dadurch siege!“ Konstantin erhielt auf dem Totenbett die Taufe und
verhalf dem Christentum zum Durchbruch im antiken Reich. Im Jahr 330 begründete
der Kaiser Konstantinopel und realisierte ein umfangreiches Programm zum
Kirchenbau nicht nur in Konstantinopel, sondern auch in Rom und Jerusalem. Doch
mit Kaiser Julian in der Nachfolge begann erneut die Ablehnung des
Christentums. Julian fiel nach nur drei Jahren im Amt 363 im Feldzug gegen die
Perser. Zweihundert Jahre später ließ Kaiser Justinian in Konstantinopel die
berühmte Hagia Sophia errichten, denn die eigene Herrschaft wird als Sendung
Gottes verstanden. Diesem Umgang mit der Krone schlossen sich im Mittelalter
die fränkischen, ottonischen, salischen, staufischen, luxemburgischen und
habsburgischen Kaiser an, sie alle
nannten sich Kaiser durch Gottes Gnade.
Diese facettenreiche Schilderung zum Werdegang des
Christentums von der Antike bis heute dient dem Verständnis jeglicher Religion,
wenngleich das Werk ebenso für Atheisten geeignet ist. Ehrfurcht vor dem Wunder
dieser Welt und seiner einzigartigen Schönheit sind dem gegenseitigen
Verständnis förderlich, solange es Menschen gibt, die sich mit Religionen
befassen und bestenfalls sich ihr anzuschließen im friedlichen Sinne. Denn
schon Benedikt – Gründer des Klosters Monte Casino – wusste vom Gehorsam, dem
Kernstück des „heiligen Dienstes“. Anders in der kleinen Universitätsstadt
Wittenberg, in der sich ab 1521 die Lage radikalisierte, denn Luthers
persönlicher Aufbruch kam aus dem Nichts. Und für die Wittenberger Reformation
waren die Wirren des Bauernkrieges fatal. Luther wusste, dass die Bauern sich
auf ihn beriefen. Daher ließ Luther seinen Freund Thomas Müntzer fallen bis in
den Tod. Trotz allem, die Spaltung der Kirche im Ergebnis der Reformation, war
wohl keine gute Idee, und nicht umsonst sind auch in Magdeburg, der einstigen
Hochburg der Reformation und „Herrgotts Kanzlei“, Katholiken und Evangelische
um Ökumene bemüht.
Ein gutes Zeichen für den Fortgang des Christentums
im 21. Jahrhundert.
Das vorliegende Werk „Die Verzauberung der Welt –
Eine Kulturgeschichte des Christentums“ eröffnet dem Interessenten eine mehr
als zweitausend Jahre alte Kulturwelt. Die Beschäftigung damit wird zur Freude.
Die Verzauberung der Welt –
Eine Kulturgeschichte des Christentums.
734 Seiten, gebunden, Leinen,
Schutzumschlag, 80
Abbildungen,
16 Tafeln mit 25 Abbildungen in Farbe,
Verlag C.H.Beck, 2014
ISBN 978-3-406-66664-3
Preis: 34,95 EUR